[REVIEW] SAVOY BROWN • Hellbound Train (1972)
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[REVIEW] SAVOY BROWN • Hellbound Train (1972)
"Hellbound Train" war das achte Studioalbum von Kim Simmonds und seiner Band Savoy Brown. Es folgte dem bereits zuvor mit dem Vorgängerwerk "Street Corner Talking" eingeschlagenen Weg und baute auf Pop- und Rock-Elemente im ursprünglichen Bluesrock und war damit überraschenderweise sehr erfolgreich, insbesondere in den Vereinigten Staaten. Anfang 1972 begab sich die Band erneut ins Tonstudio, nachdem die LP "Street Corner Talking" ebenso wie die daraus ausgekoppelte Single "Tell Mama" (mit der Rückseite "Let It Rock") unerwartet grosse Resonanz gefunden hatte und sich sowohl die Single wie auch die LP ausserordentlich gut verkaufen konnten. Mit der Single "Tell Mama" schafften Kim Simmonds und seine Mitmusiker einen veritablen Rang 83 in den amerikanischen Billboard Charts. Motiviert und mit vielen neuen Ideen und insbesondere hervorragendem Songmaterial spielten Savoy Brown insgesamt sieben neue Songs ein, von denen alle aus der eigenen Feder von Kim Simmonds, Andy Silvester und Paul Raymond stammten, nachdem die Gruppe noch für den Vorgänger immerhin zwei Fremdkompositionen aufgenommen hatte. Dies zeugte vor allem auch von einem grossen Selbstvertrauen in die eigenen Kompositions-Stärken und der nachfolgende Erfolg sollte der Band diesbezüglich auch recht geben.
"Hellbound Train" wurde zum grössten Erfolg der Gruppe in den Vereinigten Staaten, aber auch in Europa konnte das Album gute Verkaufszahlen generieren. Der Pop-Appeal half der Band dabei auf jeden Fall, denn Songs wie "Doin' Fine" oder "Troubled By These Days And Times" waren inzwischen ziemlich weit vom traditionellen, britisch gefärbten Bluesrock früherer Tage entfernt. Das Album "Hellbound Train" wurde wieder wie sein Vorgänger von Neil Slaven produziert, aufgenommen in den Trident Studios in London und eingespielt von Roy Thomas Baker, der sich später mit seiner Studioarbeit für die Hardrock Band Queen profilieren konnte. Das Besondere an den neuen Songs war, dass sie perfekt auf die Stimme von Dave Walker ausgelegt waren. Dessen Gesangsstil umfasste nicht nur den verrauchten Blues, sondern auch den leicht theatralischen Mol-Blues und die Lässigkeit positiv wirkender Poprock-Nummern.
"Doin' Fine", von Kim Simmonds komponiert, dürfte hier das beste Beispiel dafür sein. Nicht ohne Grund wurde dieses Stück an den Anfang des Albums gestellt. Das Titelstück "Hellbound Train" indes war ein wahres Rockmonster. An sich eine relativ monotone Komposition, erfuhr das Stück in dessen Verlauf eine kontinuierliche Steigerung der Spannung, bis es in einem chaotischen Lärm einfach abgewürgt wurde. Es gibt einige Veröffentlichungsvarianten, bei denen dieses Stück ausgeblendet (faded out) wurde, im Original jedoch wurde es abrupt mitten im Spiel gekappt. Inhaltlich folgte das Stück "Hellbound Train" den Eindrücken, welche Kim Simmonds vom Vietnam-Krieg verstanden hatte und sollte eine Art akustische Gewaltspirale inszenieren, die sich immer schneller und unkontrollierter dreht und schliesslich als Detonation ohne jede Vorwarnung zur absoluten Stille führt. Etwas anderes ist ja der Tod auch nicht. Von daher war das abrupte Ende des Songs nachvollziehbar.
Betrachtet man die stilistische Bandbreite der anderen Songs auf dem Album, so kann man durchaus sagen, dass "Hellbound Train" eines der vielseitigsten Werke der Band war, und offensichtlich auch ein Album, das sträflich unterbewertet wurde, trotz des ansprechenden Erfolges. "Hellbound Train" präsentierte einige der stärksten und atmosphärischsten Songs der Gruppe überhaupt. Neben dem recht souligen und sehr lockeren Mol Blues-Titel "Lost And Lonely Child" waren das vor allem die sehr starken Nummern "Troubled By These Days And Times" mit seinem unterschwelligen Gospel-Flair, einem musikalischen Ausdruck, den die Band zuvor nie gezeigt hatte, sowie der kernige Rocker "If I Could See An End", der die Gruppe geerdet wie selten zuvor präsentierte. Einige der Titel auf dem Album waren sehr orgeldominant. Paul Raymond war als Co-Autor einiger Titel auch verantwortlich für die relativ starke Keyboard-Akzentuierung einiger Stücke. Insbesondere seine Komposition "Troubled By These Days And Times" trug diese markante Orgel-Handschrift, doch auch im Stück "It'll Make You Happy", von Kim Simmonds geschrieben, spielte er eine sehr dominante Hammond Orgel. Auch Kim Simmonds' Blues "Lost And Lonely Child" verdankte viel von seiner Atmosphäre den warmen Orgelsounds von Paul Raymond.
David Anstey's psychedelisches Plattencover-Design unterstrich die Kraft und Vielseitigkeit der Songs noch zusätzlich durch seine Comic Art und passte wie die Faust aufs Auge zum Titelstück. Auch im Inner Sleeve der ausklappbaren Original-LP war ein Comic von David Anstey zu sehen, quasi die Comic-Geschichte zum Song "Hellbound Train": Gargoyles, Ghouls und Dämonen umranken einen Zug auf seiner Fahrt auf dem unaufhaltsamen Ritt in die Hölle. Das Album "Hellbound Train" bescherte der Band in den USA eine Goldene Schallplatte. Das Werk enterte am 18. März 1972 die Billboard Charts, stieg bis auf Rang 34 und hielt sich während 21 Wochen in den Charts. Damit war "Hellbound Train" das erfolgreichste Album der Gruppe und sollte es auch bleiben, denn diesen Erfolg konnten Savoy Brown später nicht mehr wiederholen. Das Titelstück wurde Jahre später von der Band Love & Rockets unter dem abgeänderten Titel "Bound For Hell" adaptiert. Dass die Band Savoy Brown mit ihren Alben "Street Corner Talking" und "Hellbound Train" insbesondere in den Vereinigten Staaten so erfolgreich war, hatte sie ein gutes Stück weit auch Rod Stewart und dessen Band The Faces zu verdanken, welche Kim Simmonds und seine Mannen auf Konzerten mitnahm und ihre Popularität dadurch steigern konnte.
Die wunderbare Zumutung, selbst denken dürfen zu müssen.
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Re: [REVIEW] SAVOY BROWN • Hellbound Train (1972)
Im Fußball heißt es so schön, nehme keine Wechsel in einem Siegerteam vor. Und dieses geschah auch bei Savoy Brown, denn die Bandbesetzung bestand aus den selben Musikern wie "Street Corner Talking". Der eingeläutete erfrischende Weg wurde nach meinem Empfinden auch auf diesem Album fortgesetzt. Die Songs sind immer noch von Savoy Browns elegantem bluesigen Flair umhüllt. Der alles überstrahlende Longtrack "Hellbound Train" nimmt einen geradezu gefangen, wenn er scheinbar schwerfällig startet und danach immer mehr an Fahrt aufnimmt und den Hörer auf eine neun minütige Reise mitnimmt. Songs wie „Lost and Lonely Child“, „Doin‘ Fine“ und „If I Could See an End“ sind weitere hervorhebenswerte auf diesem Album, die das Gesamtbild bestens abrunden.
Das Album "Hellbound Train" war in den letzten 50 Jahren ein verlässlicher Begleiter in meinem musikalischen Leben und ich schätze mal, daran wird sich auch zukünftig nichts ändern.
Das Album "Hellbound Train" war in den letzten 50 Jahren ein verlässlicher Begleiter in meinem musikalischen Leben und ich schätze mal, daran wird sich auch zukünftig nichts ändern.
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Re: [REVIEW] SAVOY BROWN • Hellbound Train (1972)
Endlich sind wir bei der Scheibe angekommen die ich auch habe.
Die Hauptstütze des Albums ist natürlich "Hellbound Train", bei dem das Schlagzeug und der Bass einen Raiload-Rhythmus vorgeben.
Nach etwa der Hälfte des Stücks übernimmt die Orgel die Führung, und dann nimmt der Song richtig Fahrt auf, wobei Simmonds Leadgesang das Gehirn in Beschlag nimmt und nicht mehr loslässt.
Das ist eines der früheren Alben der 70er Jahre, dass man sich anhören sollte, wenn man den Bluesrock mag.
Die Hauptstütze des Albums ist natürlich "Hellbound Train", bei dem das Schlagzeug und der Bass einen Raiload-Rhythmus vorgeben.
Nach etwa der Hälfte des Stücks übernimmt die Orgel die Führung, und dann nimmt der Song richtig Fahrt auf, wobei Simmonds Leadgesang das Gehirn in Beschlag nimmt und nicht mehr loslässt.
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Re: [REVIEW] SAVOY BROWN • Hellbound Train (1972)
Der Leadsänger ist Dave Walker, nicht Kim Simmonds. Ich hielt Dave Walker immer für mindestens so gut wie Chris Youlden, seine rauchige Stimme ist einfach top. Kim Simmonds selbst sang nur ganz selten mal, später jedoch sehr viel mehr, als sich Savoy Brown zu einem eigentlichen Kim Simmonds-Ding entwickelten. Das gab dann schon manchmal ziemlich negative Kritik, denn ein guter Sänger war Kim Simmonds nie. Doch dazu später mehr.BRAIN hat geschrieben: ↑Mo 30. Okt 2023, 22:08 Endlich sind wir bei der Scheibe angekommen die ich auch habe.
Die Hauptstütze des Albums ist natürlich "Hellbound Train", bei dem das Schlagzeug und der Bass einen Raiload-Rhythmus vorgeben.
Nach etwa der Hälfte des Stücks übernimmt die Orgel die Führung, und dann nimmt der Song richtig Fahrt auf, wobei Simmonds Leadgesang das Gehirn in Beschlag nimmt und nicht mehr loslässt.
Das ist eines der früheren Alben der 70er Jahre, dass man sich anhören sollte, wenn man den Bluesrock mag.
Es gab noch einen Sänger bei Savoy Brown, den ich persönlich fürchterlich fand: Miller Anderson. Gottseidank sang er nur auf einem einzigen Album, auch hierzu später noch mehr.
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