[REVIEW] Birth Of Joy • Live At Ubu (2015)

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Beatnik
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[REVIEW] Birth Of Joy • Live At Ubu (2015)

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Birth Of Joy waren eine niederländische Rockband, die 2005 an der Herman Brood Academie in Utrecht gegründet wurde. Nach zahlreichen Liveauftritten in den Niederlanden wurde die Band im Anschluss an einen Auftritt beim Zwarte Cross Festival 2011 vom niederländischen Independent Label Suburban Records unter Vertrag genommen. Auftritte beim Rencontres Trans Musicales sowie beim Eurosonic Noorderslag Festival in Groningen, das unter anderem vom deutschen WDR Rockpalast unterstützt wurde, machten die Gruppe auch ausserhalb der Niederlande bekannt. Der Name der Band ging auf eine Anspielung auf Friedrich Nietzsche's Werk 'Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik' zurück. Die Musik der Band war von Beginn weg stark von der Blues- und Psychedelic-Rockszene der späten 60er und frühen 70er Jahre beeinflusst, nahm aber auch Anleihen beim Rock'n'Roll und beim Boogie Woogie, entwickelte aus diesen sehr unterschiedlichen musikalischen Vorgaben jedoch einen ganz eigenen, druckvollen und hochenergetischen Sound. Als Vorbilder wurden zwar MC5 und The Doors genannt, jedoch gesellten sich, insbesondere aufgrund der ungewöhnlichen Live-Besetzung ohne einen festen Bassisten, auch durchaus einige Zitate der 60s Psychedelikrock-Superstars The Vanilla Fudge hinzu, die dann für entsprechende Power und Rock-Dynamikschübe sorgten.

Die Band, wie sie sich auf diesem famosen Rock-Liveopus präsentierte, setzte sich zusammen aus Kevin Stunnenberg (Gesang, Gitarre), Bob Hogenelst (Schlagzeug, Gesang, Mundharmonika) und Gertjan Gutman (Keyboard). Nach der Nominierung für den prestigeträchtigen 'Edison Pop Award' in ihrem Heimatland stand im Jahre 2015 die Veröffentlichung ihres ersten Livealbums an. "Live At Ubu" wurde während zwei ausverkauften Shows am 29. und 30. Januar 2015 im Club Ubu in Rennes, Frankreich mitgeschnitten und überzeugte mit fast zweieinhalb Stunden herzhaften Psychedelik Orgel Rock'n'Roll. Beeinflusst vom Psychedelic Rock, dem harten Underground Blues und dem Rock'n'Roll der ausgehenden 60er Jahre, führte das Trio den Zuhörer zurück in die gute alte Zeit von MC5, The Doors und Pink Floyd, also ihrer Helden aus den Rock-60ern. Stonerrock, Grunge und Punk Einflüsse bereicherten den Sound der alten Helden und liessen einen ganz eigenen Stilmix entstehen: den typischen und jederzeit wiedererkennbaren Rock von Birth Of Joy. Mit einem Schlagzeuger, der wohl relativ viel bei Led Zeppelin's John Bonham abgeschaut haben mochte, einem Organisten, der sein Instrument zum Äussersten trieb und einem singenden Gitarristen, der wie eine kraftvolle Inkarnation von Jim Morrison wirkte, katapultierte die Band ihren Psychedelic Rock mit einer Energie in die moderne Zeit, der man sich schlicht nicht entziehen konnte.

Birth Of Joy profitierten aber nicht nur von der Retro Rockwelle, sondern verstanden es wie nur wenige andere neue Rockbands, die sich auf 60er- und 70er-Traditionen bezogen, einen absolut eigenständigen Sound zu entwickeln, der selbstverständlich Parallelen zu bekannten Klassikern auswies, jedoch mit einer umwerfenden eigenen Authentizität ausgestattet waren. Birth Of Joy hatten sich seit 2005 kontinuierlich einen Ruf als exquisite Liveband erspielt, und mit dieser Platte wollten sie eben jenen Sound auf Platte bannen. Als Trio normalerweise nicht gerade durch mehrere variantenreiche Instrumente ausgestattet, sticht besonders die bereits erwähnte Hammond-Orgel angenehm prägnant aus dem Klangbild hervor und fehlende Instrumente werden durch Soundakrobatik-Parts ersetzt. Gesang und Schlagzeug kommen bei dynamischen Passagen teilweise wie in Bootleg-Qualität daher. Dass sich Birth Of Joy teilweise stark an den Doors orientierten, merkte man beim Wechselspiel zwischen Orgel und Gitarre in vielen Songs. Dabei erinnerte das Gitarrenspiel in Solo-Passagen jedoch weniger an Robbie Krieger, als vielmehr an klassische Gitarrenvirtuosen wie Stevie Ray Vaughan oder durchaus auch an Jimi Hendrix.

Birth Of Joy konzentrierten sich bei ihren Stücken darauf, dem Publikum treibende Songs zu liefern. Alternativ könnte man hier die Musiker von Blues Pills nennen. Da die Studioalben von Birth Of Joy wesentlich ausgefeilter klangen, auskomponierter waren, fehlte ihnen das Live-Momentum natürlich schon, doch kann man auch bei ihren Studiowerken keinesfalls von wenig inspirierten Werken sprechen. Im Gegenteil: Was die Band auf ihren Studioplatten durch spielerisches Know-How und Kompositions-Können auszeichnete, servierte sie live als Wuchtbrumme, die einfach Druck machte. Im direkten Live-Vergleich mit den Blues Pills, wage ich zu behaupten, dass sowohl Birth Of Joy als auch die Blues Pills von einer ähnlichen Power sind. "Live At Ubu" ist auf jeden Fall eine sensationelle Live-Demonstration mit Doors-Attitüde (ohne diese zu kopieren), die man einfach gehört haben muss, ausserdem erinnern die drei Musiker ganz besonders in den langen Jams doch immer wieder auch an Vanilla Fudge.

Birth Of Joy's Psychedelic Rock, den insbesondere Kevin Stunnenberg als das klassische Szenario des singenden Gitarristen vorlegte, genügte zusammenfassend wohl am ehesten dem Begriff: 'Dreckig ist das neue Charmant', und das soll durchaus als Kompliment verstanden sein. Wurde der Tonumfang von vier Noten pro Song überschritten, behielt man sich lieber die zusätzliche Melodiebegleitung an der Gitarre vor. Das ist absolut legitim und songdienlich, denn wer sollte bei hartem und druckvollem Retro-Rock noch Irgendjemandem etwas beweisen wollen müssen. Birth Of Joy brauchten das gar nicht erst, denn sie spielten sich einfach um Kopf und Kragen. Ihre Dynamik wirkte nie aufgesetzt, diese Musiker schwitzten in echt und ohne irgendwelche Plattitüden.

So und nicht anders wurde ursprünglich mal Rock'n'Roll gemacht. Irgendeine sinnlose Suche nach verschwurbelten Syd Barrett-Kosmen dürfte sich hier hingegen als eine erfolglose erweisen. Birth Of Joy konzentrierten sich lieber darauf, die aktuelle 'Straight to the Point'-Rockwelle mitzunehmen. Was ihnen im Live-Kontext sogar ein ganzes Stück besser gelangt als den mit einer Gitarre meist etwas drucklos daherkommenden Blues Pills, um die hier abschliessend noch einmal ins Vergleichsfeld zu führen. Einen kleinen Auffrischungskurs in Sachen abwechslungsreichem Songwriting könnten aber vermutlich beide Gruppierungen ganz gut gebrauchen. Denn in den 70er Jahren konnte man als Musiker das Publikum noch mit gutem Gitarrenspiel alleine beeindrucken. Heutzutags wird’s da schon ein bisschen eng. Aber anyway: Egal, wie man's auch analysieren mag (oder auch nicht): Birth Of Joy waren urwüchsige Power und bewiesen eindrücklich, dass der alte Rock, der nicht von billigem Kopieren lebt, sondern eigenständig und ehrlich, dynamisch und powervoll klingt, noch lange nicht passé ist. Dass die Musiker kontinuierlich vor allem auch in punkto Songwriting Einiges hinzu gelernt hatten, bewiesen sie unter anderem mit dem 2016 veröffentlichten Nachfolger, dem Studioalbum "Get Well", bei welchem die Band zum Beispiel im Song "Numb" noch einmal eine neue Messlatte legen konnte, indem sie sich den Led Zeppelin Klassiker "No Quarter" als Vorlage nahm, um sich ein ebenso gigantisches wie faszinierendes Stück Doom Rock auf den Leib zu schreiben.

Zuletzt haben Birth Of Joy 2018 das ebenfalls richtig tolle Album "Hyperfocus" veröffentlicht. Am 26. September 2018 liess die Gruppe über die sozialen Medien verbreiten, dass sie sich auflösen. Ihren letzten Auftritt bestritt die Band schliesslich Ende Jahr im Amsterdamer Paradiso, das bis auf den letzten Platz ausverkauft war. Schade, von dieser Gruppe hätte ich gerne noch viel mehr gehört.





Die wunderbare Zumutung, selbst denken dürfen zu müssen.

Haben ist besser als brauchen.
(Alte Plattensammlerweisheit)
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