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Geier Sturzflug – SKA & Reggae In der großen Tradition der kleinen Haushaltswaren
Vor einigen Tagen stellte ich die neue Friedel Geratsch-CD „Liebeskummertour“ vor. Bis zu dieser CD war ich der Meinung, dass ich die Musik von Friedel Geratsch und von Geier Sturzflug schon Jahre, ja Jahrzehnte hinter mir gelassen habe. Je mehr Blues, Southern Rock, Reggae, Americana, Soul und und und ich hörte, um so mehr blieb alles deutschsprachige auf der Strecke. Doch auf einmal war bei Songs wie „Straße Alkohol“
oder „Ein Gedicht“ wieder alles ganz anders. Auf einmal war dieses Feeling wieder da, auf einmal verlangte der Kopf, das Herz nach mehr davon. Also habe ich die beiden aktuellen LPs der Band Geier Sturzflug bei Mad Butcher Records geordert. 2022 erschien „SKA & Reggae – In der großen Tradition der kleinen Haushaltswaren“, ein Jahr später gab´s „Trotzdem“.
Meine musikalische Sozialisation ist natürlich auch geprägt von der ZDF Hitparade. Auch wenn die dort gespielten Songs nicht wirklich meine Musik waren, so lief die Sendung im Samstagvorabend-Programm und irgendwie bekam ich schon mit, was da so angesagt war. Aufhorchen ließ mich damals als Geier Sturzflug ihre Vorstellung vom Bruttosozialprodukt präsentierte. Dass Friedel Geratsch damals dann auch noch der Müllabfuhr andere Aufgaben als die im offiziellem Text vorgesehenen zuwies, was natürlich zu einem gewissen Eklat führte, somit eine Provokation darstellte, gefiel mir sehr gut. Wichtiger war aber, dass der sich im Sturzflug befindliche Geier kritische, politische Texte leicht verpackt in die Wohnzimmer transportierte. Neben dem Bruttosozialprodukt gab´s auf „Heiße Zeiten...“ noch als Opener „Besuchen sie Europa“. Ein Jahr später (1984) ließ die Band „Dreimal täglich“ folgen, eine LP, die mir in Gänze noch einen Tick besser gefiel als der Vorgänger. Egal, die „Neue Deutsche Welle“, auf der Geier Sturzflug am Rande mit schwamm, war nicht mein Ding, ich verlor diese Musik schnell aus den Augen und Ohren. Und nun auf einmal ist da ein Feuer, was wohl irgendwie immer vor sich hin gelodert hat und plötzlich wieder aufflammt. Nach „Liebeskummertour“ musste es mehr sein und da meine kleine, heimliche Liebe Ska & Reggae ist, habe ich mir diese LP gleich mal mehrfach angehört. Eins kann mir (wirklich) keiner nehmen und das ist die pure Lust an dieser LP, an dieser Musik. Ich höre jetzt schon die Kritiker:innen, die da sagen: Wenn Reggae, dann Bob Marley. Ich höre aber auch ganz gern The Specials und hier bekomme ich von Geier Sturzflug wirklich perfekten Ska & Reggae mit absolut exzellenten Texten geboten. Eigentlich überrascht es auch nicht, dass Geier Sturzflug sich hier ganz auf Ska & Reggae verlagert hat. Es passt, die Musik ist tanzbar (Gute Laune ist programmiert) und übermittelte stets gesellschaftspolitische Texte. Die Musik kommt wirklich klasse rüber, ich spüre, wie die vermittelte gute Laune in mir hoch steigt und die Texte? Sie sind schlicht überzeugend. „Der letzte Zug“ könnte aktueller nicht sein. Nein, ich bin Nichtraucher, halte die Cannabis Legalisierung dennoch für den richtigen Weg und somit habe ich auch kein Problem damit, dass sich dieser Song im Moment zu meinem Lieblingslied auf dieser LP entwickelt. Obwohl, schon der Opener „Bob Hiob“, ein Song ist, der Weg und Richtung vorgibt, sagt klar, hier musst Du dran bleiben, es lohnt. „Fünf vor zwölf“ ist ganz großes Kino und „Hey Kapitän“ hält auf der zweiten LP-Seite gleich zu Beginn das Stimmungsbarometer am oberen Limit. Dort bleibt es, bis der letzte Ton von „Modern ist wenn man gewinnt“ verklungen ist.
Mittlerweile befindet sich der dritte Hördurchgang auf der Zielgeraden. Danach wird die schwarze Scheibe noch einmal gedreht, Kopfhörer auf die Ohren, Volume ganz nach rechts (aber nur die Lautstärke) und noch einmal richtig fallen lassen.
Noch schnell einige Sätze zum Vinyl. 180 Gramm Vinyl, sehr laufruhig, keine Nebengeräusche, Klang sehr ausgewogen, ich sag´s mal platt „Spitzenklasse“. Das Vinyl steckt in einer schlichten Einsteckhülle. Sämtliche Texte und Infos gibt’s auf einem Einlegeblatt. Das Cover ist insgesamt sehr geschmackvoll gestaltet. Dies alles gibt es in einer Zeit, in der die Plattenpreise in ungeahnte Höhen klettern zu einem mehr als fairen Preis von unter zwanzig Euro.
Einziges Manko, welches ich mir ankreide, warum habe ich diese LP nicht früher entdeckt. Egal, dafür gibt’s noch einem letzten Hördurchgang. „Trotzdem“ muss somit bis morgen warten.