Tranceformer hat geschrieben: ↑Do 25. Apr 2024, 18:19
Jörg Metz & Friedel Geratsch – Radio Metzger
Wieder einmal lande ich bei der Musik von Friedel Geratsch. 2023/24 war und ist für Geratsch schlicht eine höchst produktive Zeit und da kann und möchte ich auch nicht drüber hinweg gehen.
Angefixt durch die aktuelle, in diesem Jahr erschienene CD „Liebeskummertour“, das neueste Solowerk von Friedel Geratsch, setzte ich mich auch mit den weiteren Geratsch-Werken der jüngsten Vergangenheit auseinander, als da sind Geier Sturzflug „Alles im Eimer“ (CD 2024), Geier Sturzflug-LP „Trotzdem“ (LP 2023). Garage 3 „Neu“ (CD 2023) und gemeinsam mit Jörg Metz veröffentlichte er 2023 bei Timezone Records unter dem Rubrum „Cigarbox Music“ die mit 16 Songs bestückte CD „Radio Metzger“. Genau um diese CD geht es mir heute.
Jörg Metzger gehört ebenso wie Friedel Geratsch zur erlesenen Fraktion der Cigarbox Gitarren Szene, hausgemachte Instrumente die ihren Ursprung in der amerikanischen Musikgeschichte haben. Dort wo Armut herrschte, keine Mittel für teure Instrumente zur Verfügung standen, war Kreativität gefragt. Simple Instrumente aus Zigarrenkisten, alten Dosen oder sonstigen Kisten wurden umfunktioniert. Mit wie vielen Saiten die einzelnen Instrumente bestückt oder bespannt wurden, lag ebenfalls im Ermessen der Erbauer:innen. Die Instrumente waren einfach, doch sie waren genau richtig, um den Sound des Blues zu transportieren. Dies dachten sich bestimmt auch Jörg Metz und Friedel Geratsch, denn das Werk „Radio Metzger“ ist tief im Blues getränkt. Doch bevor die beiden Protagonisten diese CD einspielen konnten, mussten sie sich kennenlernen. Dies geschah im Rahmen des Festivals der Cigarbox Gitarren Szene in Pleutersbach. Dieses Festival findet seit 2016 statt und zieht Freund:innen der Cigarbox Szene aus nah und fern an, so auch Geratsch und Metz, die dort gemeinsam musizierten und den Entschluss zu diesem Musikprojekts fassten. Metz liefert Melodienentwürfe, die von Geratsch ergänzt und von beiden Musikern in gemeinsamer Arbeit verfeinert wurden. Hinzu kamen die fantastischen Texte von Friedel Geratsch. Ich erwähnte bei zurückliegenden LP- und CD-Besprechungen von Friedel Geratsch seine extreme Kreativität. Es ist erstaunlich, auf welche unterschiedlichen Klangbilder sich dieser Mann einstellen und einlassen kann. Mal ist es der einfach Rock mit einer gewissen Schlager-Attitüde, dann Ska und Reggae. Es darf sogar mal der richtig knackig, ruppige Rock sein und hier ist es vorrangig der Blues. Die Musiker zeigen unmissverständlich, dass der signifikante Mississippi-Delta-Blues auch in Deutschland sein zuhause gefunden hat.
Dachte ich zunächst, dass 16 Songs Cigarbox Music schnell langweilig werden können, musste ich mich eines Besseren belehren lassen. Was Metz und Geratsch hier bieten, ist ganz großes Kino, dies gleich auf mehreren Ebenen. Musikalisch sind die 42 Minuten Cigarbox Music perfekt eingespielt, Metz und Geratsch schaffen es, den Spannungsbogen immer hoch zu halten und bedienen sich dabei bestens ausgeklügelter Klangbilder, feiner, einfacher bis spektakulärer Gitarrenriffs. Und dann sind da die Texte, deutschsprachig und da hört ich sowieso etwas genauer hin. Gleich mit dem Opener bin ich mitten drin, mitten im Leben von Friedel Geratsch oder gar mitten in meinem eigenen Leben? Geratsch bietet keine Lebenshilfe, erhebt nicht den Zeigefinger und gibt Richtungen vor oder fragt Meinungen ab. Geratsch sucht keine Jünger, er liefert ab. Er hängt 16 Bilder an die Wand, schaut und liefert uns zu jedem Gemälde eine tolle Bildbeschreibung. Was wir draus machen, es bleibt den Zuhörer:innen überlassen. Wer in der CD-Hülle nach einer Gebrauchsanweisung sucht, wird enttäuscht. Fehlanzeige. Hier ist dann die persönliche Kreativität gefragt und niemand wird sich dran stören, wenn es auch nur beim Zuhören bleibt. Doch so leicht komme ich nicht davon; wenn ich Text wie „Der Teufel weiss“ oder „Guter Blues böser Blues“ höre, dann kann ich nicht anderes, diese Bilder wühlen auf, packen mich, lassen Bilder durch den Kopf ziehen aus einer längst vergangenen Zeit. Ich belasse es bei der Erwähnung dieser beiden Songs, die allein schon grandios sind. Der eine oder die andere wird bestimmt seinen oder ihren Lieblingssong ausfindig machen und der muss sich dann nicht mit meinem decken.
Mein Text ist wieder einmal viel zu lang geworden, doch die CD hat es verdient und den beiden Zigarrenkistengitarrenbauern kann ich nur sagen: Mehr davon!
