[REVIEW] Head East • Flat As A Pancake (1975)

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Beatnik
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[REVIEW] Head East • Flat As A Pancake (1975)

Beitrag von Beatnik »

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Als ich mir damals die erste LP der Rockband Head East kaufte, ging ich fälschlicherweise davon aus, dass die Gruppe zu den sogenannten Canuck Bands gehört - den Rockgruppen aus Kanada. Head East kamen aber ursprünglich aus South Central Illinois, später Champaign (Illinois). Die Band wurde gegründet vom Sänger John Schlitt, dem Gitarristen Mike Somerville, dem Keyboarder Roger Boyd, dem Bassisten Dan Birney und dem Schlagzeuger Steve Huston, die sich während ihres Studiums an der University of Illinois kennengelernt hatten. Die Gruppe war vor allem im Mittleren Westen der USA während der 70er Jahre ziemlich erfolgreich, geriet in den nächsten Jahrzehnten aber in Vergessenheit. Ihr bekanntester Song dürfte bis heute der im Jahre 1979 veröffentlichte Titel "If You Knew Me Better" geblieben sein. Head East wurden 1968 gegründet und hatten ihren ersten Auftritt in Carbondale (Illinois). 1974 veröffentlichte die Band ihr erstes Album, "Flat As A Pancake" auf ihrem eigenen Plattenlabel Pyramid Records, wobei sie alle 5000 Schallplatten und 500 8 Spur-Kassetten verkauften, die hergestellt worden waren. Durch diesen Erfolg und das Stück "Never Been Any Reason", das viel im Radio gespielt wurde, konnten sie das Plattenlabel A&M Records dafür gewinnen, ihr Album 1975 noch einmal neu herauszubringen. Es erreichte 1978 einen Gold-Status und blieb bis heute das erfolgreichste Werk der Gruppe. Aus dem Album stammte auch der Song "Love Me Tonight", mit dem Head East Platz 54 in den US-Charts erreichten.

Head East waren im Grunde eine typische Rockband jener Zeit, boten aber zumindest auf ihrem Debutalbum doch ein entscheidenes Wiedererkennungs-Merkmal: Einen sehr prägnanten Synthesizer, der giftig und zischend zugleich so manchem Song einen ganz eigentümlichen Stempel aufdrückte. Schon der Opener des Albums, das erfolgreiche "Never Been Any Reason" begann mit diesen scharfen Synthesizer-Klängen, die, aufgrund der recht trockenen und kompakten Aufnahme ohne grössere Hall-Sosse noch giftiger wirkte. Das war vielleicht nicht nach Jedermann's Geschmack, lieferte der Gruppe jedoch einen grösseren Bekanntheitsgrad, weil dadurch ihre Musik einen Wiedererkennungswert erhielt, der die Gruppe deutlich von ihren Mitkonkurrenten abhob. Insbesondere der herrlich-krude Bluesrocker "Lovin' Me Along", der sich nicht des normalen Bluesschemas bediente, sondern schwerfällig wie Blei sehr bluesig rockte, erhielt durch dieses punktuiert eingesetzte Synthesizer-Spiel einen total eigenen Charakter. Einen Bluesrock in dieser Art kenne ich bis heute von keiner anderen Band. Dabei wirkte dieser Titel noch nicht einmal besonders aussergewöhnlich - er zeigte einfach eine weitere Möglichkeit, wie man in jenen Tagen mit seinem Instrumentarium experimentieren konnte und auch ungewöhnliche Arrangements in vermeintlich gewöhnlich strukturierte Songs einbauen konnte, um dem Titel einen ganz eigenen Charakter zu verleihen.

Auch die stilistische Vielfalt auf dem Album wirkte hochprofessionell und so gar nicht provinziell. Von einer akkuraten Countryrock-Nummer wie dem schönen und einfühlsamen "Ticket Back To Georgia" über den sonnigen und fröhlichen Westcoast-Poprock in "Love Me Tonight" mit einem tollen mehrstimmigen Gesangsarrangement bis hin zu fast schon gospelähnlichen Arrangement-Spritzer im das Werk beschliessenden "Brother Jacob" war die stilistische Bandbreite recht gross. Mein ganz persönlicher Ueberflieger auf dem Album war aber damals wie heute der Opener der B-Seite des Albums "Jefftown Creek". Hier rockten Head East mit einem längeren und spannenden Hammond Orgel- und Schlagzeug-Intro beinahe schon progressiv. Dieser harte und treibende Titel erinnerte durchaus stellenweise an Deep Purple oder Uriah Heep, gerade wegen der Hammond-Sounds. "Jefftown Creek" wurde neben "Never Been Any Reason" später integraler Bestandteil fast jedes Konzerts von Head East.

Die nächsten Alben der Band waren "Get Yourself Up" und "Gettin' Lucky", veröffentlicht 1976 und 1977. Keines von beiden erreichte den Erfolg des Debütalbums. Dafür beinhaltete ihr viertes Album, das schlicht mit "Head East" betitelt wurde und 1978 erschien, den Hit "Since You Been Gone". Das Stück, bei dem es sich um eine Coverversion eines Liedes von Russ Ballard handelte, erreichte Platz 46 der US-Charts. Ein knappes Jahr später präsentierten auch Ritchie Blackmore's Rainbow eine Coverversion dieses Songs. 1979 veröffentlichten Head East das Doppellivealbum "Head East Live" und ein weiteres Studiowerk mit dem Titel "A Different Kind of Crazy". Da sich Head East in den zurückliegenden Jahren insbesondere als qualitativ hervorragende und dynamische Live-Band einen Namen gemacht hatten, erstaunt es nicht, dass sich das Live-Werk ganz besonders gut verkaufen konnte. Es erreichte die amerikanischen Top 100-Charts. Weiterhin waren Head East auch auf dem Soundtrack zum Film "J-Men Forever" zu hören.

Im März 1980 verliessen der Bassist Dan Birney und der Gitarrist Mike Somerville die Band, während der Sänger John Schlitt aufgrund seiner Drogenabhängigkeit aus der Band geworfen wurde. Schlitt kam von den Drogen los, wandte sich der Religion zu und schloss sich der Erweckungsbewegung an. 1986 trat er als Sänger der christlichen Rockband Petra bei. Dort blieb er Mitglied bis zu deren Auflösung im Jahre 2005. Die übrigen Mitglieder von Head East, Roger Boyd und Steve Huston, engagierten Mark Boatman, Tony Gross und Dan Odum für die Aufnahme des folgenden Albums namens "U.S. 1", das im Oktober 1980 erschien. Es war das letzte Album der Gruppe, das die Hitparade erreichte und das von A&M Records produziert wurde. Die Band konnte in der Folgezeit nur noch kleinere Erfolge verzeichnen und ihre Alben von kleinen Plattenlabeln vertreiben lassen. Darunter waren beispielsweise die Werke "Onward And Upward" (1982), erschienen auf Allegiance Records und "Choice Of Weapons" (1988) auf Dark Heart Records. Tim Day, der Schlagzeuger der Gruppe Daddy’s Girl stiess zu Head East und tourte mit der Gruppe von 1999 bis 2001. Die Band spielte weiterhin Auftritte, unter anderem wieder mit Gitarrist Somerville, der von 1994 bis 2003 zur Band zurückkehrte.

1999 wurde mit "Live On Stage" erneut ein Konzertmitschnitt veröffentlicht. Dieser wurde aus zwei Auftritten in der Rainbow Music Hall in Denver zusammengeschnitten: Die ersten fünf Stücke stammten von einem Auftritt im Jahre 1980 noch mit der ursprünglichen Besetzung, während die letzten zehn Stücke 1981 mit der späteren Besetzung entstanden waren. Head East touren noch heute und geben etwa 30 bis 40 Konzerte pro Jahr. Die Band besteht aktuell aus Roger Boyd (Keyboard, Gesang), Greg Manahan (Bass, Sologitarre, Gesang), Glen Bridger (Sologitarre, Gesang), Eddy Jones (Schlagzeug, Gesang) und Darren Walker (Lead-Gesang, Bass). Ihr wohl bis heute bekanntestes Stück "Never Been Any Reason" von diesem ausgezeichneten Debutalbum wurde für den Spielfilm 'Sahara - Abenteuer in der Wüste' (2005) verwendet.



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Louder Than Hell
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Re: [REVIEW] Head East • Flat As A Pancake (1975)

Beitrag von Louder Than Hell »

Head East waren sicherlich ein Kind ihrer Zeit, denn der von ihnen zelebrierte Rock passt perfekt ins Zeitfenster der 70er. Wer lockeren Rock hören möchte, der bisweilen auch mal das Tempo anzieht und in Grenzbereiche zum Hardrock andockt, wird seine helle Freude an der Band haben. Sie waren sicherlich eine Innovatoren, aber ihr erdiger Rock kommt bestens rüber.

Leider besitze ich von ihnen nur das Debüt. Da werde ich wohl mal nachjustieren müssen.
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