Stellt euch vor: Die Beatles existieren nie – keine Liverpooler Pilzköpfe, kein „She Loves You“, kein Sgt. Pepper, kein unvergängliches Pop-Songwriting.
Wie sähe die Rockgeschichte aus ohne die Fab Four?
Wer hätte die Beat-Revolution der 60er angeführt? Die Rolling Stones, die Kinks oder doch ein ganz anderes Phänomen?
Was wäre, wenn…? – Rockmusik ohne die Beatles?
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Re: Was wäre, wenn…? – Rockmusik ohne die Beatles?
Die Beatles spielten für mich noch nie eine größere Rolle, in den 60er waren für mich vor allem The Yardbirds wegweisend, die auch schon 1962 anfingen (Man denke nur an Beck, Page und Clapton). Die Beatles waren mir bis auf einige Ausnahmen einfach zu poppig, ich besitze auch nur die blaue Doppal-LP, und Sgt.Peppers Lonley Heart Club Band, auch waren mir die Small Faces deutlich lieber. Wie die Musik heute ohne die Beatles aussehen würde, kann ich nicht beurteilen, aber die Rockmusik hätte sich sicherlich auch ohne sie entwickelt. Nach dem Ende der Beatles spielte auch keiner der vier weiterhin eine wirklich besondere Rolle in der Musik.
Aber ich kann nachvollziehen, dass sie ihre Fans haben, genau wie die Rolling Stones, wobei die Beatles gegen Ende deutlich experimentier freudiger waren > Lucy in the Sky wird Diamonds
Aber ich kann nachvollziehen, dass sie ihre Fans haben, genau wie die Rolling Stones, wobei die Beatles gegen Ende deutlich experimentier freudiger waren > Lucy in the Sky wird Diamonds

Ars Longa Vita Brevis
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Re: Was wäre, wenn…? – Rockmusik ohne die Beatles?
Ich habe einige Bücher zu diesem interessanten Thema verschlungen, keines kam je zu einer schlüssigen Antwort. Auch mir selbst ist es nicht klar, was aus der Musik geworden wäre, wenn die Beatles nicht gewesen wären. Also eines kann ich mit Sicherheit sagen: Aufnahmetechnisch waren die Beatles bahnbrechend. Ohne ihr experimentelles Verlangen, gepaart mit dem Technikverständnis von George Martin, wäre vieles ganz anders verlaufen. Aber ich denke, das alleine macht noch keine grundsätzlich andere Entwicklung aus. Dafür muss man wohl zurück gehen in die ausgehenden 50er Jahre. Schon 1958 war der klassische Rock'n'Roll, der meiner Meinung nach nichts anderes war als eine schnell gespielte Form des Blues, ziemlich tot. In den USA übernahmen Schlagersängerinnen und -Sänger das Szepter. Die waren zwar vorher schon da, aber mithilfe des Rock'n'Rolls wurde ihre Musik tanzbarer. Perry Como dürfte ein guter Ausgangspunkt dafür gewesen sein. Frank Sinatra ebenfalls. Wenn man überlegt, was denn in England genau passierte zu jener Zeit, so war da ziemlich tote Hose, denn auch England war nichts anderes als die meisten anderen Länder auf unserer Kugel: Sie alle orientierten sich am Sound aus den USA. Alle neuen Trends kamen praktisch von dort und wurden weltweit übernommen. Man kann also wahrscheinlich schon davon ausgehen, dass England ohne die Beatles nicht so einen starken Einfluss auf die Entstehung der Rockmusik gehabt hätte. Wenn ich mal Beispiel The Who nehme, und die vegleiche mit MC5, dann fehlte es den Who schon mal am Grundsätzlichsten: der Politik, denn Polit-Rock war klar eine Erfindung der amerikanischen Musiker, auch der Protestsong und überhaupt die ganze Gesellschaftskritik: Verpackt in Musik, vor allem in Songtexte (Bob Dylan!) kam fast nur aus den Staaten. Ich mach mir mal ein paar Gedanken, wie die Entwicklung hätte verlaufen können, wären die Beatles nicht gewesen. Ihre Musik ist jedenfalls dermassen prägend gewesen, dass ohne ihre Songs, ihr Kompositions-Verständnis und ihr Hang zum experimentieren wohl Einiges später oder gar nicht gekommen wäre. Immerhin hatten sie den perfekten Dreiminuten-Popsong salonfähig gemacht, um nur knapp zwei Jahre später mit "Revolver" die Avantgardistik zu streifen. Das ist wirklich bemerkenswert und hätte ganz bestimmt niemand in den USA so hingekriegt. Ich glaube, ohne die Beatles wäre die Popmusik sehr viel banaler geblieben. 

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Re: Was wäre, wenn…? – Rockmusik ohne die Beatles?
Ich mach mir grad so ein paar Gedanken. Also unabhängig von den Beatles wären wohl die Rolling Stones noch einflussreicher gewesen, zumindest was die britische Entwicklung betrifft. Die Stones hatten ihre Wurzeln im Blues eines Alexis Korner, und der war schon auch sehr wichtig für die Entwicklung der britischen Rockmusik. Auch spätere Rock-Ikonen wie Page, Clapton und Mayall bezogen sich auf Korner als Richtschnur. Pop wäre vielleicht eher Schlager-mässiger geblieben ohne die Beatles und hätte sich der Entwicklung der britischen Rockmusik angepasst. Eine Assimilierung hätte ich mir da durchaus vorstellen können. Anders in den USA. Dort waren - mal die frühen 60er Jahre überspringend - wohl Jazz und Hendrix stärker in den Fokus getreten, als diese das ohnehin schon waren. Gerade in Amerika waren nämlich die klassischen Popsongs sehr viel harmloser als in England. Es gibt zum Beispiel tatsächlich eine amerikanische Pop-Stilart, die sich "Schlagers" nennt und die besoners in den 60er und 70er Jahren sehr dümmliche Sachen hervorgebracht hat. Irgendwann kamen zum Beispiel die Kinder auf den US-Markt, die diesen sehr sülzigen Pop zum Massenhysterium hochpushten: Die Osmonds, allen voran der niedliche Mädchenglücklichmacher Donny Osmond. Die Carpenters darf man auch nicht vergessen, auch sie spielten diesen sehr sülzigen Hausfrauen-Pop. Der war auch so ganz typisch für die USA: Leicht, beschwingt, harmlos. Diese Sachen existierten auch ohne die Beatles und wären wohl auch so oder so entstanden. Wie sich der Pop in Europa entwickelt hätte, kann ich ehrlich gesagt nicht einschätzen, da die Amis als oberflächlicher galten als die Europäer, das war immer so, zumindest was popmusikalische Unterhaltung ohne grossen Tiefgang, imho Massenmusik, anbetrifft. Schönes Beispiel: Eine Gruppe Grateful Dead, die es schaffte, mehr als 20 Jahre lang denselben Jam im fast immer selben Rhythmus zu spielen, hätte in Europa, besonders aber in England, keinerlei Chancen gehabt. Ich persönlich war dem britischen Musikstil immer etwas näher als dem amerikanischen. Vor allem später, als US Bands auch Europa überfluteten, fand ich Bands, die aus England kamen, fast immer spannender. Seltsam eigentlich, oder ?
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Re: Was wäre, wenn…? – Rockmusik ohne die Beatles?
Dein Fachwissen bei der Musik ist meinem ja sowieso weit voraus, aber dein Blick aufs Ganze ist stets eine Bereicherung.Beatnik hat geschrieben: ↑Di 5. Aug 2025, 11:39 Ich mach mir grad so ein paar Gedanken. Also unabhängig von den Beatles wären wohl die Rolling Stones noch einflussreicher gewesen, zumindest was die britische Entwicklung betrifft. Die Stones hatten ihre Wurzeln im Blues eines Alexis Korner, und der war schon auch sehr wichtig für die Entwicklung der britischen Rockmusik. Auch spätere Rock-Ikonen wie Page, Clapton und Mayall bezogen sich auf Korner als Richtschnur. Pop wäre vielleicht eher Schlager-mässiger geblieben ohne die Beatles und hätte sich der Entwicklung der britischen Rockmusik angepasst. Eine Assimilierung hätte ich mir da durchaus vorstellen können. Anders in den USA. Dort waren - mal die frühen 60er Jahre überspringend - wohl Jazz und Hendrix stärker in den Fokus getreten, als diese das ohnehin schon waren. Gerade in Amerika waren nämlich die klassischen Popsongs sehr viel harmloser als in England. Es gibt zum Beispiel tatsächlich eine amerikanische Pop-Stilart, die sich "Schlagers" nennt und die besoners in den 60er und 70er Jahren sehr dümmliche Sachen hervorgebracht hat. Irgendwann kamen zum Beispiel die Kinder auf den US-Markt, die diesen sehr sülzigen Pop zum Massenhysterium hochpushten: Die Osmonds, allen voran der niedliche Mädchenglücklichmacher Donny Osmond. Die Carpenters darf man auch nicht vergessen, auch sie spielten diesen sehr sülzigen Hausfrauen-Pop. Der war auch so ganz typisch für die USA: Leicht, beschwingt, harmlos. Diese Sachen existierten auch ohne die Beatles und wären wohl auch so oder so entstanden. Wie sich der Pop in Europa entwickelt hätte, kann ich ehrlich gesagt nicht einschätzen, da die Amis als oberflächlicher galten als die Europäer, das war immer so, zumindest was popmusikalische Unterhaltung ohne grossen Tiefgang, imho Massenmusik, anbetrifft. Schönes Beispiel: Eine Gruppe Grateful Dead, die es schaffte, mehr als 20 Jahre lang denselben Jam im fast immer selben Rhythmus zu spielen, hätte in Europa, besonders aber in England, keinerlei Chancen gehabt. Ich persönlich war dem britischen Musikstil immer etwas näher als dem amerikanischen. Vor allem später, als US Bands auch Europa überfluteten, fand ich Bands, die aus England kamen, fast immer spannender. Seltsam eigentlich, oder ?
Richtig übel war in den 70ern für mich David Cassidy, keins von den Mädchen, die ich kannte, dass nicht mindestens ein Bravo Poster oder sonstige Bilder von ihm in ihren Zimmern hängen hatte, ich fand den so affig...

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Re: Was wäre, wenn…? – Rockmusik ohne die Beatles?
Ein interessantes Phänomen stellte ich in den 70er Jahren fest. Da gab es eine ganz grosse Anzahl an Musikern und Bands, welche - sehr oft aus steuerlichen Gründen! - von England nach Amerika auswanderten. Rod Stewart zum Beispiel, oder auch John Lennon. Inwiefern sich das auf die Qualität der Musik der Auswanderer auswirkte, resp. wie relevant das für die weitere Entwicklung der Musik in den USA war, weiss ich nicht. Ich denke aber, das zog keine allzu grossen Veränderungen nach sich. Es hängt wohl schon in erster Linie auch mit der Mentalität der Menschen zusammen, wie sie Musik hören und Musik machen, ihr Umfeld bestimmt eigentlich hauptsächlich, wie sie ihre Kunst anwenden, resp. ausführen. Europa ist total anders als Amerika. Ich war ein paarmal in den Staaten in Urlaub, habe dabei oft den Eindruck gehabt, dass da ausser "Grösse" und "Weite" nicht viel mehr war als hierzulande. Ich hatte aber auch den Eindruck, dass Amis oberflächlicher sind als Europäer, aber vielleicht täuscht das auch. In England war ich auch ein paar mal, besonders noch in den 70ern und 80ern. Ich fand die Briten viel lockerer und gemütlicher, und deren Geigen und Mundharmonikas hatten so gar nichts mit Patriotismus zu tun wie bei den Hillbillies in den USA, sondern vor allem mit Lebensfreude und Lokaltraditionen. Diese Nähe gefällt mir bis heute besser an den Briten als dieses dumme Patrioten Countryzeugs aus den USA - nicht nur politisch, sondern auch musikalisch. Britischer und Irischer Folk und Folkrock strömt für mich viel mehr Lebensqualität aus als amerikanischer Folk und Folkrock. Aber: Bob Dylan ist Amerikaner, Phil Ochs war auch einer, Woody Guthrie auch und das sind grosse Klassiker, die Heerscharen von Musikern und Bands beeinflusst haben. Je öfters ich daher abwägen mag, wo denn sogenannt Beatles-freie Musik eher für sich selbst hat stehen können, umso unsicherer werde ich. Vor allem, wenn ich mir noch übelege, wer denn in Sachen Rock die Nase vorn hatte. Da kamen aus den USA natürlich schon auch ganz extrem gute musikalische Strömungen. Punk ist zum Beispiel keine Erfindung der Engländer. Die erste Punk Band waren die Monks: in Deutschland stationierte Amerikanische Soldaten. Und natürlich Wayne Kramer, der MC5 Ur-Amipunker. Hingegen waren beispielsweise The Who eine geniale britische Rock'n'Roll Truppe, die einfach auf jugendliche Randale und stichelnde Provokation aus war - genau das, was Rock'n'Roll eigentlich ursprünglich mal ausdrückte. Dieser Rock'n'Roll aber widerum entstand in den USA. Ach Menno, da kann ich mich im Kreis drehen und werd' bekloppt dabei... 

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Re: Was wäre, wenn…? – Rockmusik ohne die Beatles?
Zu diesem Thema fällt mir als erstes ein Zitat von Robbie Williams ein. Er sagte augenzwinkernd sinngemäß: Ich hasse die Beatles, denn die haben alles abgegrast und für uns keinen Platz mehr gelassen.
Ich persönlich kann mir die Musikwelt ohne die Beatles kaum vorstellen. Aber bin mir dennoch sicher, dass andere Bands in Bresche gesprungen wären.Es gab ja reichlich Bands neben den Beatles.
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„Musik ist eine Welt für sich, mit einer Sprache, die wir alle verstehen." Stevie Wonder