Guten Morgen Erd-Kolonist. Wir befinden uns im 23. Jahrhundert. Ich bin der Letzte der Mars-Kolonisten. Die Luftversorgung ist nun endgültig zusammengebrochen auf dieser desolaten Marskolonie und die Versorgung von der Erde aus mit Nahrungsmitteln ist zusammengebrochen seit dem grossen und finalen Krieg im Jahre 2084. Ich gehe zu Fuss durch den Tunnell in Richtung unserer Erholungsmaschine, genannt Traum-Sequenzer. Ich hoffe, sie wird mir meine letzten Tage noch etwas angenehm gestalten. "The Dream Sequencer" System ist jetzt online: Guten Morgen Kolonist. Du hast das "Universal Migrator" Programm gewählt. Bitte lege Dich nun in den Energie-Tank und bringe die Elektroden an Deinen Schläfen an. Denke an Deine Erkennungsnummer und trink die Flüssigkeit aus dem Gefäss am linken Terminal. Das Programm wird jetzt geladen. Jetzt konzentriere Dich auf die Musik, das Programm bringt Dich nun zurück in Deine Kindheit, und noch weit darüber hinaus.
Wir befinden uns nun im ausgehenden 21. Jahrhundert. Ich bin zurückgekehrt in meine Kindheit. Ich kann mich wieder an alles erinnern, weil der Traum-Sequenzer mir einen Bildermix in Erinnerung ruft, der sich mit meinen eigenen Erinnerungen deckt. Es waren die Tage, an welchen meine Schwester und ich erkannten, dass wir niemals die Erde würden besuchen können ("My House On Mars"). Ich reise weiter zurück im 21. Jahrhundert. Das finale Experiment ist gescheitert. Der endgültige und verheerende Krieg, der vom blinden Minnesänger Ayreon schon lange vorausgesagt worden war, ist über uns gekommen ("2084"). Der Krieg hat alles Leben auf der Erde ausgelöscht, hat den blauen Planeten für immer unbewohnbar gemacht. Ich schwebe über meinem eigenen toten Körper. Meine Reise geht weiter, zurück ins 20. Jahrhundert. Ich bin ein kleiner Junge, schlafe friedlich in meinem Bett. Mein Vater kommt und weckt mich, damit ich Zeuge eines historischen Moments der Menschheit werden kann: "One Small Step", die erste Mondlandung im Juli 1969. Ich lege mich wieder in mein warmes Bett, finde zurück in meine Träume und mache eine weitere lange Reise. Ich befinde mich nun im 17. Jahrhundert und bin ein stolzer Bannerträger, posiere mit meiner Gilde für den holländischen Meister der Malerei Rembrandt Harmenszoon van Rijn in Amsterdam ("The Shooting Company Of Captain Frans B. Cocg").
Nun sind wir im 16. Jahrhundert. Queen Elizabeth sendet den ergebenen Sir Francis Drake mit seiner Armada aus, um das Königreich gegen die feindlichen Eindringlinge zur See zu verteidigen ("Dragon On The Sea"). Nun dreht sich die Zeitreise immer schneller und ich lande im 8. Jahrhundert. Ich bin ein Maya-Mädchen, das sich auf die Suche nach dem Jaguar Tempel in Tikal begibt ("Temple Of The Cat") - "Shine down on me, Sun of the Underworld. Set me free, chase away the night proud Jaguar, King of the Mayan Gods, Shining Star, light up the Sky". Wir befinden uns nun im 6. Jahrhundert. Hier hat alles seinen Ursprung. Mein müder Körper ist gestorben, und mein einst gequälter Geist ist nun frei ("Carried By The Wind"). Mein Name ist Ayreon. Wir schreiben das Jahr 2800 vor Christus. Ich bin ein stiller Zeuge der erstaunlichen Schaffung eines geheimnisvollen Denkmals in Wiltshire, England ("And The Druids Turn To Stone"). Und dann ? 50'000 vor Christus, die Welt ist noch ein unberührtes Paradies, nicht von zerstörerischen Menschen bevölkert. In der Ferne erkenne ich ein Rudel wild gestikulierende, menschenähnliche Kreaturen, die sich in der Nähe einer Klippe versammeln. Ich bin der erste, der aufsteht. Ich muss "The First Man On Earth" sein. "This is the dawn of time, I am the first to stand, looking through the eyes of the primal man. This is the dawn of time, witnessing the birth". Das Programm fährt jetzt herunter ("The Dream Sequencer - Reprise"), wir befinden uns wieder im 22. Jahrhundert. Ich bin zurück in meinem Traum-Sequenzer. Ich bin müde, aber ich will mehr. Und ich will noch viel weiter zurück in der Zeit. Was wird mich erwarten ?
"Universal Migrator Part I - The Dream Sequencer" nennt sich der erste Teil dieser Doppelveröffentlichung des Projekts Ayreon von Arjen Anthony Lucassen. Die Geschichte, die den roten Faden durch das Album zieht, ist die des letzten Marskolonisten, der in einer Maschine namens "The Dream Sequencer" zurück in die Vergangenheit reist. Vom 22. Jahrhundert zurück bis zu unseren Vorfahren in grauer Vorzeit. Die Musik, die dieses Epos untermalt, ist im Gegensatz zum zweiten Teil der grossen Saga eine wundervoll atmosphärische Rockgeschichte, die vor allem eines beweist: Arjen Lucassen ist ein grosser Fan der psychedelischen 70er Jahre Epen von Bands wie Pink Floyd. Streckenweise klingt dieses Werk wie ein bunter musikalischer Mix aus Pink Floyd's "Meddle", der "Dark Side Of The Moon" und der "Wish You Were Here", angereichert mit allerlei modernen Space-Effekten wie Robotstimmen oder typischen Geräuschen digitaler Gerätschaften, die gemeinhin an Raumstationen oder Raketen erinnern. Als eine Charaktere ähnlich dem Helden Captain Future aus unserer Jugend, dem Streiter für Recht und Ordnung im interstellaren Raum reist Lucassen mittels seiner Traummaschine im Eilzugtempo durch die Zeit. Aus seinerVorliebe für die erwähnte Musik aus den 70er Jahren hat Lucassen auch hier wieder ein ganz eigenes Universum erschaffen. Seine Liebe galt seit jeher den grossen Science Fiction Erzählungen, er ist vielleicht so etwas wie ein musikalischer Frank Herbert ("Dune"), ein akustischer Robert A. Heinlein oder gar Stanislaw Lem, dessen Meisterwerk "Solaris" oder die "Sterntagebücher" ganz bestimmt im Bücherregal des Musikers stehen dürften.
Während man mit dem ersten Part "The Dream Sequencer" die Frau des Herzens betören kann, wird beim zweiten Teil dieses Epos mit dem Titel "Flight Of The Migrator" vor allem der Progressive Metal aus der Schublade geholt, wenn auch nicht mit letzter Konsequenz, denn es wäre nicht Arjen Lucassen, wenn nicht auch hier bei diesem zweiten Part viel Melodie und einprägsame Hooklines die Szenerie über weite Strecken mitbestimmen würden. Der zweite Teil der Reise des Universal Migrator führt den Wissensdurstigen zurück an den Punkt, an dem alles begann, als alles noch Chaos und Unordnung war. Das Ich dieser Geschichte wird zur Geburtsstunde des Lebens zurückgeführt und "Flight Of The Migrator" ist die musikalische Umsetzung des sich daraus entwickelnden Höhepunkts. Lucassen's gekonnt vertonter, mit schönen songschreiberischen Ecken und Kanten versehener Progressive Metal weiss ebenso zu überzeugen wie auf der ersten Platte dieser hinreissende sphärische Edel-Progrock: Jedes Instrument darf sich in Szene setzen und was sehr wichtig an der Sache ist: Der zweite Teil der Universal Migrator-Saga bleibt immer hochkarätig und spannend, abwechslungsreich und unterhaltsam. Sei es die Geschichte, die im zweiten Teil an die Science Fiction Tradition eines Stanley Kubrick erinnert oder die immer wieder auftauchenden Überraschungsmomente: Auch "The Flight Of The Migrator" ist ein fabelhaftes, in sich geschlossenes Reiseabenteuer, was das "Special Edition"-Package dieser Veröffentlichung von Arjen Lucassen's Ayreon im Prinzip zu so etwas Seltenem wie einem "Doppel-Konzeptalbum" macht: Quasi zwei Konzeptalben in einem, wenn man so will.
Ich bin das letzte noch lebende Individuum der Gattung Mensch. Ich befinde mich in einer Maschine mit der Bezeichnung Traum-Sequenzer in einer verlassenen Marskolonie. Ich habe ein Programm namens "Universal Migrator" gewählt. Dieses Programm versetzt mich in eine Art Hypnose, welche es mir erlaubt, im Rahmen einer zeitlichen Rückführung bis zum Beginn allen irdischen Lebens zurückzukehren. Von meinem geschützten Energie-Tank aus, in welchem ich liege, mache ich mich auf die Reise zurück in eine Periode vor dem grossen Urknall, als Materie, Energie und Zeit noch eins waren in dem chaotischen, ungeformten Vakuum des Proto Space. "Chaos": Der Traum-Sequenzer ist jetzt online. Ich bringe Dich zurück in die Zeit vor dem Urknall und zur Geburt der ersten Seele überhaupt, genannt Universal Migrator. Bitte beachte, dass das Systemprotokoll für diese heikle Mission eine Bestätigung verlangt. Kein User hat sich je so weit zurückführen lassen in der Zeit. Bist Du sicher, dass Du fortfahren möchtest ?
Der Urknall hat eine Ur-Seele kreiert, den Universal Migrator. Dieser teilt sich unmittelbar nach seiner Entstehung selbst und jeder dieser neu entstandenen Migratoren macht sich sogleich auf eine unendlich lange und individuelle Reise, um Ausschau nach bewohnbaren Planeten zu halten. Ihre Mission lautet, auf solchen Planeten die Voraussetzungen zu schaffen, damit intelligentes Leben entstehen kann ("Dawn Of A Million Souls"). Ich folge jenem Migrator, der sich auf die Suche nach dem Planeten Erde macht. Ich treffe den Migrator auf seiner langen Reise durch Raum und Zeit auf der Suche nach der Erde ("Journey On The Waves Of Time") und erlebe mit ihm viele phantastische astronomische Phänomene; "guide me through a maze of stars, guide me to the birth of my race. Give me the answers to questions, reveal to me secrets of life". Wir sind auf dem Weg zum Quasar, einem Objekt so hell wie eine Galaxie. Unsere Hoffnung ist, dass der Quasar eine unergründliche Quelle der Kraft in sich trägt, und als grösste Gefahr in seiner Mitte ein schwarzes Loch ("To The Quasar"). "On our journey we receive the radio emissions of a pulsar - an imploded neutron star". "A: The Taurus Pulsar" und "B:Quasar 3C273": Wir haben im Sternbild der Jungfrau einen Quasar entdeckt. Doch enthält er tatsächlich ein schwarzes Loch, das uns zu unserem Endziel bringen wird ? Wir haben unser erstes Ziel erreicht: das schwarze Loch im Sternbild Jungfrau existiert wirklich. Was werden wir darin finden ? "Into The Black Hole" - die Kraft des schwarzen Lochs ist unermesslich. Unsere Hoffnungen und Aengste vermischen sich. Ist dies das Tor zu diesem weit entfernten Planeten, nach dem wir auf der Suche sind ? Finden wir die Erde, oder wird uns unsere gefährliche Suche in Stücke reissen ?
Wir sind im Auge des Universums, inmitten der Dunkelheit, und dann überwältigt uns die Schwerkraft und führt uns durch das Wurmloch ("Through The Wormhole"). Es hat uns eingesaugt, die Zeit verlangsamt sich und die Bilder, die wir sehen, sind verzerrt. die Realität verbiegt und dreht sich. Wir verlassen die Galaxie, in welcher unsere Reise mit Ziel unbekannt begonnen hat, auf der Suche nach dem Unbekannten. Wir verlassen das nunmehr weisse Loch und erreichen die M31 Galaxie, die auch unter dem Namen Andromeda Nebel bekannt ist. Wir erkennen in der Ferne einen Planeten, welcher der Erde sehr ähnlich sieht. Könnte es ein Planet sein, auf dem Leben möglich ist ? Und falls ja, wer lebt dort ? ("Out Of The White Hole"). Es ist Planet Y und es ist nicht unser finales Ziel, das wir suchen: "There seems to be no motion, no pleasure and no pain, no symptoms of emotion, no loss and no gain". Die Suche geht weiter, bis wir schliesslich unserem eigenen vertrauten Sonnensystem näherkommen. Doch etwas stimmt hier nicht. Die Realität durchdringt die Illusion. Mich beschleicht die beunruhigende Vorahnung, dass ich auf meiner virtuellen Reise niemals die Erde rreichen werde ("To The Solar System"). Doch dann erkenne ich sie: die Erde. Ich komem nach hause auf den blauen Planeten. Ist dies das Ende meiner langen Reise durch Raum und Zeit ?
Systemwarnung: Traum-Sequenzer, Core Processor Buffer Overload, bitte Universal Migrator Sequenz abbrechen. Systemfehler: Unmittelbar bevorstehende Rückkehr ins Bewusstsein! "The New Migrator" - die Metamorphose ist abgeschlossen, der Schläfer erwacht. Der Migrator spricht zu mir, der Dream Sequencer ist zerstört. Während mein physischer Körper nun für immer schlafen wird, erwacht mein Bewusstsein zum Leben, bis in die Ewigkeit, die nun vor mir liegt: Ich bin der neue Migrator.
Science Fiction-Filme haben mich eigentlich immer schon sehr interessiert, vielleicht deshalb, weil ich mir als Kind einfach vorstellte, dass es noch eine entsetzlichere Kreatur geben muss als es der Mensch je sein könnte. So konnte ich mich für diese ausserirdischen Wesen und schrecklichen und ziemlich furchteinflössenden Fantasy Monstern, die irgendwo von einer anderen Galaxie kommen, und die Erde oder die Menschheit bedrohen, schon immer begeistern. Inzwischen sieht die Welt allerdings so aus, dass wenn ich Monster sehen möchte, die unsere Erde bedrohen, ich eigentlich nur kurz den Fernseher einschalten, die Nachrichten schauen, oder einen Blick in die Tageszeitung werfen muss. Und wenn ich hinterhältigen und charakterlich unaufrichtigen Kreaturen begegnen möchte, dann muss ich wiederum nur kurz für zehn Minuten bei mir um die Ecke laufen oder einkaufen gehen, dann treffe ich bestimmt zwanzig widerliche Individuen, deren Anblick sofort mein allgemeines Wohlbefinden in Magenschmerzen verwandeln.
Auch bei der Musik konnte es mir eigentlich nie fantasievoll genug sein, denn mit dieser Art von Musik konnte ich mich schon immer sofort beim Erklingen der ersten Töne auf einen anderen Planeten beamen; auf einen Planeten, auf dem ich mich persönlich wohler und geborgener fühlte, als auf der Erde, weil er mich im Gegensatz zu "Mord und Todschlag, Terror und Angst, Lüge und Verrat, Neid und Missgunst, Macht und Widersache" mit wunderschönen, reinen und zauberhaften Klängen verwöhnte. Die beiden Ayreon-Werke "Universal Migrator I und II" stehen dieser Sehnsucht in Nichts nach. Was das Melodiegenie Arjen Anthony Lucassen hier wieder für galaktische Soundkosmen aus den Keyboards zauberte, war absolut grossartig und Balsam für meine oftmals so gebeutelte Seele. Auch die lange Liste der Gastmusiker und Sänger konnte sich wie bei so manchen seiner üppigen Projekte mehr als sehen lassen. Mit von der Partie waren bei den beiden "Universal Migrator"-Platten Ed Warby und Rob Snijders, Erik Norlander, Clive Nolan (ARENA, PENDRAGON), Gary Wehrkamp (SHADOW GALLERY), sowie die exzellenten Sänger Damian Wilson (THRESHOLD), Neal Morse (SPOCK'S BEARD, TRANSATLANTIC), Timo Kotipelto (STRATOVARIUS) und Bruce Dickinson (IRON MAIDEN), plus einige weitere wie die tolle Sängerin LANA LANE oder Michael Romeo (SYMPHONY X) nebst anderen.
Die Reise im "Universal Migartor" ist eine zweigeteilte Fahrt. Auf dem ersten Teil geht überwiegend ruhig und träumerisch zu, was auch der entsprechende Untertitel "The Dream Sequencer" schon vermuten lässt. Das doch sehr an die "Wish You Were Here"-Phase von Pink Floyd erinnernde Gitarrenintro mit seinen anschliessend tiefen Keyboardteppichen tut sein übriges, um sofort die Augen schliessen zu lassen, und auf dem Planeten "Wunderschöne Musik" anzukommen. Zu den einzelnen Songs gibt es eigentlich nur zu sagen, dass sie allesamt grossartig komponiert und arrangiert sind, was auch an den hervorragenden Gesangsleistungen der verschiedenen Sänger liegt, die wie öfters einmal bei musikalischen Projekten von Arjen Lucassen, von unterschiedlichen Stimmen entsprechend der Gesamtstory interpretiert werden. Im zweiten Teil geht es dann wesentlich härter zur Sache. Hier wackelt hin und wieder ziemlich heftig die Bude, wobei die Reise durchweg melodisch und kosmisch bleibt. Auf seiner Fahrt durch die Sternengalaxie wird der "Universal Migrator" auch in ein stimmgewaltiges Schwarzes Loch hineingezogen, das von keinem anderen als Bruce Dickinson fabriziert wird. Selten habe ich diesen grossartigen Sänger über eine so lange Zeit seine Stimme derart kraftvoll halten gehört, wie bei diesem Lied. Wer also sowohl die ruhige als auch die härtere Welt der Musik zu schätzen weiss, und wer gerne soundorientierte Musik hört, die auch noch eine üppige und sinnige Geschichte erzählt, der kann mit diesem Doppelalbum überhaupt nichts falsch machen.
Ayreons und Merlins Warnungen indes, nachzuhören auf Lucassen's früherem Album "The Final Experiment", haben nicht geholfen. Die Menschheit hat sich und die Erde in einem finalen Krieg von 2084 selbst zerstört. Auf dem Mars überleben noch einige Kolonisten, aber auch nicht lange. Schliesslich ist nur einer übrig, der sich in Symbiose mit dem Programm "Dream Sequencer" auf eine Reise in die Vergangenheit der Menscheit begibt: die düstere Gegenwart auf dem Mars nach dem alles vernichtenden Krieg, der Krieg von 2084 selber, die Mondlandung von 1969, die Entstehung von Rembrandts "Nachtwache" aus der Sicht eines Beteiligten, der Kampf von Königin Elisabeth I gegen die spanische Armada, der Jaguar-Kult der Azteken, die Entstehung von Stonehenge, schliesslich der erste Mensch überhaupt. Davon handelt das erste Album mit dem Untertitel "The Dream Sequencer". Grandiose Melodien, ein funkelnder Keyboard-Teppich nach dem anderen, verwoben mit wunderbaren und sehr oft an Pink Floyd erinnernde Gitarren Soli prägen dieses durchaus auch für sich alleine stehende erste Album. Meine persönlichen Highlights hier sind "My House On Mars", "One Small Step", "And The Druids Turn To Stone" (mit einem absolut grandiosen Gesang von Damian Wilson) und, last not least, "The First Man On Earth", eigentlich eine Widmung an die Beatles, obwohl ich persönlich ein Fab Four-typisches Meldodie-Element hier nicht hören kann, trotzdem aber dabei ein bisschen an "The Fool On The Hill" erinnert werde. Hierfür verantwortlich zeichnet Neal Morse, der ja sowieso ein sicheres Händchen für grosse Melodien hat, und dies schon seit vielen Jahren.
Das zweite Werk mit dem Untertitel "Flight Of The Migrator" entführt den Kolonisten zum Urknall und damit zur Geburtsstunde des "Universal Migrator", einer Art kosmischem Bewusstsein, das zur Enstehung von Leben im Universum beiträgt. Davon handeln das grandiose Instrumental-Intro "Chaos" und das bombastische "Dawn Of A Million Souls", hervorragend interpretiert von Russell Allen (Symphony X). "Journey Through The Waves Of Time", gesungen von Ralf Scheepers und "To The Quasar" mit der wunderbaren Stimme von Andi Deris bestechen durch eine absolut gelungene und üppige Orchestration. Das phänomenale Stück "Into The Black Hole" ist durch seine düstere Ausstrahlung schon fast so etwas wie eine kleine Symphonie in sich. Der Iron Maiden-Sänger Bruce Dickinson präsentiert sich hier in Top Form. "Through The Wormhole" und "Out Of The White Hole", gesanglich ebenfalls gekonnt dargeboten von Timo Kotipelto überzeugen beide ebenfalls hundertprozentig. "To The Solar System" bewegt sich in ruhigeren Gewässern, bevor bei "The New Migrator" der Bombast-Faktor noch einmal voll hochgeschraubt wird. Ian Parry begrüsst die Entstehung eines neuen "Universal Migrator", geboren aus der Seele des inzwischen verstorbenen Mars-Kolonisten.
Während sich der erste Teil des zweiteiligen Werks "The Dream Sequencer" also vor allem für die Freunde des melodischen Progressive Rock empfiehlt, regiert auf dem zweiten Teil "Flight Of The Migrator" eindeutig der progressiv angehauchte Metal. Beide Alben können aber auch unabhängig voneinander separat zu Gemüte geführt werden, zusammen ergeben sie jedoch ein einzigartiges Meisterwerk. Wenn der Einstieg in den ersten Teil mit Schritten, Windgeräuschen und einer computerverfremdeten Stimme "Dream Sequencer System Online" mit Tastentönen und der Einleitung "Good morning colonist. You have selected the Universal Migrator program. Please lie down in the energy tank and place the electrodes on your temples. Think of your designation number" in die Story einführt, dann ist man schon bald darauf mitten drin in der Geschichte der Menschheit, die auf "Universal Migrator" nachgezeichnet wird vom unausweichlichen Ende bis zurück zu ihrem Ursprung. Synthesizer-Gewabere, das jeden Science Fiction-Fan begeistert, folgt in bester "Welcome To The Machine"-Manier, und natürlich kommt shcon bald die obligate David Gilmour-Gitarre. Diese Hauptzutat führt eigentlich konsequent durch den gesamten ersten Teil dieses Werks. Immer wieder hört man Stellen, von denen man glaubt, sie schon einmal auf irgendeiner Pink Floyd-Platte vernommen zu haben. Das ist durchaus nicht auf Plagiat-Niveau, sondern absolut hochklassig und eher von Arjen Lucassen brilliant weiterkonzipiert, als nur billig abgekupfert. Dafür ist Lucassen einfach ein viel zu brillianter Komponist. Aber natürlich hat auch er seine unverkennbaren Roots, und die liegen auf jeden Fall im Anfang bis Mitte der 70er Jahre Pink Floyd-Sound. Selbstverständlich bedeutet das keinen Makel, wenn man wie ich ebenfalls Fan von Pink Floyd's damaliger Phase ist.
Der zweite Teil ist wesentlich Metal-lastiger und enthält auch wesentlich mehr Hammond Orgel Anteil als Pink Floyd-inspirierter Moog Synthesizer-Sound. Die Metal-Lastigkeit kommt zwar auch in der Musik zum Vorschein, ist aber vor allem beim Gesang zu bemerken. Sänger von Progressive Metal-Bands wie SYMPHONY X und THRESHOLD unterstreichen dies eindrücklich und die sind ebenso dabei wie etwa die Power Metal-Kandidaten Timo Kotipelto von STRATOVARIUS oder Andi Deris von HELLOWEEN. Was sich noch unterscheidet ist, dass sich auf dem zweiten Teil des "Universal Migrator" einige Stücke befinden, die in mehrere Parts aufgeteilt sind. Während der Zuhörer also beim ersten Teil "The Dream Sequencer" eher spaceig und ruhig verwöhnt wird, kriegt er im zweiten Teil "Flight Of The Migrator" eine regelrechte Breitseite an wuchtigen Streichern und Gitarren verpasst. Schnelle treibende Schlagzeugparts und fiebrig-hektische Gitarren sorgen für perfektes Heavy Metal Feeling. Synthesizer kommen zwar auch hier zum Einsatz, agieren aber insgesamt eher im Hintergrund. Erst das Ende mit dem finalen Titel "The New Migrator" versöhnt den Hörer dann wieder. Dieses Stück ist zwar auch noch sehr Metal-lastig, aber im zweiten Part wird wieder auf Synthesizern soliert und der Titel kehrt zurück an den Anfang des ersten Teils. Ein würdiger Abschluss eines absolut phantastischen Konzeptalbums.
Fazit: "The Dream Sequencer" versorgt den Science Fiction-begeisterten Spacerock- und Pink Floyd-Fan, der zweite Teil "Flight Of The Migrator" versorgt den Science Fiction-begeisterten Metal-Fan. Beide Platten sind auf ihre Art und Weise hervorragend gemacht, bilden zwar eine Einheit, können aber auch problemlos einzeln gehört werden. Ich persönlich mag den ersten Teil mit den Pink Floyd-Sounds insgesamt lieber. Es könnte anderen Zuhörern aber selbstverständlich genau andersrum gehen. Beide Teile kann man einzeln kaufen, es empfiehlt sich aber doch, sich hier vielleicht für die Doppel CD-Variante "Special Edition" zu entscheiden, die beide Teile in sich vereint und zudem mit einem üppigen, 36-seitigen Booklet die gesamte Geschichte des "Universal Migrator" erzählt und erlebbar macht.
Einen direkten musikalischen Vergleich beispielsweise mit Dream Theater kann man hier beim zweitn Part durchaus ziehen. Wie die Gruppe Dream Theater wandelt Arjen Lucassen hier bei "Flight Of The Migrator" traumwandlerisch sicher zwischen den verschiedenen harten Rock-Stilen, mal eher im Bereich progressivem Metal, dann aber auch wieder beim Symphonic Metal etwa wie die Band Symphony X. Bombast ist ein immer wiederkehrendes stilistisches Element, nicht nur hier im zweiten Teil, aber hier durchaus hör- und fphlbarer als beim ersten Teil der Reise des Universal Migrator. Viele heutige Metalbands könnten stolz sein, wenn Arjen Lucassen ihnen ihre Songs schreiben würde. Sein Talent, sowohl ruhige Passagen mit Metal-Attacken zu verbinden, ist nur zu bewundern. Wie immer auf seinen Ayreon-Projekten, versammelte Arjen Lucassen auch bei diesem ambitionierten Werk einmal mehr eine Armada an hervorragenden und wohlbekannten Musikern, die seine Ideen sowohl instrumental, wie gesanglich wundervoll umsetzen. Wie bei Arjen Lucassen stets üblich, sticht auch bei "Universal Migrator" eine hervorragende Gesamtproduktion ebenso heraus wie die phantastische musikalische Umsetzung einer bis ins letzte Detail ausgeklügelten, äusserst intelligenten und plausiblen Story. Arjen Lucassen gehört zu den weltbesten Progressive Musikern unserer Zeit. Weil der erste Teil und der zweite Teil der Story unbedingt zusammengehören, sollte man sich wenn immer möglich für die Doppel-CD Version entscheiden, welche beide Teile umfasst.
[REVIEW] Ayreon - The Universal Migrator I & II (2004)
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[REVIEW] Ayreon - The Universal Migrator I & II (2004)
Die wunderbare Zumutung, selbst denken dürfen zu müssen.
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Re: [REVIEW] Ayreon - The Universal Migrator I & II (2004)
Großartige Musik und wunderbarer vielfältiger Gesang in meinen Ohren! Alles andere steht weiter oben.
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Re: [REVIEW] Ayreon - The Universal Migrator I & II (2004)
Lemmy würde jetzt sagen: Not my cup of tea.