Jazz Rock (Brass Rock ?), Jazz und hart und trocken gespielter Rock mit Blues-Einschlag - eine ebenso vielseitige, wie interessante Mixtur präsentierte der kurz zuvor bei Jethro Tull ausgestiegene Gitarrist Mick Abrahams mit seiner neuen Band Blodwyn Pig. Als ich damals die LP im Jahre 1974 kaufte, war sie bereits fünf Jahre auf dem Markt und mir fiel mit diesem zeitlichen Abstand als Erstes die stilistische Nähe zu Colosseum auf, vor allem zu deren Alben "Valentyne Suite " und "Daughter Of Time". Allerdings hörte man deutlich den Blues-Hintergrund von Mick Abrahams heraus, der zuvor schon bei Jethro Tull als Gründungsmitglied den Bluesanteil zu deren Album "This Was" (1968) beisteuerte, bevor er kurze Zeit später dort ausstieg, um den Folk-Anteil in der Musik gegen einen starken Jazz-Anteil auszutauschen. Im Saxophonisten Jack Lancaster fand er einen kongenialen Partner, um seine musikalischen Ideen umzusetzen. Lancaster, der äusserst vielseitig begabt war, steuerte neben seinem exzellenten Saxophon-Spiel auch zahlreiche weitere Instrumente in der Musik von Blodwyn Pig bei, so etwa Querflöte und Geige. Andy Pyle und Ron Berg komplettierten das Line Up der Band als erdige und bodenständige Rhythm Section, die in ihrer toughen Spielweise eher dem Rock als dem Jazz folgten.
Alleine aufgrund eines Saxophonisten in der Band von Jazz Rock oder gar Brass Sound zu sprechen, wäre verfehlt. Hier allerdings trugen vor allem die aus der Feder von Gitarrist Mick Abrahams stammenden Titel für ein jazziges Grundfeeling, nachzuhören etwa im Opener "It's Only Love", einem relativ schnellen und hektisch treibenden Rock-Jazz, der praktisch vollständig vom im Vordergrund platzierten Brass Sound lebt. Auch "Sing Me A Song That I Know" ist eine fast jazzige Nummer, die nur über wenig Rock-Anteil verfügt. "See My Way" schlägt in dieselbe Kerbe, und das ist an sich erstaunlich, denn man hört das eher selten, dass sich ein Blues-geschulter Gitarrist zugunsten seiner Vorliebe für Jazz- und Brass-Sounds instrumental so weit zurücknimmt. Andererseits gibt es auf der exzellenten und kurzweiligen Platte auch durchaus grossartige Momente, bei denen die Gitarrenkünste von Mick Abrahams eindrucksvoll zur Geltung kommen. Seine Nummer "Dear Jill", ein herrlich atmosphärischer Blues mit einer akustischen Slide-Gitarre zeigt das ganze Können dieses tollen Gitarristen. Diesen Song hat Mick Abrahams während seiner gesamten Karriere hindurch immer in seinem Live-Programm gehabt, in den 90er Jahren sogar auch noch einmal neu eingespielt, interessanterweise unter dem geänderten Namen "Dear Jane".
Die mit Abstand besten Stücke der Platte stammen allerdings aus der Feder von Jack Lancaster. Beispielsweise "The Modern Alchemist", ein furioser, extrem dynamisch und schnell gespielter Jazz-Rock, der den Zuhörer aufgrund seiner harten Spielweise extrem fesselt. Bei diesem Stück gibt es phantastische Soloeinlagen zu hören, und das Brass-Leitmotiv bleibt einem unweigerlich im Kopf hängen. Nicht minder interessant ist das Stück "Leave It With Me", ebenfalls komponiert und arrangiert von Jack Lancaster mit einem beseelten integrierten Bass-Solo von Andy Pyle. Der Ueberflieger präsentiert sich dann allerdings für mich ganz klar am Schluss des Albums, in Form des im Kollektiv Abrahams / Lancaster / Pyle geschriebenen "Ain't Ya Comin' Home Babe ?". Das ist ein wahres Feuerwerk an Gitarren- und Saxophon-Dynamik, unterlegt durch ein hartes Bass- und Schlagzeug-Fundament, das sowohl dem Sopran Sax von Lancaster, wie auch der Gitarre von Abrahams einen grossen Raum zum solieren bietet.
Die Platte wurde von Andy Johns, dem Bruder des legendären Glyn Johns, äusserst druckvoll produziert und vom legendären Radiomacher John Peel begeistert promotet. Im Jahr darauf gelang Blodwyn Pig mit dem zweiten Album "Getting To This" in derselben Besetzung erneut ein gutes Album, ebenfalls von Andy Johns produziert. Leider verkaufte es sich nicht mehr so gut wie das Debutalbum, weshalb sich Andy Pyle und Ron Berg kurze Zeit danach in Richtung Savoy Brown verabschiedeten. Jack Lancaster blieb noch eine zeitlang bei Mick Abrahams, der inzwischen seine Band neu aufgestellt und in Mick Abrahams Band umbenannt hatte. Nach zwei gemeinsamen Alben, einem selbstbetitelten quasi Soloalbum und einem unter dem Banner der Mick Abrahams Band veröffentlichten Album namens "At Last" mit den neu zur Band gestossenen Musikern Bob Sargeant (Keyboards), Walt Monaghan (Bass) und Ritchie Dharma (Schlagzeug) war dann aber Schluss. Jack Lancaster schloss sich Pete Brown an und veröffentlichte in späteren Jahren auch Soloalben, während Mick Abrahams nach einer Pause von fast 20 Jahren Anfang der 90er Jahre wieder Platten veröffentlichte. Von da ab allerdings fast ausschliesslich als Blues Gitarrist.
[REVIEW] Blodwyn Pig • Ahead Rings Out (1969)
-
Topic author - Beiträge: 6757
- Registriert: So 9. Apr 2023, 18:11
- Wohnort: Zwischen den Meeren
- Has thanked: 7789 times
- Been thanked: 8374 times
- Kontaktdaten:
[REVIEW] Blodwyn Pig • Ahead Rings Out (1969)
Die wunderbare Zumutung, selbst denken dürfen zu müssen.
Haben ist besser als brauchen.
(Alte Plattensammlerweisheit)
Haben ist besser als brauchen.
(Alte Plattensammlerweisheit)
-
- Beiträge: 2776
- Registriert: Mo 3. Apr 2023, 00:53
- Has thanked: 3555 times
- Been thanked: 2899 times
Re: [Review] Blodwyn Pig • Ahead Rings Out (1969)
Klar die kenne ich, gibt es eine exzellente Remaster-CD davon.
Wenn ich mich recht erinnere war auch der Ex-Yes Peter Banks hier beteiligt.
Wenn ich mich recht erinnere war auch der Ex-Yes Peter Banks hier beteiligt.
-
- Beiträge: 8019
- Registriert: So 16. Apr 2023, 18:01
- Wohnort: Norddeutschland
- Has thanked: 9548 times
- Been thanked: 9020 times
Re: [Review] Blodwyn Pig • Ahead Rings Out (1969)
Ja, das ist erneut eine auf den Punkt gebrachte Rezi über das Debüt der Band Blodwyn Pig und natürlich auch über die Ausnahmemusiker Mick Abrahams und Jack Lancaster, der hier auf absoluter Augenhöhe mit dem Bandleader spielt.
Die Verschmelzung aus Blues-, Rock- und Jazzelementen ist der Band sehr gut gelungen und sie präsentieren insgesamt neun gelungene Songs, die nicht den Weg des Einheitsbrei folgten, sondern individuell ausgestaltet waren. Schade nur, dass die Messe nach dem zweiten Album bereits gelesen war.
Die Verschmelzung aus Blues-, Rock- und Jazzelementen ist der Band sehr gut gelungen und sie präsentieren insgesamt neun gelungene Songs, die nicht den Weg des Einheitsbrei folgten, sondern individuell ausgestaltet waren. Schade nur, dass die Messe nach dem zweiten Album bereits gelesen war.
-
- Beiträge: 3203
- Registriert: Mo 10. Apr 2023, 10:41
- Wohnort: in der vergangenheit, meistens zumindest. ich schwörs!!
- Has thanked: 3127 times
- Been thanked: 7155 times
Re: [Review] Blodwyn Pig • Ahead Rings Out (1969)
würde ich auch zu den besten debütalben zählen. tolle mischung aus blues und jazz, aber in einem proto-progressiven gewand.
@ beatnik
leider werde ich das cover auf immer und ewig mit remo4 verbinden. geht nicht anders.
aber hätte ich mir das ding damals in der rockzirkus zeit zugelegt, wäre mein fazit gewesen: viiiel zu viel BLUES.
habe es mir dann deutlich später geholt.
@ beatnik
leider werde ich das cover auf immer und ewig mit remo4 verbinden. geht nicht anders.
aber hätte ich mir das ding damals in der rockzirkus zeit zugelegt, wäre mein fazit gewesen: viiiel zu viel BLUES.
habe es mir dann deutlich später geholt.
alles wird gut! äh... pardon, ich meine natürlich SCHLECHT!
DIE grosse lebensweisheit, die ich auch teile: https://up.picr.de/48558304js.jpg
DIE grosse lebensweisheit, die ich auch teile: https://up.picr.de/48558304js.jpg