Dennoch ist es nicht trivial, zu beschreiben, wo die Band heute steht.
Die Supergroup, die sich aus ehemaligen Mitgliedern von Avantgarde- und Post-Punk-Bands wie den Einstürzenden Neubauten, Caves ehemaligem Quintett The Birthday Party und Magazine zusammensetzt, hat sich in den letzten zehn Jahren im Studio stark zurückgehalten.
Nick Cave drückte seine rohen Gefühle über den Verlust seines Sohnes Arthur mit minimalistischer Musik aus, die sich stark auf die fruchtbare Partnerschaft zwischen Songwriter und Multiinstrumentalist Warren Ellis stützte.
Auf Skeleton Tree, dem von Trauer geprägten Ghosteen oder Carnage (wo die Bad Seeds nicht einmal auftauchen) war kein Platz für wilde Ausbrüche. Der Opener "Song Of The Lake" stürzt sich gleich zu Beginn wie ein silberner Strom aus den Felsen.
Natürlich ist es The Bad Seeds überlassen, Caves Lebensweisheit in einen gurgelnden musikalischen Wasserfall zu übersetzen.
Für mich hätte "Conversion" auch der Opener sein können, aber Cave hat sich entschieden, diesen Song in die Mitte von Wild God zu setzen.
Nach zweieinhalb Minuten, in denen man sich in einer Klanglandschaft treiben lässt, die auch auf Ghosteen hätte sein können, bricht "Conversion" mit dem Mantra "touched by spirit / touched by the flame" weit auf.
Der Song hebt einen buchstäblich in die Höhe, als wäre er eine moderne Form des Gospels: Man fühlt sich danach tatsächlich leichter.
"Joy" ist die Zusammenfassung des Gesamtgefühls, dass Wild God vermittelt und enthält viele klassische Cave-Themen wie Schmerz, Leid und Tod.
Wild God ist voll von Songs wie diesem.
Reichhaltig, orchestral und überraschend leichtfüßig sind die Adjektive, die mir in den Sinn kommen, der Kontrast zu den Vorgängeralben, ist sehr stark.
Verbindungen zum alten Werk sind eher bei Abattoir Blues / The Lyre of Orpheus und Let Love In zu erkennen, auch wenn die Berührungen nur am Rande sind. Dass der neue Weg von Nick Cave & The Bad Seeds wesentlich üppiger ausfallen würde, konnte man schon an den bereits ausgekoppelten Singles erahnen, allen voran dem Titeltrack.
Der Song "Wild God" fühlt sich an wie eine unsichtbare Hand, die einen durch schweres, stürmisches Wetter führt.
Weniger klassisch ist das nachdenkliche Liebeslied, dass Nick Caves kürzlich verstorbener Ex-Partnerin Anita Lane zugeschrieben wird.
Es enthält sogar eine Audioaufnahme eines Telefongesprächs, in dem sich Lane an ihr damals ausschweifendes Leben erinnert.
Nun, Nick Cave und The Bad Seeds schrammen mit "Wild God" gleich mehrfach an der Perfektion vorbei, so außergewöhnlich ist der Glanz, mit dem jeder Song gesegnet ist.
Conversations With Nick Cave war eigentlich eine grandiose therapeutische Sitzung, bei der es zu einer besonderen Interaktion zwischen dem Künstler im verletzlichsten Moment seines Daseins und seinen Fans/Begleitern kam, und Wild God scheint wie die musikalische Übersetzung der an einem solchen Abend empfundenen Hoffnung und Beruhigung.
Achtzehn Studioalben weit in der Karriere, schaffen es Nick Cave & The Bad Seeds, ihren Sound noch einmal zu strecken, und doch lassen uns die Musiker mit anderen Facetten ihres Könnens wieder einmal sprichwörtlich den Mund offenstehen.
Track listing:
1. Song of the Lake
2. Wild God
3. Frogs
4. Joy
5. Final Rescue Attempt
6. Conversion
7. Cinnamon Horses
8. Long Dark Night
9. O Wow O Wow (How Wonderful She Is)
10. As the Waters Cover the Sea
Produced by Nick Cave and Warren Ellis, and mixed by David Fridmann, Nick Cave began writing the album on New Year’s Day 2023. With sessions at Miraval in Provence and Soundtree in London, the Bad Seeds added their unique alchemy, with additional performances from Colin Greenwood (bass) and Luis Almau (nylon string guitar, acoustic guitar).Nick Cave: hat geschrieben: “I hope the album has the effect on listeners that it’s had on me. It bursts out of the speaker, and I get swept up with it. It’s a complicated record, but it’s also deeply and joyously infectious. There is never a masterplan when we make a record. The records rather reflect back the emotional state of the writers and musicians who played them. Listening to this, I don’t know, it seems we’re happy.”