Man nehme eine grosse Portion Surf-Twang, das mystisch-verwegene Pulp Fiction Flair, den Bayou Swamp Rock von Creedence Clearwater Revival und das Erkennungs-Riff von Bo Diddley, schmeisse alles in einen Mixer und raus kommen Southern Culture On The Skids. So ähnlich klangen diese drei musikalischen Rabauken damals für mich, als ich diese Platte zum erstenmal gehört hatte. Wobei die eine eine Rabaukin war: Neben der singenden Bassistin und Organistin Mary Huff bestanden die S.C.O.T.S. (!) aus dem singenden Schlagzeuger David Hartman und dem ebenfalls singenden Gitarristen Rick Miller plus dem Gastmusiker Michael Lipton an der Lap Steel Gitarre, sowie den Soul City Singers als Background-Chor. Die Band wurde im Jahre 1985 in Chapel Hill, North Carolina gegründet und hatte somit nichts mit Schotten zu tun, obschon sie immer wieder auch als die S.C.O.T.S. abgekürzt benannt wurden (Scots = Schotten). Stilistisch boten die drei Musiker eine auf ihren Platten immer wieder variierende Mixtur aus klassischem Rockabilly, Surf Rock, Countrymusik und diversen Rhythm'n'Blues-Formaten, stets angereichert mit typischen Punk-Elementen und - wie auf "Dirt Track Date" - auch Reminiszenzen an den traditionellen, insbesondere von Creedence Clearwater Revival gespielten Country Rock.
Southern Culture On The Skids spielten einen Upbeat Sound, der gut tanzbar war und die Band verarbeitete in ihren Songtexten zumeist Spass-Themen wie Tanzen, Sex und gegrillte Hähnchen ("Fried Chicken"), nachzuhören etwa in Songs wie "Cheap Motels", "Soul City" oder "Eight Piece Box". Die Band war ausserdem berühmt-berüchtigt für ihre abenteuerlichen Live-Shows, bei denen immer wieder mal gegrillte Hähnchen oder auch Bananenpudding von der Bühne hinunter ins Publikum geschleudert wurden. Ausserdem lud die Band immer wieder auch das Publikum zu sich auf die Bühne, um zu tanzen. In der Regel erlaubten es die Musiker auch, nichtkommerzielle Aufnahmen ihrer Shows direkt vor Ort mitzuschneiden, was die relativ hohe Anzahl an kursierenden Bootlegaufnahmen der Gruppe erklärt. "Dirt Track Date" war bereits das fünfte Album der Band, auf welchem die Gruppe mit dem als Single ausgekoppelten "Camel Walk" zumindest ein bisschen kommerziellen Erfolg in den USA verbuchen konnten. Für das von Mark Williams produzierte Album schrieb der Gitarrist Rick Miller 13 der 14 Songs. Als einzige Fremdkomposition wählte die Gruppe das von Lincoln Chase ("Jim Dandy") verfasste Stück "Nitty Gritty".
Aufgewachsen war Rick Miller in Henderson, North Carolina, wo sein Vater ein Fertigungswerk für Wohnmobile betrieb, und in Südkalifornien, wo seine Mutter lebte und wo er zuerst die Surfmusik und den Rockabilly entdeckte. Nach seinem Kunstabschluss an der University of North Carolina begann Miller mit dem ursprünglichen Leadsänger Stan Lewis, dem Bassisten Leslie Land und dem Schlagzeuger Chip Shelby die erste Inkarnation von Southern Culture On The Skids. Lewis brachte einen deutlichen Cramps-Einfluss auf die Band, obwohl ihr Stil noch wesentlich braver war, als er sich später noch entwickeln würde. Dieses Quartett-Lineup veröffentlichte eine EP mit dem Titel "Voodoo Beach Party" auf dem lokalen Independent-Label Lloyd Street, der 1985 das gleichnamige Debütalbum folgte. Als die Band mehr und mehr im ganzen Land bekannt geworden war, stieg Mitgründer Lewis aus, worauf zwei weitere Mitglieder am Akkordeon und der Pedal Steel Gitarre hinzu kamen. Die neue musikalische Richtung der Band kostete sie jedoch einen Grossteil ihrer treuen Fans, worauf die erste Version von Southern Culture spaltete kurze Zeit später auflöste. 1987 gruppierte sich Rick Miller mit einer neuen, kleineren Besetzung mit der Bassistin und Sängerin Mary Huff und dem Schlagzeuger Dave Hartman, die beide in Roanoke, Virginia aufgewachsen waren. Die beiden zuvor ausgestiegenen Musiker Lewis und Shelby taten sich später als Stan Lewis & The Rockin' Revelers wieder zusammen und spielten hauptsächlich auf lokaler Basis.
Die neu ausgerichtete Gruppe Southern Culture On The Skids verbrachte einige Jahre damit, ihren Sound zu verbessern und gelegentlich die eine oder andere Single zu veröffentlichen. Schliesslich kehrten sie 1991 mit "Too Much Pork For Just One Fork" mit einer weiteren LP zurück, die auf dem Moist-Label erschien. "Too Much Pork For Just One Fork" etablierte die lyrischen Obsessionen der Gruppe und zeigte die erste Aufnahme ihrer gebratenen Hähnchen-Hymne "Eight Piece Box", einem späteren Konzertfavorit der Gruppe. Das nächste Album, das 1992 erschienene Werk "For Lovers Only", das wesentlich rauher klang, wurde von der Band auf deren neu lanciertem eigenen Label Safe House veröffentlicht. Unter anderen Fan-Favoriten gab es hier Mary Huff's ersten grossen Vocal-Showcase zu hören, und zwar eine tolle Rockabilly-Variante des Jo Anna Neel Songs "Daddy Was A Preacher But Mama Was A Go-Go Girl". Die zur Hälfte je mit Live- und Studioaufnahmen gefüllte EP "Peckin 'Party" folgte 1993 auf Feedbag Records, ebenso wie die 10" "Girlfight" EP auf dem kleinen Independent Plattenlabel Sympathy for the Record Industry. Das im direkten Vergleich wesentlich gemütlichere und von klassischer Countrymusik inspirierte "Ditch Diggin'" folgte 1994 auf Safe House Records und enthielt Coversongs von den Louvin Brothers und von Link Wray.
Im Jahre 1995 unterzeichneten Southern Culture On The Skids dann beim Plattengiganten Geffen Records, einer Tochtergesellschaft von DGC Music, wo im folgenden Jahr mit "Dirt Track Date" die bislang in sich stimmigste und vielfältigste Platte der Gruppe erschien. Für das Album nahmen die Musiker einige Titel neu auf, die sie schon zuvor in anderen Varianten präsentiert hatten und erhielten für das Werk auch allgemein begeisterte Kritiken. Vom Album "Dirt Track Date" verkaufte die Band schliesslich mehr als eine Viertel Million Exemplare.
Nach der Veröffentlichung der Lucha Libre-Themen-EP "Santo Swings!", welche auf dem Estrus Records Label erschien und mit einer spanischsprachigen Coverversion von "Scratch My Back" und dem Titel "Double Shot Of My Baby's Love" glänzte, lieferten die Musiker ihr zweites Album für Geffen Records ab, das "Plastic Seat Sweat" betitelt war und 1997 mit dem neuen Keyboarder Chris 'Cousin Crispy' Bess erschien. Während "Plastic Seat Sweat" eine solide Leistung war, enttäuschte sein kommerzieller Nichterfolg sowohl die Band als auch ihr Label und sollte daher auch die letzte Veröffentlichung der Gruppe auf einem Major Label sein. Nach ein paar Jahren konstantem Touren wurde 2000 das nächste Werk "Liquored Up And Lacquered Down" auf TVT Records veröffentlicht. Der Deal erwies sich als einmalig und es dauerte vier Jahre, bis die Band mit dem in North Carolina ansässigen Independent Label Yep Roc Records ein neues Aufnahmestudio fand. SCOTS Yep Roc Debüt "Mojo Box" erschien im Jahre 2004, wurde nach dem Ausscheiden von Keyboarder Chris Bess fertiggestellt, was schliesslich wieder zu jenem Trio Miller, Huff und Hartman führte, das zuvor jahrelang als Southern Culture On The Skids unterwegs war. "Mojo Box" wurde von Rick Miller in seinem neuen Studio, Kudzu Ranch, produziert, wo er auch Alben von den Fleshtones, von Dexter Romweber und den Woggles produzierte.
Southern Culture On The Skids veröffentlichten zwei weitere Alben für Yep Roc Records: das 2006er Live-Set "Doublewide And Live" und die Cover-Kollektion "Countrypolitan Favorites" von 2007. Danach beendeten die Musiker ihre Zusammenarbeit mit Yep Roc Records, um ein eigenes neues Label zu gründen: Kudzu Records. Das 2010 erschienene Album "The Kudzu Ranch", das nach Miller's Studio benannt wurde, war das erste Werk auf diesem Label, welchem Neuauflagen des "Too Much Pork" Albums und der 1998 erschienenen EP "Zombified" folgten. Im Jahre 2013 veröffentlichten S.C.O.T.S. "Dig This", ein Set mit neuen Aufnahmen der Songs von "Ditch Diggin'", jedoch ohne die ursprünglich für dieses Album aufgenommenen Coversongs von Link Wray und den Louvin Brothers aus der Erst-Veröffentlichung. Die Band arbeitete auch noch einmal kurz mit Yep Roc Records zusammen für das Konzept-Album "Mondo Zombie Boogaloo", das auch neues Material der Fleshtones und Los Straitjackets enthielt. Die drei Bands machten sich im Herbst 2013 auf eine gemeinsame Tournee, um das Set zu promoten. Im Jahre 2016 zeigten Southern Culture On The Skids mit "The Electric Pinecones" einen kreativen Wandel: ein Album, das von Pop und psychedelischen Einflüssen aus den 60er Jahren geprägt war, sowie den seit vielen Jahren bewährten sogenannten 'Dixie Fried Rock' präsentierte.
[REVIEW] Southern Culture On The Skids • Dirt Track Date (1995)
-
Topic author - Beiträge: 6772
- Registriert: So 9. Apr 2023, 18:11
- Wohnort: Zwischen den Meeren
- Has thanked: 7798 times
- Been thanked: 8383 times
- Kontaktdaten:
[REVIEW] Southern Culture On The Skids • Dirt Track Date (1995)
Die wunderbare Zumutung, selbst denken dürfen zu müssen.
Haben ist besser als brauchen.
(Alte Plattensammlerweisheit)
Haben ist besser als brauchen.
(Alte Plattensammlerweisheit)