[REVIEW] Balloon • Gravity (1992)
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[REVIEW] Balloon • Gravity (1992)
Hinter dem Namen Balloon verbargen sich die beiden Musiker Ian Bickerton und David Sheppard aus London, deren Album "Gravity" beim an sich für neopsychedelischen Sound bekannten Plattenlabel Dedicated Records erschien. Dies ist sehr irreführend und suggeriert womöglich eine falsche Einschätzung, denn die Musik der beiden Musiker war alles andere als psychedelisch, sondern ein umwerfend romantisch ausgelegtes Allerlei voller folkiger und folkrockiger Momente, die mit Geigen, Celli und Akkordeon stets für ein träumerisches Grundfeeling sorgten. Dabei war vor allem die Stimme von Ian Bickerton sehr markant. Dessen Falsettstimme erinnerte frappant jene von Pavlov's Dog Sänger David Surkamp und diese Stimme war es auch, die für den ätherischen und luftigleichten, fast immer leicht schwebenden Gesamteindruck der Musik von Balloon sorgte. Bis ihr einziges Album "Gravity" veröffentlicht werden konnte, brauchte es insgesamt 60 Songs, welche die beiden Musiker komponierten, bis sie endlich bei Dedicated unter Vertrag kommen konnten. Kein anderes Plattenlabel zeigte an ihren Songs Interesse, was ausgesprochen schade ist. Dedicated Records wiederum fand in den beiden Musikern ein Konträr zum üblichen Sound, den das Label repräsentierte. Leider verkaufte sich dann das Album von Balloon entsprechend eher schlecht als recht, weil es einfach nicht ins Portfolio dieser Firma passte. Auch eine Art, wie man hoffnungsvolle Künstler versenken kann.
Die Musikkritikerin Eve Zibart der Washington Post beschrieb die Musik auf "Gravity" so: "It's a peculiarly soothing mix of Feargal Sharkey, Storyville, white soul, mild social unrest punk and Leonard Cohen". Jae-Ha Kim der Chicago Sun Times schrieb "Balloon's music is atmospheric and winsome, with acoustic guitars caressing velvety voices". Auch in Deutschland, wo Dedicated Records mit der BMG Ariola einen Vertriebs-Deal hat, erschien das Album damals. Die Resonanz war gleich null, die verkauften Exemplare wohl allerhöchstens im dreistelligen Bereich, wenn überhaupt. Dabei waren auf diesem traumhaft schönen Album zehn musikalische Perlen versammelt, die ganz einfach hätten punkten müssen beim Publikum. Allerdings kam die Platte zu einem Zeitpunkt heraus, da der Grunge zeitweise alles wegfegte, was im Radio gespielt wurde und somit in der Gunst der Hörerschaft stand. Etliche zusätzliche Studiomusiker heuerten Ian Bickerton und David Sheppard an, als sie diese zehn Songs aufnahmen. So zum Beispiel die bekannte Folksängerin Sarah McLachlan, mit welcher die beiden den Titel "Tightrope Walker" sangen, der auch als Single aus dem Album ausgekoppelt wurde, von den Radiostationen aber weitgehend ignoriert wurde.
Zudem gefiel auch die Produktion der Platte, die der Produzent Michael Brook perfekt in Szene setzte, indem er den Titeln einen erhabenen Glanz verlieh und wenig bis gar kein Pathos oder angesagten modernen Hype andichtete. Michael Brook war unter anderem auch als Produzent für Brian Eno, Youssou N'Dour, Nusrat Fateh Ali Khan, Khaled ("Aicha"), Jane Siberry und The Edge (U2) tätig und veröffentlichte auch unter eigenem Namen hervorragende Platten. Mit Michael Bolton an Klavier und Hammondorgel spielte ein weiterer Top-Musiker mit, der tolle Pierre Marchand am Akkordeon und der seidenweiche Upright-Bassist Darryl Johnson sorgten für weitere musikalische Höhepunkte. Daneben zog auch immer wieder ein einzelnes Streich-Instrument durch die jeweiligen Songs. Keine Streicherarrangements in dem Sinne, sondern punktgenau eingesetzte Celli oder einzelne Geigen verfeinerten die Songs und gaben ihnen eine ganz wunderbare Eleganz. Und über allem schwebte in vielen Songs der falsettartige Gesang von Ian Bickerton, wobei in den nicht von Bickerton gesungenen Titeln der Gitarrist David Sheppard mit einer genau entgegengesetzten, warmen und tiefen Stimme für das stimmliche Konträr sorgte.
Ian Bickerton schrieb alle Songs, inklusive deren Texte. Dabei kann man sicherlich den forcierten, ungemein rhythmischen Opener "Why Did It Take So Long", den schönen nachfolgenden Titel "Now That The Thrill's Gone" mit einer sehr prägnanten Gitarrenlinie von David Sheppard, das mondäne "Paraffin Flat" und das finale, walzerhafte und ungemein sehnsuchtsvolle "Farewell" als die schönsten musikalischen Momente bezeichnen, wobei das wiederum nur meine subjektive Einschätzung sein soll. Im Grunde ist es einfach von Anfang bis zum Schlussakkord ein extrem schönes, leicht melancholisches und äusserst stimmungsvolles Sommerscheibchen, das vor allem durch den ausdrucksstarken Leadgesang von Ian Bickerton immer wieder für wohlige Schauer sorgt. Das Album wurde zu einem Grossteil in New Orleans im Tonstudio des bekannten Musikers Daniel Lanois aufgenommen. Ein zusätzliches Plus ist auch das gefühlvolle und sehr ästhetische Plattencover, das die gebotene Musik auch optisch perfekt unterstreicht. Balloon's "Gravity" gehört für mich seit jeher zu den wirklich schönen britischen Popalben, auf die ich nie verzichten möchte.
Die wunderbare Zumutung, selbst denken dürfen zu müssen.
Haben ist besser als brauchen.
(Alte Plattensammlerweisheit)
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Re: [REVIEW] Balloon • Gravity (1992)
Inzwischen steht die CD hier im Regal.
Ist sehr einfach als Second Hand CD zu bekommen.
Die Clips und die exzellente Beschreibung haben mich so sehr angesprochen, dass ich zugeschlagen habe.
Und was soll ich sagen... das Niveau der Beispielsongs wird über das ganze Album gehalten, sogar übertroffen.
Mein Ranking der besten 90er Alben wird sich vermutlich bald verschieben denn das ist eine Perle!
Ist sehr einfach als Second Hand CD zu bekommen.
Die Clips und die exzellente Beschreibung haben mich so sehr angesprochen, dass ich zugeschlagen habe.
Und was soll ich sagen... das Niveau der Beispielsongs wird über das ganze Album gehalten, sogar übertroffen.
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Re: [REVIEW] Balloon • Gravity (1992)
Interessanter Indierock, der es zweifelsohne verdient gehabt hätte, eine größere Hörerschaft zu erzielen.
Aber so durchlief das Duo einen Pfad, der mit verschiedenen Fallstricken verbunden war. Und das Ende ist schon bezeichnend, denn mit der nicht passenden Plattenfirma im Rücken und mangelnder Werbung für ein neues Produkt, musste es einfach schief gehen. Schade, dass das Duo letztlich aufgab.
Aber für derartige Zwischenfälle gibt es ja das Forum "Rock-Planet", dass dieser Band nochmals Gehör verschafft. Schöne Rezi ....
Aber so durchlief das Duo einen Pfad, der mit verschiedenen Fallstricken verbunden war. Und das Ende ist schon bezeichnend, denn mit der nicht passenden Plattenfirma im Rücken und mangelnder Werbung für ein neues Produkt, musste es einfach schief gehen. Schade, dass das Duo letztlich aufgab.
Aber für derartige Zwischenfälle gibt es ja das Forum "Rock-Planet", dass dieser Band nochmals Gehör verschafft. Schöne Rezi ....