[REVIEW] Dr. Strangely Strange • Heavy Petting (1970)
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[REVIEW] Dr. Strangely Strange • Heavy Petting (1970)
Fragt man nach den genialen Komödianten des Psychedelic Folks, so werden viele - und nicht unbedingt böse Zungen - instinktiv auf das schottische Duo Heron verweisen, die erfolgreicher als alle anderen Hippie-Propheten ihrer Zeit Nonsens gewollt mit Metaphysik verwechselten (oder umgekehrt). Recht eigentlich, und das heisst unabhängig der Verkaufszahlen, wäre dabei jedoch ein Blick nach Irland noch sehr viel ergiebiger. Mitte der 60er Jahre gründete ein verrückt-charmantes Dreiergespann aus Dublin die Band mit dem schönen Namen Dr. Strangely Strange, der zeitgenössische Musikenthusiasten zugegeben zunächst an mässig originelle Vorstadt-Rapper wird denken lassen. Nach zwei recht verschiedenen Alben, die 1969 und 1970 über Island Records und Vertigo Records ohne viel Resonanz erschienen und einer ausgedehnten Tour durch Nord- und Mitteleuropa, war die Band bereits aufgelöst und Geschichte, hatte jedoch während ihrer kurzen Schaffenszeit einen fürwahr eigenartigen wie eigenständigen Mikrokosmos hinterlassen, der sich aus unzähligen Allegorien und modernen Mythen zusammensetzte.
Dr. Strangely Strange waren in erster Linie ein Kind der Dubliner Hippie- und Beatkultur. Tim Booth und Ivan Pawle kannten sich von ihrer Zeit am Trinity College, wo Booth bereits in die lokale Folkszene involviert und an der Gründung des universitätseigenen Folkclubs beteiligt war, während Pawle in der Rhythm & Blues Band The Vampires spielte. Booth war ausserdem ausgebildeter Graphikdesigner und zeichnete eher aus Spass gelegentlich kleinere Comic-Strips, zum Beispiel über die fiktive Band The Mighty Cretins, wohl eine bissige Kontrafaktur der irischen Mighty Avon Showband. Aus einer ganz sicher furchtbar intellektuellen Faszination für die Comics des Marvel-Universums heraus, wählte sich die Band den Helden Dr. Strange als Namenspatron, dessen Abenteuergeschichten immer unheimlich surreal und mystisch inszeniert waren. Zunächst mit Humphrey Weightman, dann mit Brian Trench, die beide jeweils nach kurzer Zeit die Band wieder verliessen, traten Dr. Strangely Strange seit 1967 in nahezu allen gängigen Dubliner Folkclubs und Pubs auf, in denen sie aufgrund ihrer eigenwillig verschrobenen Attitüde und einem leichten Hang zu den gerade in Mode kommenden psychedelischen Klängen aus dem Ausland, nicht gerade Stürme der Begeisterung auslösten, wenngleich sie für die Beatniks und Hippies der Stadt dadurch schnell zu Leitfiguren wurden. Erst spät lernten Tim und Ivan den in England aufgewachsenen Maler und Organisten Tim Goulding kennen, als sich herumgesprochen hatte, dass dieser im Besitz eines Harmoniums sei und da die beiden Musiker ein solches Instrument unbedingt in ihre Kompositionen zu integrieren gedachten, rekrutierte die Band kurzerhand ihren zweiten Tim, der ihr nahezu bis ans Ende ihrer Tage die Treue hielt. Gouldings unhandliches Instrument wurde nun zu Auftritten allwöchentlich durch ganz Dublin und später quer durch Europa geschleppt und trug abgesehen von seinem mühseligen Transport nicht unwesentlich zu dem charakteristisch überweltlichen Sound der ersten LP "Kip Of The Serenes" bei.
Das Trio wurde zu dieser Zeit zum dicht umgarnten Künstler Bohème Mittelpunkt der Dubliner Szene, die in zwei als Orphanages, also Waisenhäuser bekannten Kommunen zuhause war. Dr. Strangely Strange wohnten nicht nur in diesen Häusern, sondern waren gewissermassen auch die Initiatoren der Orphanages, die hauptsächlich als Treffpunkt zahlreicher alternativer Musiker und Künstler fungierten. Besonders Phil Lynott und der noch junge Gary Moore, der sich später als Gitarrist an den Aufnahmen zum zweiten Dr. Strangely Strange "Heavy Petting" mit einem beeindruckenden Gastbeitrag beteiligte, waren häufig in diesem Dunstkreis zugegen, als sie beide noch in der Band Skid Row spielten und einige Jahre bevor sie die so erfolgreiche Rockgruppe Thin Lizzy gründeten. Aber auch Mitglieder der frühen irischen Folkband Sweeney's Men, die Anfang der 70er Jahre viel mit Anne Briggs zusammenarbeiteten und danach in Bands wie Steeleye Span und Spooky Tooth bekannt wurden, waren gern gesehene Gäste in den Orphanages. Anders als ein Grossteil der jungen psychedelischen Folkbands aus England, die spätestens seit 1968 wortwörtlich wie Pilze aus dem Boden schossen, waren die drei Dr. Strangely Strange Protagonisten schon etwas älter, hatten ihr Studium oder ihre Ausbildung bereits hinter sich und konnten sich in ihrer Musik nun richtig intellektuell und pseudo-philosophisch austoben, ohne dabei allzu grossen Jugend-Illusionen anzuhängen. Die zuweilen groteske und surrealistische Komik, mit der sie ihre Songs ausschmückten, fiel zeitlich bemerkenswerterweise in etwa mit den ersten Arbeiten der Monty Phyton-Gruppe zusammen und daran anschliessend bildete wohl das naiv-verrückte Moment im Kosmos der Incredible String Band den wichtigsten Einfluss für das irische Trio.
Doch waren Pawle, Booth und Goulding dabei keineswegs nur Incredible String Band Fans und Epigonen, sondern befanden sich mit dem erfolgreichen Duo künstlerisch durchaus auf Augenhöhe. Pawle war zudem eng mit Robin Williamson befreundet, die beiden wohnten einige Zeit zusammen in einer Kommune in Wales und der geistige Austausch mag dabei nicht unwesentlich gewesen sein. So war es auch Williamson, der seinen Produzenten John Boyd als erstes auf die Band aufmerksam machte, der daraufhin nach Irland reiste, um sich einen Auftritt von Dr. Strangely Strange anzusehen. Nach anfänglichem Zögern verschaffte Boyd den Iren einen Vertrag mit Island Records und produzierte Anfang 1969 ihr erstes Album. Für die Aufnahmen zog die Band für einige Monate nach London und wohnte dort bei ehemaligen Dubliner Studienfreunden, darunter auch der Schriftsteller und Filmemacher Iain Sinclair, der die Aufnahmen und den Londonaufenthalt auf Film dokumentierte. Das diesbezügliche Bildmaterial wurde erst Jahrzehnte später erstmalig veröffentlicht. Ebenfalls während der Zeit in London spielte Ivan, der auch später immer ein Mitglied der Incredible String Band Familie geblieben ist, noch den Klavier- und Orgelpart für deren fünftes Album "Changing Horses" ein.
Schon der erste Song auf "Kip Of The Serenes", das eigenartig idyllische "Strangely Strange But Oddly Normal", mit dem hymnischen Kehrreim, der nicht mehr wiederkehrt, deutete darauf hin, dass Dr. Strangely Strange in gewisser Weise auf einem anderen Stern musizierten und dichteten. Vor allem dichten, denn ihre Songtexte wirkten wie seltsam poetische Gebilde, die sich fast ausschliesslich aus ironischen Anspielungen auf ihre Umgebung, sowie aus literarischen und pseudo-literarischen Allegorien zusammensetzten und kaum einer nachvollziehbaren Logik folgten. Oft wurden dabei surreale Figurenkonstellationen mit schrägen Charakteren wie 'Catman the Minotaur' oder 'Projectionist Zhivago' aufgebaut, aber manchmal war es auch einfach nur der schöne fliessende Klang der Worte, der zählte: "Mistress Mouse and Mr. Puppup sit outside before the door, the younger son's in Jerusalem reporting on the war, and three blind master plumbers have just got back from the moon, and Harvey and the Greaseband are singing words which have no tune". Herrlich. Musikalisch untermalten sie diesen ästhetischen Nonsens mit auffällig traditionellen Mitteln: Mit mehrstimmigem Gesang, sanft gezupften Akustikgitarren, keltischen Flöten, ein paar Klavier-Versatzstücken, nur wenig Perkussion, dafür umso grösseren und himmlischen Orgelflächen. Fast überraschend schien es dabei, dass Dr. Strangely Strange bei all ihrer Verschrobenheit und Schräglage einen unglaublich subtiles Gespür für Melodien besassen und dies sogar so sehr, dass die Songs der befreundeten Incredible String Band demgegenüber doch nur dilettantisch und beinahe unmusikalisch wirkten.
Vielleicht lag es nicht zuletzt an dem Produzenten John Boyd, dass Dr. Strangely Strange damals mit ihrem Debütalbum dem eigentümlichen Kosmos der Incredible String Band näher als jede andere psychedelische Musikkommune kamen. Doch fehlte auf "Kip Of The Serenes" nahezu gänzlich der esoterische, hippie-religiöse Unterton, der auf den Spätsechziger Alben der Incredible String Band immer eine beachtlich grosse Rolle spielte. Stattdessen war es eher ein äusserst reflektierter, beinahe schon poetologischer Tonfall, der auf dem Album der Iren zu vernehmen war. In dieser Hinsicht waren Pawle, Booth und Goulding klassische l'art pour l'art Künstler, in den Songs ging es eben vor allem nur darum, über das Songschreiben zu schreiben. Die vielen ironisch-parodistischen Züge, oftmals ein unterdrücktes Lachen beim Singen, Kommentare aus dem Off und die im Grunde asignifikante Parallelwelt, die in den Texten konstruiert wurde, liessen "Kip Of The Serenes" am ehesten wie eine experimentelle Theaterinszenierung erscheinen, die sich dramatisch auf fünfzig Minuten auswälzte, von denen keine einzige unsinnig vergeudet war.
Ende 1969 erschien der repräsentative Song "Strangely Strange But Oddly Normal auf dem Low Budget Sampler "Nice Enough To Eat", der sich natürlich weitaus besser verkaufte als das Album. Durch den Sampler zumindest innerhalb Englands zu einiger Popularität gelangt, musste sich die Band auf einen ermüdend langen Tourplan einlassen. Nur kurze Zeit später wurde das zweite Album "Heavy Petting", wiederum in Zusammenarbeit mit John Boyd, eingespielt. Dieses zweite Werk war insgesamt eine hörenswerte, aber deutlich konventionellere Folk Rock Angelegenheit, die nachwievor für manch ungestüme Kapriolen gut war, aber letztendlich nicht die so charakteristische Atmosphäre des Vorgängers präsentierte, weil die Band hier eher ernsthaft und seriös wirken sollte. Gary Moore leistete sich auf dem Stück "Sign On My Mind" ein langes, verträumtes Gitarrensolo, an das man sich auch heute noch gerne erinnert und wer sonst als Fairport Convention Schlagzeuger Dave Mattacks sorgte dazu zum ersten Mal für etwas Rhythmus in der Musik von Dr. Strangely Strange. Die Platte "Heavy Petting" wirkte ausgereifter, weniger humoresk, dafür ernsthafter und mit einer wesentlich weniger stark ausgeprägten folkigen Grundausrichtung. Vielmehr versuchte sich die Band innerhalb der veränderten Landschaft der Folkmusik mit gezielten Rock-Tupfern Eigenständigkeit zu verschaffen, was ihr auch durchwegs gelang.
Besonders in leicht mystisch wirkenden Stücken wie zum Beispiel dem bereits erwähnten überlangen "Sign On My Mind" war die Entwicklung in Richtung Rockmusik deutlich spürbar. Dieser Titel wurde angereichert durch dieses wundervolle Gitarrensolo des bis dahin noch praktisch unbekannten jungen Gitarristen Gary Moore, der mit seinem bluesigen Spiel dem Stück eine prächtige Erdung verpasste. Songtitel wie "Ballad Of The Wasps", "Give My Love An Apple" oder "Mary Malone Of Moscow" verrieten auch ansprechende Lyrik, welche wiederum ein typisches Stilmerkmal der damaligen Folkmusik darstellte. Nach diesem zweiten und hervorragenden Album fiel das Trio auseinander, Tim Goulding wurde praktizierendere Buddhist und Kunstmaler, während sich Tim Booth der Schauspielerei zuwandte und schliesslich animierte Filme produzierte. Ueber Ivan Bawle's weitere Aktivitäten ist indes nichts bekannt. Das Album "Heavy Petting" geriet aufgrund seiner sogenannten 'Die Cut'-Aufmachung zum mehrfachen Ausklappen der Plattenhülle besonders in Sammlerkreisen zum Kultobjekt der Begierde. Für die originale Vinyl-Ausgabe in Top-Zustand werden inzwischen vierstellige Beträge hingeblättert.
Im Mai 1972 war das Trio dann wieder vereint und gab eine Reihe von Konzerten quer durch Irland. In den nächsten zwanzig, dreissig Jahren arbeiteten die Drei, ab 1980 unter Mithilfe von Joe Thoma, immer mal für kleinere Projekte zusammen. 1998 erschien das kaum wahrgenommene dritte Album "Alternative Medicine" in Eigenregie und als das kleine Plattenlabel Hux Records später eine Sammlung von bisher unveröffentlichtem Material von den 69er und 70er Aufnahmesessions unter dem Namen "Halcyon Days" veröffentlichte, steuerten die drei inzwischen älteren Herren wiederum drei neue Stücke bei. Das Abenteuer von Dr. Strangely Strange blieb danach längst noch nicht abgeschlossen und wurde mit gelegentlichen Auftritten immer wieder mal fortgesetzt.
Dr. Strangely Strange waren in erster Linie ein Kind der Dubliner Hippie- und Beatkultur. Tim Booth und Ivan Pawle kannten sich von ihrer Zeit am Trinity College, wo Booth bereits in die lokale Folkszene involviert und an der Gründung des universitätseigenen Folkclubs beteiligt war, während Pawle in der Rhythm & Blues Band The Vampires spielte. Booth war ausserdem ausgebildeter Graphikdesigner und zeichnete eher aus Spass gelegentlich kleinere Comic-Strips, zum Beispiel über die fiktive Band The Mighty Cretins, wohl eine bissige Kontrafaktur der irischen Mighty Avon Showband. Aus einer ganz sicher furchtbar intellektuellen Faszination für die Comics des Marvel-Universums heraus, wählte sich die Band den Helden Dr. Strange als Namenspatron, dessen Abenteuergeschichten immer unheimlich surreal und mystisch inszeniert waren. Zunächst mit Humphrey Weightman, dann mit Brian Trench, die beide jeweils nach kurzer Zeit die Band wieder verliessen, traten Dr. Strangely Strange seit 1967 in nahezu allen gängigen Dubliner Folkclubs und Pubs auf, in denen sie aufgrund ihrer eigenwillig verschrobenen Attitüde und einem leichten Hang zu den gerade in Mode kommenden psychedelischen Klängen aus dem Ausland, nicht gerade Stürme der Begeisterung auslösten, wenngleich sie für die Beatniks und Hippies der Stadt dadurch schnell zu Leitfiguren wurden. Erst spät lernten Tim und Ivan den in England aufgewachsenen Maler und Organisten Tim Goulding kennen, als sich herumgesprochen hatte, dass dieser im Besitz eines Harmoniums sei und da die beiden Musiker ein solches Instrument unbedingt in ihre Kompositionen zu integrieren gedachten, rekrutierte die Band kurzerhand ihren zweiten Tim, der ihr nahezu bis ans Ende ihrer Tage die Treue hielt. Gouldings unhandliches Instrument wurde nun zu Auftritten allwöchentlich durch ganz Dublin und später quer durch Europa geschleppt und trug abgesehen von seinem mühseligen Transport nicht unwesentlich zu dem charakteristisch überweltlichen Sound der ersten LP "Kip Of The Serenes" bei.
Das Trio wurde zu dieser Zeit zum dicht umgarnten Künstler Bohème Mittelpunkt der Dubliner Szene, die in zwei als Orphanages, also Waisenhäuser bekannten Kommunen zuhause war. Dr. Strangely Strange wohnten nicht nur in diesen Häusern, sondern waren gewissermassen auch die Initiatoren der Orphanages, die hauptsächlich als Treffpunkt zahlreicher alternativer Musiker und Künstler fungierten. Besonders Phil Lynott und der noch junge Gary Moore, der sich später als Gitarrist an den Aufnahmen zum zweiten Dr. Strangely Strange "Heavy Petting" mit einem beeindruckenden Gastbeitrag beteiligte, waren häufig in diesem Dunstkreis zugegen, als sie beide noch in der Band Skid Row spielten und einige Jahre bevor sie die so erfolgreiche Rockgruppe Thin Lizzy gründeten. Aber auch Mitglieder der frühen irischen Folkband Sweeney's Men, die Anfang der 70er Jahre viel mit Anne Briggs zusammenarbeiteten und danach in Bands wie Steeleye Span und Spooky Tooth bekannt wurden, waren gern gesehene Gäste in den Orphanages. Anders als ein Grossteil der jungen psychedelischen Folkbands aus England, die spätestens seit 1968 wortwörtlich wie Pilze aus dem Boden schossen, waren die drei Dr. Strangely Strange Protagonisten schon etwas älter, hatten ihr Studium oder ihre Ausbildung bereits hinter sich und konnten sich in ihrer Musik nun richtig intellektuell und pseudo-philosophisch austoben, ohne dabei allzu grossen Jugend-Illusionen anzuhängen. Die zuweilen groteske und surrealistische Komik, mit der sie ihre Songs ausschmückten, fiel zeitlich bemerkenswerterweise in etwa mit den ersten Arbeiten der Monty Phyton-Gruppe zusammen und daran anschliessend bildete wohl das naiv-verrückte Moment im Kosmos der Incredible String Band den wichtigsten Einfluss für das irische Trio.
Doch waren Pawle, Booth und Goulding dabei keineswegs nur Incredible String Band Fans und Epigonen, sondern befanden sich mit dem erfolgreichen Duo künstlerisch durchaus auf Augenhöhe. Pawle war zudem eng mit Robin Williamson befreundet, die beiden wohnten einige Zeit zusammen in einer Kommune in Wales und der geistige Austausch mag dabei nicht unwesentlich gewesen sein. So war es auch Williamson, der seinen Produzenten John Boyd als erstes auf die Band aufmerksam machte, der daraufhin nach Irland reiste, um sich einen Auftritt von Dr. Strangely Strange anzusehen. Nach anfänglichem Zögern verschaffte Boyd den Iren einen Vertrag mit Island Records und produzierte Anfang 1969 ihr erstes Album. Für die Aufnahmen zog die Band für einige Monate nach London und wohnte dort bei ehemaligen Dubliner Studienfreunden, darunter auch der Schriftsteller und Filmemacher Iain Sinclair, der die Aufnahmen und den Londonaufenthalt auf Film dokumentierte. Das diesbezügliche Bildmaterial wurde erst Jahrzehnte später erstmalig veröffentlicht. Ebenfalls während der Zeit in London spielte Ivan, der auch später immer ein Mitglied der Incredible String Band Familie geblieben ist, noch den Klavier- und Orgelpart für deren fünftes Album "Changing Horses" ein.
Schon der erste Song auf "Kip Of The Serenes", das eigenartig idyllische "Strangely Strange But Oddly Normal", mit dem hymnischen Kehrreim, der nicht mehr wiederkehrt, deutete darauf hin, dass Dr. Strangely Strange in gewisser Weise auf einem anderen Stern musizierten und dichteten. Vor allem dichten, denn ihre Songtexte wirkten wie seltsam poetische Gebilde, die sich fast ausschliesslich aus ironischen Anspielungen auf ihre Umgebung, sowie aus literarischen und pseudo-literarischen Allegorien zusammensetzten und kaum einer nachvollziehbaren Logik folgten. Oft wurden dabei surreale Figurenkonstellationen mit schrägen Charakteren wie 'Catman the Minotaur' oder 'Projectionist Zhivago' aufgebaut, aber manchmal war es auch einfach nur der schöne fliessende Klang der Worte, der zählte: "Mistress Mouse and Mr. Puppup sit outside before the door, the younger son's in Jerusalem reporting on the war, and three blind master plumbers have just got back from the moon, and Harvey and the Greaseband are singing words which have no tune". Herrlich. Musikalisch untermalten sie diesen ästhetischen Nonsens mit auffällig traditionellen Mitteln: Mit mehrstimmigem Gesang, sanft gezupften Akustikgitarren, keltischen Flöten, ein paar Klavier-Versatzstücken, nur wenig Perkussion, dafür umso grösseren und himmlischen Orgelflächen. Fast überraschend schien es dabei, dass Dr. Strangely Strange bei all ihrer Verschrobenheit und Schräglage einen unglaublich subtiles Gespür für Melodien besassen und dies sogar so sehr, dass die Songs der befreundeten Incredible String Band demgegenüber doch nur dilettantisch und beinahe unmusikalisch wirkten.
Vielleicht lag es nicht zuletzt an dem Produzenten John Boyd, dass Dr. Strangely Strange damals mit ihrem Debütalbum dem eigentümlichen Kosmos der Incredible String Band näher als jede andere psychedelische Musikkommune kamen. Doch fehlte auf "Kip Of The Serenes" nahezu gänzlich der esoterische, hippie-religiöse Unterton, der auf den Spätsechziger Alben der Incredible String Band immer eine beachtlich grosse Rolle spielte. Stattdessen war es eher ein äusserst reflektierter, beinahe schon poetologischer Tonfall, der auf dem Album der Iren zu vernehmen war. In dieser Hinsicht waren Pawle, Booth und Goulding klassische l'art pour l'art Künstler, in den Songs ging es eben vor allem nur darum, über das Songschreiben zu schreiben. Die vielen ironisch-parodistischen Züge, oftmals ein unterdrücktes Lachen beim Singen, Kommentare aus dem Off und die im Grunde asignifikante Parallelwelt, die in den Texten konstruiert wurde, liessen "Kip Of The Serenes" am ehesten wie eine experimentelle Theaterinszenierung erscheinen, die sich dramatisch auf fünfzig Minuten auswälzte, von denen keine einzige unsinnig vergeudet war.
Ende 1969 erschien der repräsentative Song "Strangely Strange But Oddly Normal auf dem Low Budget Sampler "Nice Enough To Eat", der sich natürlich weitaus besser verkaufte als das Album. Durch den Sampler zumindest innerhalb Englands zu einiger Popularität gelangt, musste sich die Band auf einen ermüdend langen Tourplan einlassen. Nur kurze Zeit später wurde das zweite Album "Heavy Petting", wiederum in Zusammenarbeit mit John Boyd, eingespielt. Dieses zweite Werk war insgesamt eine hörenswerte, aber deutlich konventionellere Folk Rock Angelegenheit, die nachwievor für manch ungestüme Kapriolen gut war, aber letztendlich nicht die so charakteristische Atmosphäre des Vorgängers präsentierte, weil die Band hier eher ernsthaft und seriös wirken sollte. Gary Moore leistete sich auf dem Stück "Sign On My Mind" ein langes, verträumtes Gitarrensolo, an das man sich auch heute noch gerne erinnert und wer sonst als Fairport Convention Schlagzeuger Dave Mattacks sorgte dazu zum ersten Mal für etwas Rhythmus in der Musik von Dr. Strangely Strange. Die Platte "Heavy Petting" wirkte ausgereifter, weniger humoresk, dafür ernsthafter und mit einer wesentlich weniger stark ausgeprägten folkigen Grundausrichtung. Vielmehr versuchte sich die Band innerhalb der veränderten Landschaft der Folkmusik mit gezielten Rock-Tupfern Eigenständigkeit zu verschaffen, was ihr auch durchwegs gelang.
Besonders in leicht mystisch wirkenden Stücken wie zum Beispiel dem bereits erwähnten überlangen "Sign On My Mind" war die Entwicklung in Richtung Rockmusik deutlich spürbar. Dieser Titel wurde angereichert durch dieses wundervolle Gitarrensolo des bis dahin noch praktisch unbekannten jungen Gitarristen Gary Moore, der mit seinem bluesigen Spiel dem Stück eine prächtige Erdung verpasste. Songtitel wie "Ballad Of The Wasps", "Give My Love An Apple" oder "Mary Malone Of Moscow" verrieten auch ansprechende Lyrik, welche wiederum ein typisches Stilmerkmal der damaligen Folkmusik darstellte. Nach diesem zweiten und hervorragenden Album fiel das Trio auseinander, Tim Goulding wurde praktizierendere Buddhist und Kunstmaler, während sich Tim Booth der Schauspielerei zuwandte und schliesslich animierte Filme produzierte. Ueber Ivan Bawle's weitere Aktivitäten ist indes nichts bekannt. Das Album "Heavy Petting" geriet aufgrund seiner sogenannten 'Die Cut'-Aufmachung zum mehrfachen Ausklappen der Plattenhülle besonders in Sammlerkreisen zum Kultobjekt der Begierde. Für die originale Vinyl-Ausgabe in Top-Zustand werden inzwischen vierstellige Beträge hingeblättert.
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Re: Dr. Strangely Strange • Heavy Petting (1970)
Steht auch hier, nur leider noch ganz alleine.
Tschüß
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Re: Dr. Strangely Strange • Heavy Petting (1970)
Du meinst, weil Du sonst keine von Dr. Strangely Strange hast ? Dann geht's Dir genauso wie mir. Ich war immer enttäuscht von ihren anderen Alben. "Kip Of The Serenes", der direkte Vorgänger von "Heavy Petting" war ja noch auf dem Islan dLabel rausgekommen und klang noch sehr nach 60's Hippie-Psychedelic Pop, der mir ehrlich gesagt - bei allem Humor, den die Band zweifellos hatte - nicht wirklich gut gefallen hat. Dagegen war die "Heavy Petting" schon ein enormer Fortschritt. Fast 30 Jahre später versuchten sie's dann ja nochmal mit der Comeback CD "Alternative Medicine" wieder mit Gary Moore als Gast (der wohl für Verkaufszahlen sorgen sollte, was aber nicht gelang) und auch die nochmal 10 Jahre später veröffentlichte CD gefiel mir nicht. Die hatte ich mir extra gekauft ("Halcyon Days"), aber bald wieder aussortiert.
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Re: Dr. Strangely Strange • Heavy Petting (1970)
OK, reicht die ja doch & alles ist wieder gut!
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Re: Dr. Strangely Strange • Heavy Petting (1970)
Geschafft, endlich diesen, zwar höchst interessanten, aber doch schwierigen Text zu lesen, yippie!Vertigo hat geschrieben: ↑Di 11. Apr 2023, 14:28Du meinst, weil Du sonst keine von Dr. Strangely Strange hast ? Dann geht's Dir genauso wie mir. Ich war immer enttäuscht von ihren anderen Alben. "Kip Of The Serenes", der direkte Vorgänger von "Heavy Petting" war ja noch auf dem Islan dLabel rausgekommen und klang noch sehr nach 60's Hippie-Psychedelic Pop, der mir ehrlich gesagt - bei allem Humor, den die Band zweifellos hatte - nicht wirklich gut gefallen hat. Dagegen war die "Heavy Petting" schon ein enormer Fortschritt. Fast 30 Jahre später versuchten sie's dann ja nochmal mit der Comeback CD "Alternative Medicine" wieder mit Gary Moore als Gast (der wohl für Verkaufszahlen sorgen sollte, was aber nicht gelang) und auch die nochmal 10 Jahre später veröffentlichte CD gefiel mir nicht. Die hatte ich mir extra gekauft ("Halcyon Days"), aber bald wieder aussortiert.
OK, eben Gary Moore hatte bei mir damals den Stein in*s rollen gebracht, der zu diesen Album führte.
Natürlich nur die billig Version, ohne Angaben, sodas ich immer auf dem Cover suchte, wer den Gary sein sollte!
Nun ist endlich auch dieses Geheimniß gelüftet & ich kann endlich dieses Album genießen, THX!
Tschüß
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Re: Dr. Strangely Strange • Heavy Petting (1970)
Hm, liegt wie Blei bei mir im Regal.
Hab die Gimix CD von Repertoire, sehr schön gemacht.
Aber bei der Musik stört mich oft der verschlafene Gesang und die langsamen Tempi.
Irgendwie ist mir das zu kauzig, obwohl die Schrägheit auch was hat.
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Re: Dr. Strangely Strange • Heavy Petting (1970)
Ich habe auch mehrmals geschluckt, als ich sie hörte!
Jetzt weiß ich wieder, warum die so lange nicht lief.
Tschüß
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Re: Dr. Strangely Strange • Heavy Petting (1970)
ehrlich gesagt, ich erinnere mich jetzt gar nicht, wie du zur ISB stehst... ähnlich oder war es mit denen besser?
mir fehlen die dr. strangely strange scheiben leider noch.
alles wird gut! äh... pardon, ich meine natürlich SCHLECHT!
DIE grosse lebensweisheit, die ich auch teile: https://up.picr.de/48558304js.jpg
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Re: Dr. Strangely Strange • Heavy Petting (1970)
Ist meines Erachtens ein ganz anderes Kaliber.Waldi von Düülingen hat geschrieben: ↑Mi 12. Apr 2023, 11:31ehrlich gesagt, ich erinnere mich jetzt gar nicht, wie du zur ISB stehst... ähnlich oder war es mit denen besser?
mir fehlen die dr. strangely strange scheiben leider noch.
Zwar prinzipiell nicht mein Stil aber die ISB waren schon große Meister.