[REVIEW] Kirby • Composition (1978)
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[REVIEW] Kirby • Composition (1978)
Als der ehemalige Curved Air Gitarrist Gregory Kirby 1978 dieses einzige Soloalbum einspielte, war seine zuletzt mit dem hervorragenden Sänger Elmer Gantry geführte Band Stretch eben Geschichte geworden, nachdem dieser bereits vor dem letzten Album der Formation Stretch aus der Band ausgeschieden war. Musikalisch trat danach eine Wende innerhalb der Band ein und sie nahm ein letztes Album unter dem Namen Stretch auf. Weil Elmer Gantry da nicht mehr mit von der Partie war, verschwand auch der Blues aus der Musik von Stretch. Dafür liess Kirby lockeres Latino Rock Feeling neu in die Band einfliessen, sodass die Platte "Forget The Past" streckenweise wie ein Santana Album klang, was mir persönlich wesentlich besser gefiel als die frühere bluesgetränkte Musik noch mit Elmer Gantry, dem ehemaligen Velvet Opera Sänger. Ich sehe diese letzte Platte von Stretch aber auch eher als das Produkt einer veränderten Band, die einfach versuchte, sich aufgrund des Ausscheidens des Leadsängers musikalisch neu auszurichten, was ihr zwar hundertprozentig gelang, leider jedoch ohne jeglichen Erfolg. Die wundervolle Platte ging sang- und klanglos unter.
Ganz genauso erging es dem Soloalbum von Kirby, das er im wesentlichen mit denselben Musikern und in etwa derselben Zeit wie die letzte Stretch LP eingespielt hatte und das ebenfalls nicht zur Kenntnis genommen wurde, weshalb er sich kurze Zeit später auch von der Idee einer Solokarriere verabschiedete. Man muss leider sagen, dass es auch diese Platte mit dem schlichten Titel "Composition" sehr verdient gehabt hätte, breiter wahrgenommen zu werden, denn das Album hält einige ganz vortreffliche Höhepunkte bereit.
Neben den beiden ehemaligen Bandkumpels von Stretch, nämlich John Cook und Steve Emery spielten auf diesem Album auch der Deep Purple Schlagzeuger Ian Paice und der ehemalige Rolling Stones Musiker Mick Taylor mit. Ausserdem Gitarrist Nigel Watson aus der Band von Ex-Fleetwood Mac Gitarrist Peter Green, de Perkussionist Chris Fletcher (Ian Carr's Nucleus), Fran Byrne (von Ace) und Perkussionist Robin James aus der Band von Arthur Brown. Aufgrund der Mitwirkung von Ian Paice und Mick Taylor geriet die Platte bestenfalls in den Fokus von Deep Purple und Rolling Stones Sammlern, ansonsten blieb die Platte praktisch unbeachtet und war auch nur für kurze Zeit im Handel regulär erhältlich.
Musikalisch bietet "Composition" im wesentlichen die Musik, die Kirby schon auf dem letzten Stretch-Album "Forget The Past" präsentiert hatte: ein bisschen Latin Flair, gut durchkomponierte Stücke mit viel Poprock-Anteil und vielen prägnanten und vorzüglichen Hooklines, die teils raffiniert arrangiert wurden und das Können des Musikers nachhaltig unter Beweis stellten. Vor allem die Titel "Bottom Line", "Don't Let Me Down" oder das herzhaft rockige und an frühe Stretch-Stücke erinnernde "Darkness And Light" zeigen dies sehr eindrücklich. Bei dieser kernigen Nummer mit klar bluesrockigem Einschlag hätte ich mir Elmer Gantry am Mikrophon gewünscht.
Nach dieser Veröffentlichung ging Kirby zum Ex-Fleetwood Mac Musiker Danny Kirwan und begleitete ihn auf dessen finalem Album "Hello There Big Boy". Er drückte auch jener LP teilweise seinen ganz eigenen Stempel auf, nachzuhören etwa im Stück "Only You", das in der Tat auch von einem Stretch-Album stammen könnte. Ausserdem war er eine zeitlang mit Phil Lynott, dem ehemaligen Thin Lizzy Sänger zusammen und im Jahre 1982 spielte er im Tonstudio neue Songs ein mit dem ehemaligen Re-Flex Bassisten Nigel Ross-Scott und dem Schlagzeuger Mick Tucker der Glam Rock Band The Sweet, welche jedoch nie offiziell veröffentlicht wurden.
Gregory Kirby ist einer der vielen heute leider vergessenen, aber hervorragenden Musiker aus den 70er Jahren, der einige ganz vorzügliche Platten eingespielt hat, unter anderem wie erwähnt mit Curved Air und Stretch, zweier Bands, über die man heute noch spricht. Kirby hatte dann auch folgerichtig die Band Stretch mit dem ehemaligen Sänger Elmer Gantry im Jahre 2011 noch einmal reaktiviert und mit dem Drummer Jeff Rich (unter anderem lange bei Status Quo) auch ein weiteres Album mit dem Titel "Unfinished Business" mit zwei Neueinspielungen der Stretch-Klassiker "Why Did You Do It" und "Showbiz Blues" veröffentlicht. Nachdem auch zu diesem Album keine nennenswerte Publikums-Resonanz folgte, schloss er sich 2013 den ebenfalls wieder aktiven Curved Air an, womit sich der musikalische Kreis des Gitarristen Gregory Kirby wieder geschlossen hat.
Die wunderbare Zumutung, selbst denken dürfen zu müssen.
Haben ist besser als brauchen.
(Alte Plattensammlerweisheit)
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Re: [REVIEW] Kirby • Composition (1978)
Leider blieb es bei diesen einen Wurf, denn Kirby alias Graham Gregory präsentiert mit dem Album "Composition" ein Kleinod an wunderbaren Songs, die im Poprock beheimatet sind. Hierbei wurden keine 08/ 15 Mainstram Langweiler eingespielt, sondern er entwickelte schöne Melodien, die fluffig und leicht herüberkamen.
Und gerade die von mir beschriebenen Melodien sind das Fahrwasser, auf dem man sich treiben lassen und der Hektik des Alltags entziehen kann.
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Re: [REVIEW] Kirby • Composition (1978)
Schau an, ich wusste gar nicht, dass der Curved Air Gitarrist auch solo aktiv war. Vielleicht sollte ich mich häufiger mal mit meiner GG'in über Musik unterhalten.
Auch ich kann anmerken, dass die melodisch geprägten Rocksongs bestens zum heute herrschenden sommerlichen Wetter passen und pure gute Laune vermitteln. Also auch auf diesem Terrain hat der gute Kirby seine Tatstatur beherrscht, auch wenn er in Wirklichkeit Gitarre spielt.
Abgerundet wird diese gelungene Rezi durch die vielen kleinen Details, die ich in seiner Tiefe gar nicht kannte.
Auch ich kann anmerken, dass die melodisch geprägten Rocksongs bestens zum heute herrschenden sommerlichen Wetter passen und pure gute Laune vermitteln. Also auch auf diesem Terrain hat der gute Kirby seine Tatstatur beherrscht, auch wenn er in Wirklichkeit Gitarre spielt.
Abgerundet wird diese gelungene Rezi durch die vielen kleinen Details, die ich in seiner Tiefe gar nicht kannte.