[REVIEW] Bad Boy • Back To Back (1978)

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Beatnik
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[REVIEW] Bad Boy • Back To Back (1978)

Beitrag von Beatnik »

Zweifellos gab es in den 70er Jahren eine Zeit, da bluesgetränkter Hardrock sehr populär war und vielen neuen Bands den Weg in den Erfolg ebnete. Der Bluesanteil in der Musik gelangte dabei im Laufe der Jahre immer mehr in den Hintergrund, wurde aber als sogenannte Roots immer noch beibehalten. Als sich gegen Mitte der 70er Jahre dann schliesslich neue Rock-Acts profilierten, die sich eher am härteren Rock orientierten, verschwanden nach und nach auch noch die letzten Bluesrock-orientierten Bands in der Bedeutungslosigkeit, Ausnahmen vorbehalten, wie zum Beispiel Z.Z. Top, die ihren Siegeszug auch durch die Punk-Aera und durch die Plastik-80er locker schafften - leider eine Ausnahme. In der Zeit des aufkeimenden 70er Jahre Rock versuchten auch zahlreiche lokal erfolgreiche Bands den internationalen Sprung, den sie letztlich aber nicht schafften.

So etwas wie die Rock-Platzhirsche von Milwaukee im amerikanischen Bundesstaat Wisconsin waren Bad Boy, eine Gruppe, die schon 1975 einen Plattenvertrag beim renommierten Label United Artists Records unterzeichnen konnte. Ihre süffige Mixtur aus hartem Rock,gepaart mit schönen und mitsingbaren Melodien und vor allem ihre knallig-geradlinigen Song-Arrangements hatte so gar nichts Provinzielles an sich, sondern klang schon mächtig professionell. Bereits die erste LP mit dem heimatverbundenen Titel "The Band That Milwaukee Made Famous" erntete gute Kritiken und verkaufte sich nicht nur lokal, sondern in ganz Amerika recht gut. Dank einem weltweiten Vertrieb schaffte es die Platte auch bis zu uns und konnte auch hier so manchen Rockfan begeistern. Waren auf diesem Debutalbum vor allem noch rauhe Rocknummern mit etwas stärkerem Blueseinschlag zu hören, etwa wie bei den kanadischen April Wine, so klang ihr enorm weiterentwickelter Sound schon auf dem ein Jahr später veröffentlichten zweiten Album "Back To Back" wesentlich glamouröser und kam in bester Aerosmith, Derringer, Cheap Trick und Kiss-Manier daher. Bad Boy hatten von ihrem ersten zum zweiten Album einen enormen Schritt vorwärts gemacht. Das Album bestach einerseits durch noch einmal wesentlich besser ausgefeilte Kompositionen als auf dem Debutalbum und vor allem war dieses zweite Werk auch professioneller produziert. Musikalisch exakt dem damaligen Rock-Zeitgeist verpflichtet, bot es im Grunde nur herausragende Songs.

Vorwärts treibende Rock-Titel wie zum Beispiel "I Just Wanna Love You" oder das Funk-inspirierte, erdig groovende "Keep It Up" liessen jedes Rockherz höher schlagen. Ihre besten Momente präsentierte die Gruppe Bad Boy hier immer dann, wenn sie einfach kernig rockten, auf überflüssigen Schnickschnack verzichteten und trotz der härtesten Gitarren-Riffs noch immer hochmelodisch blieben, und ihren Songs immer noch einen umwerfend schönen Refrain verpassen konnten. Das wirkte insgesamt so enorm spannend und herzlich zugleich. Das riffige "No Stopping Me Now" und vor allem die ans Ende der zweiten LP-Seite gestellte hervorragende Doppelnummer "Take My Soul"/"Out Of Control", ein fast acht Minuten langes epische Rock-Brett überzeugte durch seine Ideenvielfalt, das perfekt inszenierte Arrangement und die unbändige Kraft der Instrumentalisten.

Obwohl auch "Back To Back" damals international vertrieben wurde und auch in deutschen Plattenläden zu finden war, blieb der Erfolg jedoch sehr weit hinter den erhofften Erwartungen zurück. Bad Boy schafften es trotz intensiven Ttourens, oft im Schlepptau wesentlich berühmterer Rock-Acts, nicht, beim Publikum einen nachhaltigen Eindruck zu hinterlassen, weshalb United Artists den Vertrag mit der Gruppe aufkündigte. Bad Boy blieben aber weiterhin eine lokale Rock-Institution in Milwaukee. Die weiteren Alben "Private Party", auf dem kleinen Label Streetwise Records im Jahre 1981 erschienen, erzielte weiterhin in der Heimat der Band gute Verkaufserfolge, ebenso wie das 1984 veröffentlichte "Electric Eyes", auf Epicenter Records erschienen und die EP "Girl On The Run" auf Legend Records von 1986. Bad Boy, das war vor allem der Songschreiber, Gitarrist, Keyboarder und Sänger Steve Grimm, siebenfacher Gewinner der lokalen WAMI Awards, der unter anderem als Vocalist of the Year, aber auch für die Best LP und Best Single ausgezeichnet worden war. Er war zudem der 'Grand Prize Winner of the 1992 Songwriters of Wisconsin' Wettbewerbs. Seine Gruppe Bad Boy war die mit Abstanz populärste Rockband im Mittleren Westen der USA in den 70er Jahren und bis weit in die 80er Jahre und gelangten auch in die lokalen 'Music Industry Hall Of Fame'. Die ersten beiden Alben, welche die Band für United Artists aufgenommen hatten, schafften es übrigens damals in die amerikanischen Top 100 LP Charts.

Bad Boy waren eine recht lange Zeit aktiv, aber aufgrund der beiden ersten Platten, die international erhältlich waren, wohl hierzulande wenn überhaupt nur in den Jahren 1977 und 1978 einigermassen bekannt. Die Band bestand aus Steve Grimm, dem singenden Bassisten John Marcelli, dem zweiten Gitarristen Joey LaVie, der später durch Joe Luchessi ersetzt wurde, sowie dem Schlagzeuger Lars Hansen. Steve Grimm ist bis heute musikalisch sehr aktiv und lebt nachwievor den Traum des Rockmusikers. Erst vor einiger Zeit hat er auf seiner Webseite ein entsprechendes, sehr schönes persönliches Statement verfasst, das diesbezüglich Bände spricht: "Every good song has a story. Sometimes you may have to look deep into our songs, but that’s your job. Let the stories relate to your own life. There is always a story behind every song. I am always working on new material - it is a continuous process for me". Bad Boy sind eine der grossen vergessenen Bands der 70er und 80er Jahre. Da ihre ersten beiden Alben für United Artists, von welchen die zweite mit dem Titel "Back To Back" die erste Wahl darstellt, beim britischen Label Rock Candy Records als CD neu aufgelegt worden sind, kann man die Gruppe auch heute noch für sich entdecken, was sich unbedingt lohnt.

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Louder Than Hell
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Re: [REVIEW] Bad Boy • Back To Back (1978)

Beitrag von Louder Than Hell »

Oh menno Mäse, du schaffst mich langsam. Auch diese Rezi muss ich mir morgen mal in Ruhe durchlesen und auch mal reinhören. Denn auch diese Musik gehört zu meinem Beuteschema.
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Beatnik
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Re: [REVIEW] Bad Boy • Back To Back (1978)

Beitrag von Beatnik »

Louder Than Hell hat geschrieben: Mo 8. Mai 2023, 23:41 Oh menno Mäse, du schaffst mich langsam. Auch diese Rezi muss ich mir morgen mal in Ruhe durchlesen und auch mal reinhören. Denn auch diese Musik gehört zu meinem Beuteschema.
Lokalhelden waren eigentlich immer schon die bessere Alternative als die grossen Baseball Stadion Füller. Wie Nantucket. Nantucket ? Nantucket! 😉
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Re: [REVIEW] Bad Boy • Back To Back (1978)

Beitrag von Louder Than Hell »

Die Bad Boy sind vermutlich in unseren Breiten nicht sonderlich bekannt, insofern passt deine Rezi bestens, um diesen Umstand zu korrigieren. Wer sich mit Hardrock anfreunden kann, wird an der aus Wisconsin stammenden Band seine Freude haben. Denn sie agiert nicht nach dem Hauruck Stil: Immer schneller oder härter, sondern arbeitet ihre einzelnen Songs aus. Den ganz Harten mag einiges zu Poserhaft rüberkommen, mir sagt aber das Songwriting ausgesprochen zu, weil es hier tatsächlich um richtiges Songwriting handelt.

Dass die Musiker Könner auf ihren Instrumenten sind, steht außer Frage. Denn die zu einer Einheit verschmolzene Musik macht einfach nur Spaß und wird zudem angereichert durch diverse Soli auf der Gitarre und die eingestreuten Keyboardpassagen runden das Bild weiterhin ab.

Das könnte auch wieder etwas für mich sein.
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Re: [REVIEW] Bad Boy • Back To Back (1978)

Beitrag von Beatnik »

@Siegie:

das feine britische Re-Issue Label Rock Candy Records hat beide Alben der Band prima remastered wiederveröffentlicht. Kann man immer noch ordern. Diese Remasters habe ich auch 😉
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Emma Peel
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Re: [REVIEW] Bad Boy • Back To Back (1978)

Beitrag von Emma Peel »

Ich hatte vorhin mal parallel mit reingelauscht und kann bestätigen, dass es sich hier um keinen 08/15 Hardrock handelt, sondern vielmehr um Rockstücke mit einem eigenen Gesicht. Neben der Instrumentierung hat mir auch die Produktion gefallen.

Insofern hat es auch mir Spaß gemacht, ein Teil des Lauschangriffs gewesen zu sein. Oder anders ausgedrückt: Rockmusik, die Freude bereitet.
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