[REVIEW] Moving Gelantines Plates "Same" (1971)

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Louder Than Hell
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[REVIEW] Moving Gelantines Plates "Same" (1971)

Beitrag von Louder Than Hell »

Moving Gelantines Plates "Same" -1971-

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Der Ursprung dieser französischen Progband reicht in das Jahr 1965 zurück, als sich in dem Vorort von Paris, Sartrouville, die Schüler Didier Thibault und Gerard Bertram über den Weg liefen. Infiziert von der gerade herrschenden musikalischen Aufbruchsstimmung, wollten auch sie eine Band gründen. Da die Bürschen zu diesem Zeitpunkt erst 13 Jahre alt waren, war das Erlernen des Gitarrespielens das vorrangige Ziel ihres Bemühens. So verstrichen weitere drei Jahre bis endlich die Band namens "The Lines" ihre ersten Auftritte vollziehen konnte. Zu diesem Zeitpunkt war ihre Musik sehr stark mit den Musikstilen der "Yardbirds" und "Doors" geprägt. In der Folgezeit wechselte auch die Besetzung dieser Ursprungsband. Die beiden eingangs genannten Gründungsmitglieder blieben aber immer die feste Konstante in dieser Gruppe.

Ab 1968 änderte die Band radikal ihren musikalischen Stil und spielten fortan auf der Welle des in England beheimateten Canterbury Rock mit. So wurde auch über Nacht der Bandgruppenname in "Moving Gelatine Plates" geändert.

Den letzten musikalischen Feinschliff fanden sie im Jahre 1970, als sie ein Festival in Le Bourget besuchen wollten, wo u.a. Bands wie Pink Floyd, Soft Machine, Caravan und Gong auftraten. Zu diesem Zeitpunkt verfügten sie nicht über die finanziellen Mittel, um die Eintrittskarten bezahlen zu können. Deshalb boten sie es dem Veranstalter an, für "umsonst" auf einer der Nebenbühnen auftreten zu dürfen. Damals war soetwas noch möglich und so gelang die Band auf das Festivalgelände und absolvierte auf einer der Nebenbühnen vor 400 Personen ihr erstes großes Konzert. Auf diese Art und Weise konnten sie ihre Helden wie "Soft Machine" und "Caravan" hautnah erleben.

Dieser Festivalbesuch war letztlich auch der Weichensteller für anschließende kleinere Touren durch Frankreich und dem benachbarten Belgien. Die in Paris beheimatete Plattenindustrie wurde somit auf diese Band aufmerksam und konnten dadurch einen Plattenvertrag bei CBS France unterzeichnen, der ihnen die Veröffentlichung von 2 LP's garantierte. Im Jahre 1971 erschien danach ihre selbstbetitelte erste Langspielplatte.

Die Musik der mir vorliegenden ersten CD gestaltet sich wie folgt:

Bereits der Opener "London Cab" zeigt den Weg auf, dass auf dieser LP klassischer Canterbury-Jazzrock dominiert. Zum Teil wild, zum Teil entspannt wird hier der Jazzrock mit psychedelischen Einschüben größtenteils instrumental gespielt, der eingangs lediglich von ein paar Sprachpassagen unterbrochen wird. Es gibt aber auch in diesem Stück Eruptionen, die einen an Hardrock denken lassen, wobei die Trompete, der Gesang und das Schlagzeug diesen kernigen Groove unterfüttern. Gerade das Schlagzeugspiel ist in diesem wirbeligen Spiel immer der kreative Taktgeber in diesem sich stets verändernden Eingangsstück.

Das Folgestück "X 25" startet schräg und leicht freejazzig. Die im Fusionsstil gespielte Gitarre tritt ordnend in das Spiel ein und es gibt eine kurze Hinwendung zur scheinbaren osteuropäischen Folklore mit einer leichten Polkaanleihe. Dieser offensichtliche Schabernack ist sicherlich eine Hommage an die Gruppe "Soft Machine", auf deren ersten beiden LP's ähnliche Verrücktheiten dargeboten wurden.

Das dritte Stück "Gelatine" ist ein wilder, aber zugleich melodischer Song. Die hier gespielte Rhythmik ist sehr eigenwillig und wirkt im Mittelteil des Stücks basslastig, bis das verspielte Progspiel wieder in den Mittelpunkt rückt. Die folgenden Passagen steigern sich dann, während die Gitarre und das eingewobene Saxophon den Weg fast bis zur explosigen Stimmung aufheizen. Erst danach tritt eine kurze Phase der Ruhe ein und man kann wieder durchatmen.

Diese von mir beschriebene Abgedrehtheit im Spiel der "Moving Gelantine Plates" sind eine logische Fortsetzung der Aufnahmen der Grupe "Soft Machine", die faktisch nach ihrer 2. LP einem ganz anderen musikalischen Ansatz verfolgten. Die MGP wirken aber in keiner Weise albern, sondern sind kreativer und improvisationsfreudiger, als etliche Bands, die seinerzeit einen ähnlichen Stil gefrönt hatten. Man meint sogar, den "coltraneschen" Geist bisweilen aus ihrer Musik heraushören zu können.

Mit dem Longtrack und Kernstück "Last Song" startet die zweite LP-Seite. Es ist wieder eine Achterbahnfahrt aus ruhigen bis explosiven Phasen, die ineinander übergehen und sich jeweils abwechseln. Sämtliche Instrumentalisten können sich in diesem Stück austoben, aber auch durch ihre Spielfähigkeit zur Ruhe mahnen. Trotzdem ragen hier trotz aller Geschlossenheit dieser Band die individuellen Gitarrensoli, das rasende Spiel des Schalgzeugers sowie das Keyboardspiel heraus. So scheinbar ruhig, wie die Platte gestartet ist, endet sie auch in einem schönen psychedelischen Schlusspart.

Die von der Band Moving Gelantine Plates dargebotene weist in Anlehnung des "Captains" ähnliche Verrücktheiten auf. Es handelt sich hierbei um äußerst kompetente Musiker, die einen sehr eigenständigen Jazzrock der klassischen Canterburyschule zelebrieren. Es werden Elemente des Freejazz mit psychedelischen Tupfern untermalt, haben bisweilen dadaistische Züge und wissen mit einer großen Improvisationskunst zu überzeugen. Wer sich mit Musikern wie Robert Wyatt, Fred Frith, Soft Machine, Hatfield And The North u.a. anfreunden kann, findet hier eine musikalische Spielwiese, auf der er sich austoben kann.

Alles, was nach der Unterzeichnung des Plattenvertrages so verheißungsvoll gestartet ist, fand aber zwei Jahre später ein jähes Ende. Zwar erschien im Jahre 1972 noch ihre zweite LP "The World Of Genius Hans", aber die Verkaufszahlen dieser beiden Platten sprachen eine andere Sprache. Wegen mangelnder Auftrittsmöglichkeiten gab es innerhalb der Band immer größer werdende finanzielle Engpässe, die letztlich im Jahre 1973 das Aus dieser Band bedeuteten. Selbst der begnadete Schlagzeuger Gerard Pons musste sein Schlagzeug verkaufen, um überhaupt finanziell überleben zu können. Im Jahre 2006 gab es noch eine kurze Reunion dieser Band, größtenteils mit anderen Musikern, aber dieser Umstand ist faktisch keiner Erwähnung wert. Die Musik hatte in der Tat nicht mehr viel mit den MGP zu tun.

Musiker:

Gerard Bertram: Guitar, Vocals
Didier Thibault: Bass, Guitar
Gerard Pons: Drums, Percussion
Maurice Helminger: Keyboard


Tracklist:

London Cab: 7:30
X-25: 2:00
Gelatine: 8:10
Last Song: 15:20
Memories: 3:15

Als Anspieltipps habe ich die gesamte erste LP aus dem Jahre 1971 eingestellt. Die Stücke 6-9 sind Bonustracks aus dem Jahre 2006 und haben für mich keine Bedeutung und bleiben von mir unkommentiert.












Mäse, versprochen ist versprochen!!!
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Beatnik
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Re: [REVIEW] Moving Gelantines Plates "Same" (1971)

Beitrag von Beatnik »

Tatsächlich ist das noch fast härterer Tobak als die "Genius Hans" LP. Hier sind wir noch viel mehr beim freien Jam, der sich jedoch hier nicht mehr nur im jazzigen Bereich freisetzt, denn beim Nachfolger "Genius Hans" waren für mich doch da und dort recht zappaeske Passagen herauszuhören. Hier bei diesem ersten Album, das ich bisher nicht kannte, ist das über weite Strecken schon arg nahe an der Kakophonie. Ich kann mir gut vorstellen, dass diese Art von völlig losgelöster Musik damals nur wenige Musikverrückte begeistern konnte. Mir ist diese Musik heute zu fordernd geworden, stelle ich fest: Ein Anachronismus für mich persönlich - aus einer Zeit, in welcher ich Musik verschlang, die nicht verrückt genug sein konnte. Solche Platten hatte ich mir damals vor allem deswegen gekauft, weil sie niemand kaufen wollte und sie daher meist recht günstig zu kriegen waren. Heute sind die beiden Moving Gelatine Plates Alben aber fast schon unbezahlbar in Top-Zustand.

Als CD habe ich die "Genius Hans" und manchmal, in ganz schrägen Momenten, höre ich mir die ganz gerne mal wieder an, nur um dann fast schon erschreckt festzustellen: Was ? So crazy war ich mal drauf ? Oh ja! Und das war eine ganz tolle Zeit, in welcher ich zum Beispiel auch Pierre Moerlen und Daevid Allen entdeckte, dazu dann auch Christian Vander. Sie alle schrieben Musikgeschichte, was ich damals nie für möglich gehalten hätte. Dass ich auch mit über 60 Jahren mal noch solche Musik hören würde, hätte ich damals nie gedacht. Es war eine Zeiterscheinung: Bands wie Yes oder Gentle Giant hatten es vorgemacht: Spannende Musik hört nicht bei drei oder vier Akkorden auf. Sie ist nach oben offen und erlaubt alles, was die Kreativität hergibt. Dagegen waren beispielsweise berühmte Canterbury-Bands geradezu einfach gestrickt, etwa Caravan, so im direkten Vergleich mit den Moving Gelatine Plates. Dass sich damals Plattenfirmen fanden, die solche Musik veröffentlichen zeigt, wie viel Freiraum die Künstler erhielten.

Dagegen klingen Zappa- oder Soft Machine-Alben aus jener Zeit ja geradezu kommerziell :lol:

Prima Rezi mein Bester :yes:
Die wunderbare Zumutung, selbst denken dürfen zu müssen.

Haben ist besser als brauchen.
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Vombatus ursinus
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Re: [REVIEW] Moving Gelantines Plates "Same" (1971)

Beitrag von Vombatus ursinus »

Ich möchte es mal so formulieren: diese Musik ist eine Herausforderung, der ich leider nicht gewachsen bin. Es ist dann auch nie verkehrt, wenn man seine Grenzen kennt. :crazy:
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BRAIN
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Re: [REVIEW] Moving Gelantines Plates "Same" (1971)

Beitrag von BRAIN »

Sehr schöner Text!
Gefällt mir und habe ich als CD, gehört aber nicht in meine Top 1000
MAKE PROG NOT WAR ! ---> ---> My 2024 Album Faves
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Louder Than Hell
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Re: [REVIEW] Moving Gelantines Plates "Same" (1971)

Beitrag von Louder Than Hell »

BRAIN hat geschrieben: Mi 21. Feb 2024, 23:57 Sehr schöner Text!
Gefällt mir und habe ich als CD, gehört aber nicht in meine Top 1000
Diese Formulierung finde ich genial und muss sie mir merken. :yes:
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