[REVIEW] Robert Randolph & The Family Band - Live At The Wetlands (2002)
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[REVIEW] Robert Randolph & The Family Band - Live At The Wetlands (2002)
Das war mein Album des Jahres 2002. Sollte ich daher schon auch mal porträtieren, denn es ist schlicht eine Wucht. Robert Randolph. Diesen Namen hatte ich noch nie gehört, bevor ich mich in meinem Urlaub 2002 in Florida im schönen St. Petersburg in einen kleinen Plattenladen verirrte. Wie ich da so in den Regalen kramte, ohne nach etwas Bestimmtem Ausschau zu halten, lief im Laden diese Live-CD, und je länger die lief, umso mehr dachte ich so für mich: Hm, das klingt interessant. Das klingt vor allem nach Musik, die ich in dieser Form noch nie gehört habe. Das ist eindeutig eine Pedal Steel Guitar, aber da wimmert ansonsten rein gar nichts wie mir vertraute Countrymusik. Vielmehr kracht hier eine Band einen knalligen Jam-Sound, der extrem vorwärts peitscht und irgendwo im Blues-, resp. im schnellen Boogie-Bereich angesiedelt ist.
Wie ich nun also diese CD in dem Laden höre und das Cover in der Hand halte, fällt mir als Erstes das Band Line-Up auf: Da sind Bass, ein Keyboard, ein Schlagzeug und der Bandleader Robert Randolph - nein, nicht an der Gitarre, sondern eben an der Pedal Steel. Und dann das Foto: Ein Schwarzer Musiker an der Pedal Steel! Das ist schon mal ziemlich aussergewöhnlich. Wer nun aufgrund der Instrumentierung eine Mischung aus Kuhfladen und Na$hville erwartet, liegt wie ich völlig falsch. Was Robert Randolph aus seiner Pedal Steel herausholt, hat mit Country gar nichts zu tun und haut mich auch schon alleine deswegen ziemlich aus den Socken. Inzwischen ist Robert Randolph seinen erfolgreichen Weg im Musikbusiness gegangen, spielte unter anderem ja auch mit Clapton.
Die Presse schrieb damals über diesen aussergewöhnlichen Musiker und seinen auf CD gebannten Auftritt Folgendes: "Robert Randolph - Winner of the 2002 Newcomer Award - is an artist who has received some of the greatest critical acclaim in memory. on his new live album recorded at the fabled new york club "wetlands", the 24-years-old resurrects the spiritual fervor of gospel, gutbucket soul of the blues, earthy power of R&B and raucous energy of rock to create a foot-stomping roof-raising rave-up that has fans begging for more."
Robert Randolph zog schon bevor er dieses Debutalbum veröffentlichte seit geraumer Zeit im Umfeld von Widespread Panic, Gov't Mule und Ween herum, kam jedoch bei Performances nie über das Etikett 'Achtungserfolg' hinaus. Dies änderte sich schon kurze Zeit nach der Veröffentlichung dieser Live-CD, denn die Plattenfirma Warner Brothers hatte sich Randolph und seine Familie bald unter den Nagel gerissen, und es war nur eine Frage der Zeit, bis die erste Studio-Scheibe erschien, und nach ihr einige weitere. Eine Tournee zusammen mit Eric Clapton verhalf ihm schliesslich zum internationalen Durchbruch und er ist inzwischen ein Garant für klasse Live-Konzerte und gern gesehener Gast an vielen Open Airs. Seine Auftritte sind ganz spezielle Attraktionen, weil er stets mit einer unglaublichen Dynamik und Energie zu Werke geht, sein Publikum stets stark einbindet und so wahre Happenings abfeiert.
Sein Debutalbum bietet 6 Songs mit über 70 Minuten Spielzeit und sprüht vor Energie und Spielfreude, und dies auf musikalischem Top-Niveau. Sie zieht mich bis heute in ihren Bann, jedesmal, wenn ich sie mir auflege. "Ted's Jam", erster Song - 13 Minuten engagiert jammender "Phish"-Groove. Nein, nicht Grateful Dead-gemütlich, sondern rhythmisch packend und immer wieder wild und peitschend, dabei immer mit satter Bodenhaftung. "Shake Your Hips" - der bekannte Klassiker im 10 Minuten-Stretching. Der Grundgroove nimmt dich sofort, du erinnerst dich gleich an "La Grange" von Z.Z. Top, und all die geilen vermeintlichen "Gitarren"-Solis schletzt Robert Randolph auf seiner Pedal Steel hin. Das ist wirklich einmalig. "I Don't Know What You Come To Do" - Robert erklärt dem Publikum, wie man richtig "footstompen" tut. Das ist Party pur, Fun mit der Präzision eines Schweizer Uhrwerks und einer unglaublichen Power. Schliesslich: "Tears Of Joy" - Robert und seine Family Band verabschieden sich in bester Soul-Tradition, ein bisschen Donny Hathaway, etwas Stuff, trotzdem bluesig, und natürlich auch endlich einmal richtig weinerlich, diese Pedal Steel, so, wie man sie sonst ja von all den wimmernden Country-Schnulzen kennt. Zum Abschluss nach all dem Highway also doch auch noch ein bisschen Prärieluft.
Da Robert Randolph auf den nachfolgenden Platten immer einen starken Bezug zum Funk zeigte, muss auf jeden Fall erwähnt werden, dass "Live At The Wetlands" keine Funk-Gruppe präsentiert. Das Trio rockt hier das Haus mit wahrhaftiger "Footstomping Music", lässt aber den späteren Drive, bei dem er dann verstärkt auf Funk setzte, schon hier gut erkennen. Find' ich bis heute grosse Klasse.
Die wunderbare Zumutung, selbst denken dürfen zu müssen.
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Re: [REVIEW] Robert Randolph & The Family Band - Live At The Wetlands (2002)
Robert Randolph ist mir ein Begriff. Auf mehreren Crossroads Alben von Eric Clapton wusste er mich schon zu überzeugen. Bislang befindet sich von ihm noch kein Album in meiner Sammlung. Er steht aber auf meiner Wunschliste. Deine Rezension ist prima und erinnert mich an meinen Zettel.
„Musik ist eine Welt für sich, mit einer Sprache, die wir alle verstehen." Stevie Wonder