
Paul Bartsch & Band – Gemeinsame Sache
Ein Live-Erlebnis für die Ohren
Viele Musik- und Vinyl-Liebhaber kennen Paul Bartsch wohl eher durch seine monatliche Radiosendung „LiveRillen“ auf Radio CORAX, als durch seine eigenen musikalischen Werke. Umso gespannter war ich auf seine Live-Doppel-LP „Gemeinsame Sache“ – und ich wurde nicht enttäuscht. Was hier vor mir liegt, ist ein grandioses Album mit wunderbaren Songs, die ein beeindruckend breites Spektrum abdecken. Es weckt sofort Erinnerungen an die gute, alte Liedermacherzeit, während Paul Bartsch und seine Mitstreiter uns Geschichten erzählen, Geschichten aus einer Zeit, in der Märchen noch verzauberten.
Gleich die erste LP-Seite spannt einen weiten Bogen. Die Interpretation der „Stadtmusikanten“ fesselt. Ein erstes Gänsehautgefühl überkommt mich bei „Kopf oder Zahl“. Bartsch wirft Fragen auf: Aber was, wenn die Türen aufgehen, wenn die letzten Patronen verschossen sind? Und er stellt fest, dass dies wohl ein Märchen aus kommenden Tagen wäre. Doch es bleibt nicht bei diesem einen Schauer. Schon zum Ende der ersten Seite nimmt Bartsch den Publikumschor auf einen „Testlauf“ mit, und spätestens hier reift in mir der Wunsch, ein solches Konzert unbedingt einmal live miterleben zu wollen.
Mit diesen ersten 20 Minuten legen Bartsch (Gesang, Gitarre, Mundharmonika), Sander Lueken (Keyboards, Gesang), Thomas Fahnert (Gitarren, Geige, Gesang), Gerd Hecht (Bassgitarren) und Ralf Schneider (Schlagzeug) die Messlatte extrem hoch. Das Beeindruckende ist, dass die Band dieses Niveau über alle weiteren Songs hinweg hält. Es ist großartig zu hören, wie „Gute Macht, Freunde“ Erinnerungen an Neil Young und vor allem an den 1998 verstorbenen Liedermacher Gerhard Gundermann weckt – und schon ist dieses Gänsehautgefühl wieder da.
Mit „Häuschen im Grünen“ wird es dann richtig rockig, ohne dabei einen Stilbruch zu begehen. Alles passt perfekt zusammen, es ist eine wunderbare dramaturgische Steigerung. „Ostalgie-Blues“ und „Blues vom richtigen Streiten“ leiten die nächste Stufe ein, bevor es auf die Zielgerade geht. Doch zuvor „mutet“ Bartsch dem Publikum mit dem Song zur Streitkultur einen didaktischen Beitrag zu. Dies müsse sein, stellt der Frontmann fest, schließlich sei sein berufliches Leben in pädagogischen Kontexten verlaufen. Ein verschmitztes Schmunzeln ist seinen Worten zu entnehmen. Apropos Moderation: Bartsch weiß hier, genau wie bei seinen „LiveRillen“-Sendungen, auf ganzer Linie zu überzeugen.
Auf der bereits angesprochenen Zielgeraden folgen dann noch „Unbekanntes Land“, „Viel zu früh“, „Der Mensch im Grunde“ und „Klotz am Bein“, und das begeisterte Publikum wird es hier wohl kaum noch auf den Sitzen gehalten haben.
Zusammenfassend lässt sich schlicht feststellen: Paul Bartsch & Band haben hier ein grandioses Konzert gespielt. 16 Songs, die auf ganzer Linie schlicht überzeugen und unter die Haut gehen. Die dramaturgische Steigerung ist phänomenal. Der einzige Nachteil, den ich festmachen muss: Ich war bei diesem tollen Event leider nicht dabei.
Dass dieses Werk eine so runde Sache geworden ist, liegt sicher auch daran, dass das Herausbringen einer Doppel-LP in der heutigen Zeit nicht selbstverständlich und für Künstler:innen stets ein Wagnis ist. Bartsch und Co. haben dieses Album nicht nur eingespielt, sie haben die Vorgänge im Presswerk Matter Of Fact mitverfolgt und das gesamte Artwork geschmack- und liebevoll mitgestaltet.
Auf der Innenseite des Gatefold-Covers lese ich den Satz: „Lieder bauen Brücken, auf denen man sich begegnen kann...“
Dieses Doppelalbum, dieses Konzert – es ist dann wohl die Brücke!