[REVIEW] Steely Dan - Katy Lied

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BRAIN
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[REVIEW] Steely Dan - Katy Lied

Beitrag von BRAIN »

Das ist mein Lieblingsalbum von Steely Dan!
Ok, bei den vielen guten Dan-Alben wechselt das öfters aber ich komme immer wieder darauf zurück.
Also warum Katy Lied?
Es fängt damit an, dass die Jungs 1975 immer noch hungrig, voller Energie, Kreativität und auch noch rockzentriert waren.
Gleichzeitig wurden sie aber auch schrittweise anspruchsvoller.
Vor Katy Lied war Steely Dan eine feste Rockband mit 5 Mitgliedern, die sich mit dieser Platte aber zu dem Studio-Besessenen-Duo Donald Fagen und Walter Becker verwandelte, jedoch beide Fraktionen noch vereinte.
Das Touren gaben sie auf, damit war es wie bei den Beatles nach Revolver nur, dass Steely Dan noch nicht besonders bekannt waren.
Durch die Zusammenarbeit mit Studiomusikern gewann die Musik eine neue Raffinesse und Politur, die für viele Rockhörer eine Wegscheide bedeutet.

Ein Blick auf die Coverrückseite zeigt folgenden Text:
„Das ist eine High-Fidelity-Aufnahme. Steely Dan verwendet ein speziell konstruiertes 24-Kanal-Tonbandgerät, eine hochmoderne computergesteuerte Mixdown-Konsole mit 36 ​​Eingängen und einige sehr teure deutsche Mikrofone. “

Die Ironie dieser Notiz auf der Rückseite ist, dass der Sound des Albums laut der Band selbst zutiefst fehlerhaft war.
Während Walter Becker und Donald Fagen es mit dem Produzenten Gary Katz und dem Ingenieur Roger Nichols aufnahmen, verwendeten sie eine damals neue Technologie namens DBX Noise Reduction System, die den Dynamikbereich über die herkömmliche Grenze des analogen Bandes hinaus erweiterte aber noch nicht richtig funktionierte.
Trotz diesem Makel klingt dieses Album perfekter als alles was sonst noch 1975 in die Regale kam.
Nach dem Abgang von Jeff "Skunk" Baxter und der Auflösung ihrer Tour-Band, traten die Gitarren in den Hintergrund.
Das Songwriting ging vom ersten Album an auf Walter Becker und Donald Fagen zurück, die Gitarristen Denny Dias und Jeff Baxter sowie der Schlagzeuger Jim Hodder waren da schon nur reine Begleitmusiker.
Als die Jazz-beeinflussten Kompositionen komplexer wurden, wurden die Grenzen der 5er-Gruppe immer offensichtlicher.
Für ihr 1974er Album Pretzel Logic vertrauten sie zunehmend auf Session-Musiker und hatten spätestens mit Katy Lied die Entscheidung getroffen, die Tourneen zu beenden und eine reine Studio-Band zu werden.

Zukünftig machten sie Stücke für Piano und leichten Jazz , die Keyboards wurden prominenter abgemischt.
Das Anhören dieser Lieder erinnert an fast leere Cocktailbars, mit Leuten die zuhause nichts zu verpassen hatten.
Fast alle Drums wurden von einem 20-jährigen Genie namens Jeff Porcaro gespielt, und es gibt viele unverwechselbare Background-Vocals von Michael McDonald.

"Black Friday" ist ein Uptempo-Shuffle und die erste Single des Albums, welche Jazz und Rock als auch Raffinesse und Lärm verbindet.
Eine Geschichte über den Absturz eines Investors, der am schwarzen Freitag, an dem der Aktienmarkt 1929 zusammenbrach, sein gesamtes Geld verliert und an Selbstmord denkt.
Michael McDonald singt Background, das fantastische Telecaster-Solo stammt von Walter Becker.
Die Melodie ist sehr simpel aber die gestapelten Jazz-Harmonien des Chors sind schlicht genial.
Rückblickend ist Black Friday einer der beständigsten Tracks im Katalog von Steely Dan.

Mit dem leckeren Pop-Stück "Bad Sneakers" folgt ein trauriges Solointro von Larry Carlton.
Dieser Song schnitt auf dem Singles-Markt noch schlechter ab als „Black Friday“ und erreichte nur Platz 103.
Aber es ist meiner Meinung nach ein Meisterwerk.
Man kann darüber diskutieren, ob Steely Dan jemals wirklich zur Rockmusik gehörten, Jazz-Rock-Hybride wie "Bad Sneakers" sind jedenfalls einmalig.
Wieder einmal bietet Walter Becker ein hochwertiges Gitarrensolo, und das Klavier, gespielt von Michael Omartian, verleiht dem Stück (und dem gesamten Album) eine edle Eleganz.

"Rose Darling" hat eine grandiose Versmelodie die sich im Refrain entlädt.
Radiofreundlicher als "Bad Sneakers" ist es überraschend, dass dies nicht als zweite Single aus dem Album gewählt wurde.
Ein Album, dass bei jeder Diskussion über großartige Steely Dan-Alben zugunsten von Aja und Pretzel Logic übergangen zu werden scheint.

"Daddy Don't Live in That New York City No More" ist eine funkelnde Funk-Nummer über einen glücklosen Mann, der seine guten Zeiten längst hinter sich hat.
Mehr Blues als Jazz, ist es die glorreiche Gitarrenarbeit von Larry Carlton, die den Song bestimmt.

"Doctor Wu" ist ein Roadsong und das beste Stück des Albums.
Es handelt von Sucht und Selbstreflexion, aber die wahre Kraft des Textes liegt in den Bildern.
Der Schmerz in der Geschichte fühlt sich durch die klugen Texte real an und die Arrangements sind atemberaubend.
Chuck Rainey spielt einen Bass der wie ein Herzschlag pocht und den Song gegen Jeff Porcaros stetige Snare nach vorne schwingt.
Das Piano von Michael Omartian wechselt vom Intro bis zum Ende zwischen synkopierten Schlägen und sanftem Jazz-Comping.
Das Highlight ist ein improvisiertes Altsaxophon-Solo der Jazzlegende Phil Woods, das mehr Melodie und Gefühl in die Takte bringt, als es anderen möglich gewesen wäre.
Er steigert die Töne wenn er nach oben spielt, trillert auf einer hohen Note und wirbelt dann die Noten wieder nach unten.

Die zweite Seite des Albums beginnt mit dem karibisch angehauchten "Everybody's Gone to the Movies"
Wie „Daddy…“ hätte dieser Song vielleicht besser auf Pretzel Logic gepasst.
Das Lied erzählt mit fröhlicher Musik die verstörende Geschichte von Mr. LaPage der Teenager verführt und seine merkwürdigen „Filme“ zeigt.
Fantastisch das Piano im Mittelteil, sehr prägnant auch das Vibraphon das hier das Highlight ist.

"Your Gold Teeth II" ist etwas seltsam und eine Variation eines Songs von Countdown to Ecstasy.
Die Melodie ist harmonisch, knifflig und rhythmisch fließend wie ein Dave Brubeck-Beat aus jener Zeit.
Das Lied ist lyrisch dunkel, aber schön mit Pianoklängen verziert.
Denny Dias 'Gitarrensolo ist mein zweiter Favorit auf diesem Steely Dan-Album.

"Chain Lightning" ist eine groovige Blues-Nummer und ein weiterer Shuffle, allerdings luftiger und bluesiger als Black Friday.
Rick Derringer wurde gerufen, um das Gitarrensolo einzuspielen.
Das Geheimnis dieses Songs liegt in den Texten, die meisten Leute erkannten nicht, worum es ging.
Eine populäre Interpretation ist, dass das Lied über die stille Rückkehr des Faschismus handelt (genauer gesagt über den Nationalsozialismus).
Becker und Fagen haben die Bedeutung des Songs nie enthüllt. Aber es bleibt im Gespräch unter den Fans.

Für das brillante "Any World That I'm Welcome To" tauchten Becker und Fagen in ihre Mottenkiste und fanden ein Song der ursprünglich zwischen 1968 und 1971 als Demo entstanden ist, als sie noch aufstrebende Brill Building-Songwriter waren.
Ein nachdenkliches, getragenes Stück ohne herausragende Arrangements, das etwas für Entspannung sorgt.

Bei "Throw Back the Little Ones" erzeugt das Klavier einen hüpfenden Groove mit abwechselnden Akkorden.
Möglicherweise das ungewöhnlichste Stück auf dem Album.
Es dauert eine Weile -der Song wächst- aber hat man ihn intus, wird es ein Ohrwurm.
Fragt nicht worum es hier geht. Ich habe keine Ahnung.
Aber die Klaviercoda am Ende ist ein perfekter Ausklang.

Fazit:
Katy Lied wird von vielen als das „Bridge-Album“ gesehen -die Verbindung zwischen der eher rockbasierten Gruppe und der von Jazz dominierten Ensemblebesetzung-.
Ich denke, da ist etwas dran. So gibt es mehrere komplexe Jazz-beeinflusste Stücke, die neben reinen Pop-Stücken brillieren.
Oben erwähnte ich, dass Steely Dan 1974 das Touren aufgaben und sehr wenig (wenn überhaupt) Promotion für ihre Alben machten.
Das Label Abc Records hatte im Grunde mit einer Gruppe zu kämpfen, die nicht Touren wollte und die kein Interesse an Pop-Hits hatte.
Ein Mangel an Begeisterung, das Album zu bewerben, war also nicht überraschend.
Während Katy Lied keine Chart-Hits wie die kommerziell erfolgreichen Platten Cant Buy A Thrill und Pretzel Logic hatte, enthielt es mehr hochwertige Kompositionen als jedes vorherige Album.
Trotz allen großartigen Gitarrensoli auf dieser Platte ist das Instrument, dass die Band dominiert, Omartians akustisches Piano.
Besonders „Doctor Wu“, „Your Gold Teeth II“, „Any World (That I'm Welcome To)“ „Throw Back the Little Ones“ und„ Rose Darling “ werden vom Piano dominiert.
Steely Dan wird nicht als Vorläufer des Piano-Rocks ähnlich Elton John oder Billy Joel gesehen, aber das ist der Schlüssel zu Katy Lied.
Und im Gegensatz zu den meisten ihrer Zeitgenossen hatten sie keine Angst davor, zu intellektuell oder hochmütig zu werden.
Überraschenderweise folgte das Publikum dieser Musik dennoch.
Im Gegensatz zur Pretzel Logic des Vorjahres erreichte Katy Lied bei ihrer Veröffentlichung im März 1975 nicht die Top 10 (sie blieb auf Platz 13 stehen), wurde aber später mit Platin ausgezeichnet.
Jahrelang waren Fagen und Becker mit dem Sound des Albums unzufrieden und entschuldigten sich sogar auf der Cover-Rückseite des Originalalbums dafür. Aber all die Jahre später, klingen die Songs so makellos wie alles aus dieser Zeit.
Becker und Fagen wollten Katy Lied dennoch nie wieder hören.
Der Brunnen war vergiftet und sie hörten Fehler, die für fast alle anderen makellos klangen.
Das Album wurde über einen Zeitraum von drei Monaten Ende 1974 in Los Angeles aufgenommen und kann nicht anders, als die Klänge dieser Stadt zu absorbieren.
Das Album ist cool, es ist entspannt, es ist tadellos gespielt und es ist clever!
Bild
Musicians:
* Donald Fagen - piano, keyboards, vocals
* Michael Omartian - piano, keyboards
* David Paich - piano, keyboards
* Walter Becker - bass, guitar, vocals
* Wilton Felder - bass
* Chuck Rainey - bass
* Denny Dias - guitar
* Larry Carlton - guitar
* Rick Derringer - guitar
* Hugh McCracken - guitar
* Dean Parks - guitar
* Elliott Randall - guitar
* Jimmie Haskell - horn
* Bill Perkins - horn
* Phil Woods - saxophone, vocals
* Hal Blaine - drums
* Jeff Porcaro - drums, dorophone
* Myrna Matthews - vocals, background vocals
* Sherlie Matthews - vocals, background vocals
* Michael McDonald - vocals, background vocals
* Carolyn Willis - vocals, background vocals


Tracks:
1. Black Friday - 3:33
2. Bad Sneakers - 3:16
3. Rose Darling - 2:59
4. Daddy Don't Live in That New York City No More - 3:12
5. Doctor Wu - 3:59
6. Everyone's Gone to the Movies - 3:41
7. Your Gold Teeth II - 4:12
8. Chain Lightning - 2:57
9. Any World (That I'm Welcome To) - 3:56
10. Throw Back the Little Ones - 3:11
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Emma Peel
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Re: [REVIEW] Steely Dan - Katy Lied

Beitrag von Emma Peel »

Manchmal können Veränderungen auch sehr fruchtbar sein. Waren Steely Dan bis zu diesen Aufnahmen eine feste Band, die sich auch sehr tourfreudig zeigte, wurden diese Elemente dauerhaft über Bord geworfen und man reduzierte sich auf eine reine Studioband. Zudem wurden sie für die Aufnahmen durch eine Vielzahl von anderen Musikern unterstützt, die die musikalische Essenz spürbar erweiterte.

Die "singende" Heuschrecke war zudem ein gelungener Hingucker auf dem Frontcover, die sich in ihrer unscharfen Umwelt vorantastet.

Was jedoch Donald Fagan und Walter Becker und ihre Begleitmusiker auf den Weg brachten, ist von der Klasse her mindestens eine Fortsetzung ihrer bisherigen gelungenen Einspielungen. Ob es erneut eine Steigerung gab oder eine auf höchsten Niveau erfolgte Weiterführung, muss letztlich jeder Hörer mit sich selbst abmachen.

Für mich ist das Album ein Geschenk, das aus einer Aneinanderreihung von gelungenen Songs besteht und über keine sichtbaren Ausfälle verfügt. In seiner Reinheit ist es kaum zu überbieten, auch wenn die Macher angeblich mit dem Gesamtsound nicht zufrieden gewesen sein sollen.

Die mit viel Herzblut geschriebene Rezi nötigt den Leser dazu, das Album selbst mal wieder aufzulegen. :yes:
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BRAIN
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Re: [REVIEW] Steely Dan - Katy Lied

Beitrag von BRAIN »

Danke für das ausfühliche Feedback.
Da merkt man, dass ein Fan schreibt.
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