[REVIEW] Neil • The Heavy Concept Album (1984)
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[REVIEW] Neil • The Heavy Concept Album (1984)
Die von Frank Zappa schelmisch, provokativ und vielleicht auch ketzerisch in einem Albumtitel gestellte Frage "Does Humor Belong In Music" findet bis heute immer wieder seinen Weg zu teils kontrovers geführten Diskussionen, wonach die generelle Frage, ob Musik grundsätzlich etwas Ernsthaftes sein muss, um als seriös angesehen zu werden, oder ob Schalk, Derbheit oder offene Satire an sich durchaus auch als ernstzunehmender Bestandteil eines musikalischen Gesamtkonzepts verstanden werden kann, ohne dass dabei automatisch ein künstlerisches Werk herabgewürdigt wird. Wer würde zum Beispiel auf die Idee kommen, die Musik der legendären Monkees als Nonsens zu klassifizieren, indem er lediglich die humoristische Komponente als alleinigen künstlerischen Wert in den zu beurteilenden Fokus stellen würde ? Oder was wäre mit der feinsinnigen Satire eines Randy Newman ? Die Verwendung von Elementen des Humors, der Satire bis zum Nonsens ist letztlich auch in der populären Musik legitim und sollte daher - gerade auch im popgeschichtlichen Konsens - nicht bloss als niedere Unterhaltung von eingeschränktem kreativem Wert verpönt werden. Etwas ketzerisch könnte man mutmassen, dass eine humoristische Komponente in der Populärmusik äquivalent zum Intellekt eines Künstlers steht, denn vielmals kennen nur geistlose Menschen keinen Humor, oder ? Dass es Bands, Musiker und entsprechende Platten gibt, über die man lachen kann, sie aber trotzdem als künstlerisch wertvolle und seriöse Unterhaltung begreift, beweisen zum Beispiel Gruppen wie die Bonzo Dog Doo Dah Band oder die britische Comedytruppe Monty Phyton, die mit ihren Plattenveröffentlichungen viele Käufer begeisterten. Es gab beispielsweise in den USA einen Musiker namens Ray Stevens, der im Grunde nicht wirklich als Komödiant wahrgenommen wurde, der aber mit einer humoristischen Nummer bis auf Platz 1 der Charts emporschoss ("The Streak"), in welcher er die in den 70er Jahren eine zeitlang weitverbreitete Angewohnheit einiger Menschen besang, die hierzulande gemeinhin als "flitzen" bekannt war: Splitternackt über ein Fussballfeld zu rennen, oder auch mitten auf einer belebten Strasse, vornehmlich um die Menschen zu belustigen und weniger, um einem exhibitionistischen Trieb zu folgen. Der Song wurde zu Ray Stevens' grösstem Hit, weshalb er die humoristische Komponente bei all seinen weiteren musikalischen Projekten stets mit einbaute. Humor bietet also langfristig betrachtet auch eine grosse Nachhaltigkeit: Platten, die uns zum lachen bringen, legen wir uns vielleicht öfters auf als Platten, die uns betrüblich stimmen. Eigentlich eine schöne Ueberlegung.
Neil's "Heavy Concept Album" ist ein solch humoristisches Album, das allerdings künstlerisch und musikalisch dermassen perfekt umgesetzt worden ist, dass es einem schwerfällt, das Werk noch als Comedy im klassischen Sinne zu bewerten. Hinter Neil verbirgt sich der Brite Nigel Planer, ein 1953 in London geborener Schauspieler, Comedian, Theaterautor und Novelist, der eine äusserst seriöse Ausbildung an der University Of Sussex und der London Academy Of Music And Dramatic Art genoss. Er trat ausserdem in vielen Musicals auf, so war er etwa in den Aufführungen von "Evita", "We Will Rock You" oder "Charlie And The Chocolate Factory" zu sehen. Neben seinen ernsthaften Rollen spielte Planer aber auch schon früh gerne und oft und auch recht erfolgreich in der Sparte Comedy, dabei agierte er alleine, aber auch zu zweit oder in einem ganzen Team. Das Erfolgreichste dieser Teams etablierte sich als The Young Ones und feierte in der gleichnamigen BBC Comedy-Sendung grosse Erfolge. Dieser Erfolg hat das weitere Schaffen des Künstlers nachhaltig beeinflusst: Er begann, Nonsens-Schriften zu verfassen, etwa "Neil's Book Of The Dead", eine Persiflage auf das Tibetanische Totenbuch, das sich ebenso gut verkaufte wie die weiteren Bücher "Faking It" und "The Right Man". Planer arbeitete im weiteren auch - wiederum auf der ernsthaften Seite seinen Schaffens angesiedelt - als Erzähler der von ihm gesprochenen und kommentierten Hörbücher der Scheibenwelt-Romane von Terry Pratchett.
But most of all: Nigel Planer war Neil. Der Hippie mit dem goldenen Herzen, dem alles misslingt, der in die abenteuerlichsten Situationen gerät, dauernd eins auf den Kopf kriegt, dabei immer liebenswürdig verkifft und herzerweichend verwahrlost daherschlurft, dass man ihn einfach in die Arme schliessen will. Die Rolle als langer Lulatsch im verbeulten Trenchcoat verkörperte er bereits erfolgreich in der Comedy-Serie "The Young Ones", und in diese Rolle schlüpfte er auch als Musiker. Die Idee, überhaupt eine Platte aufzunehmen, war dem Umstand geschuldet, dass es damals in England durchaus nicht unüblich war, einer Rock Band als Support Act etwas Amüsantes zur Stimmungsmache voranzustellen. Allan MacGowan, ein Konzertagent, buchte Nigel Planer ab und an für solche Vorprogramme, die Planer dann auch zusammen mit Peter Richardson unter dem Duett-Namen The Outer Limits bestritt. Unter anderem absolvierte das Duo in dieser Eigenschaft einige Konzerte zusammen mit Dexy's Midnight Runners. Nigel Planer solo wiederum trat unter seinem Pseudonym Neil auch als Support Act für Marillion auf. Zu dem Zeitpunkt wurde offen über eine Single mit Marillion verhandelt, jedoch wurde daraus letztlich nichts. Stattdessen kam ein Kontakt mit Dave Stewart zustande. Dieser Allroundkünstler und Perfektionist trug einen klingenden Namen im vereinigten Königreich, denn er spielte schon seit vielen Jahren in der Canterbury-Szene etwa bei The National Health und Hatfield & The North mit, ausserdem war er eines der Gründungsmitglieder der Formation Egg ("The Civil Surface"). Als erste Single wählte Nigel Planer den Traffic-Klassiker "Hole In My Shoe" und spielte ihn mit einer auserlesenen Crew britischer Topmusiker ein. Die Single schlug ein wie eine Bombe: Platz 2 in den englischen Charts, nur übertroffen von Frankie Goes To Hollywood's "Two Tribes", was Nigel Planer sich, ganz britisches Understatement, letztlich überhaupt nicht erklären konnte: "I have absolutely no idea why Neil was a success".
Der unerwartete Erfolg der Single führte schliesslich auch zur Ueberzeugung, dass dieser Hippie Neil unbedingt auch ein Album aufnehmen und veröffentlichen sollte. Warner Brothers gab erneut grünes Licht, und Neil versammelte wiederum exzellente Topmusiker um sich, handverlesen vom umtriebigen Dave Stewart, dem die Idee zugrunde lag, zwar einerseits ein Comedyalbum aufzunehmen, andererseits aber auch qualitativ ein so hohes und perfektes Level zu erreichen, dass die Platte auch musikalisch überzeugen konnte und nicht einfach nur als Spassprojekt durchgehen würde. Dazu holte Stewart für die Aufnahmen als weitere Musikerin die Sängerin und Gitarristin Barbara Gaskin (ehemals bei Spirogyra), mit der er selber schon seit einiger Zeit erfolgreich musizierte. Dazu gesellte sich der Gitarrist Jakko Jakszyk, der mit Dave Stewart zusammen bei der New Wave-Combo Rapid Eye Movement spielte und der später zu King Crimson wechseln sollte. Auch mit von der Partie waren die beiden Schlagzeuger Pip Pyle (Gong, Soft Heap, Hatfield & The North) und Gavin Harrison (Porcupine Tree, Steven Wilson, Blackfield, King Crimson). Als speziellen Rock-Schlagzeuger für eine Black Sabbath-Persiflage ("Lentil Nightmare") verpflichtete er ausserdem den hervorragenden Bryson Graham, den ehemaligen Spooky Tooth-Trommler.
Insbesondere Jakszyk erinnert sich gerne an die Zeit damals: "We were all big fans of the Neil character. You have to remember we were all big fans of "The Young Ones" in general. That show was a really important part of the brave new world of comedy back then. It didn't felt like it was part of the mainstream. It felt like it belonged to us." Nigel Planer verkörperte in seiner Figur als Hippie-Loser Neil einen Archetypus, der in den Hoffnungen, Wünschen und Träumen, ja im Bewusstsein vieler Briten existent war. Man fühlte einfach mit der Figur Neil mit, wenn er wieder mal völlig unschuldig in die unmöglichste Situation geriet, und sich aus einem harmlosen Fauxpas ein Grande Desaster entwickelte, das die halbe Welt aus den Fugen geraten liess. Und so war denn auch sein "Heavy Concept Album" eine Ansammlung unheilvoller Humoresken, die oftmals unschuldig begannen und in einer Art belustigenden Tragik endeten.
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Die wunderbare Zumutung, selbst denken dürfen zu müssen.
Haben ist besser als brauchen.
(Alte Plattensammlerweisheit)
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Re: [REVIEW] Neil • The Heavy Concept Album (1984)
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Neil erklärt zu Beginn des Werks gleich selber, dass er eigentlich den Inhalt seines Werks nicht erklären will. Er möchte also nichts sagen, doch dafür braucht er viele Worte. Er nimmt sich also schon selbst auf die Schippe, bevor er den Zuhörer überhaupt auf sein Werk losgelassen hat. Dazu hat er auch in den Liner Notes der Platte insgesamt drei Anläufe genommen: Es gibt eine Erklärung zur Platte, eine alternative Erklärung zur Platte und eine offizielle Erklärung zur Platte. Kommen tun alle drei aus Neil's eigenem Mund. Die schönsten Auszüge:
The Sleeve Notes:
Right, here it is, my Heavy Concept Album, which has been specially designed to ruin your Christmas, or Birthday or whatever stupid excuse you thought you needed to actually buy this record. Yeah! Right, because I don't recognise the celebration of the western consumerism and the exploitation of the winter solstice or people's personal astrological misfortunes by the capitalistic excesses of the multinationals and the media and anyway it gets really boring because you have to stay in with your parents and there's only old films on the telly and carol singers keep hassling you for bread and you've got to eat lots of horrible nuclear food because your mum and dad'll get really neurotic if you don't behave like an officer in charge of a concentration camp, and anyway everyone probably forgot it was your birthday so you had to buy yourself this record, except for the person who sent you that horrible "now we are two" badge as a spiteful joke to put you down.
The Sleeve Notes again:
The worst warhead ever was Hitler. He used to have submarines in the bath that fired real torpedoes, right, that's why he only had one ball. Anyway there's nothing like that on this record, just loads and loads of beautiful sixties numbers and concepts, and harmonious words and songs like "The Gnome" by Pink Floyd, which was written in 1967 which is sung on this record by Wayne, my rubber plant. Yeah, plantes can dig music too, you know.
The Real Sleeve Notes:
Look, I only did this record because I signed this contract, right, which said like I had to make eighteen records in the next four months or I'd get my goolies chopped off, and you'll probably all think it's lousy anyway because it's got me on it. And I suppose I've got to write out all the names of the horrible straight people who hassled their way onto this record and all the people who like claim to have written the songs and all the rip-off record business people who reckon that they had something to do with making this record. Okay, here we go, the long boring list of all the tracks.
Hello Vegetables!
Wir sind jetzt auf Neil's Album beim ersten Track angelangt. Keine Musik, sondern erstmal eine kurze Vorstellung der Platte, dass die Platte nicht vorgestellt werden sollte, bevor sie überhaupt begonnen hat. Aber da wird gleich so viel Technologie und Kommerz zu hören sein, dass man den Zuhörer da drauf hinweisen sollte, bevor der Wecker schrillt und man wieder in seine schweissigen Schuhe steigt. Willkommen beim Traffic-Klassiker "Hole In My Shoe". Brilliant vorgetragen mit einer verkifften Sitar, absolut authentisch nach der psychedelischen Hippie-Zeit der ausgehenden 60er Jahre klingend, hervorragend gespielt von den fabelhaften Musikern. Neil hat das schon tausendfach gehört, weswegen er sich erstmal auf sein stilles Örtchen zurückgezogen hat. Leider ist die Klospülung verhext und als Neil abzieht, wird er von einem gewaltigen Sog ins Klo gezogen und landet schliesslich an einer dunklen Abzweigung in der Londoner Kanalisation, wo ihm eine grosse und stinkige alte Kartoffel begegnet ("Heavy Potato Encounter"), die ihm erklärt, dass Kartoffeln nicht furzen können, weil Neil sich über den unziemlichen Duft echauffiert. Aus der Ferne erklingt die wundersame Melodie von "My White Bicycle", welche im Original von der britischen Psychedelik Band Tomorrow stammt. Völlig ausser Puste vom vielen Radfahren braucht Neil anschliessend eine Stärkung, und die holt sich der überzeugte Vegetarier ausgerechnet in Form eines Hamburgers, der ihn in ein fleischfressendes Monster verwandelt ("Neil The Barbarian") und ihm grässliche Albträume beschert ("Lentil Nightmare"). Schweissgebadet dieser Nachtmahr entrissen wird Neil durch diesen hässlichen Computer-Radiowecker, den er von seinem Bruder mal zu Weihnachten geschenkt bekommen hat und den er immer schon gehasst hat, weil der ihn immer mit ganz fürchterlicher Musik aus seinen Träumen reisst. Als dieses Ding jetzt auch noch "Hole In My Shoes" spielt, haut ihn Neil mit dem Hammer kaputt. Als Ersatz dient fortan Wayne, Neil's Gummibaum, denn der kann singen. Weil Neil ihm ein wunderschönes Gedicht vorträgt, singt der Gummibaum die Syd Barrett-Nummer "The Gnome", die vom kleinen Gnom Grimble Grumble handelt. Danach wird's Zeit für Drogenmusik. Auf der "Cosmic Jam" mixt Neil einen herrlichen instrumentalen Psychedelik-Cocktail, dessen einziges Manko darin besteht, dass Jemand Erdnussbutter auf die LP gschmiert hat, was die Plattennadel hüpfen und die Musik verschwammen lässt, bevor die ganze Jam vom Mittelloch der LP eingesogen wird.
Die zweite Seite der Platte startet mit einer grossen Ueberraschung: Der Titel "Golf Girl" von Caravan, im Original auf deren 1972er LP "In The Land Of Grey And Pink" zu finden, lässt beinahe vermuten, Neil wolle nun ernsthaft und ohne Schabernack Musik machen. Doch weit gefehlt: Seine Mutter macht ihm einen Strich durch die Rechnung. Sie ruft inmitten der Plattenaufnahme im Studio an, nur um ihm mitzuteilen "This is your Mother speaking, Neil - Get on down!". Mama sieht sowieso alles den Bach runter gehen, und darum singt Neil nun "Bad Karma In The U.K.". Ueberhaupt nimmt die Platte langsam aber sicher den Verlauf eines Untergangs der Welt, wie man sie kennt. So landet Neil nach einer gescheiterten Romanze "Our Tune" im "End Of The World Cabaret", das ihn ins grelle Scheinwerferlicht stellt, was Neil gar nicht behagt. Lieber sinniert er im Hintergrund über "No Future (God Save The Queen)", nicht ohne einen kleinen Seitenhieb in Richtung sexueller Pistolen. Nach soviel latentem Weltschmerz und hoffnungsloser Weltuntergangs-Paranoia wird's Zeit für etwas Lieblichkeit und Schwebezustand ("Floating"). Der "Hurdy Gurdy Man" von Donovan wird rezykliert, erhält im Neil'schen Gewand einen erheblich erhöhten Rock-Anteil, was dem ursprünglichen hippiesken Folkrock-Song von Herrn Leitch eine ganz eigene und absolut tolle Note verleiht. Der Hippe ist quasi in der technologischen Neuzeit angekommen. Im anschliessenden "Paranoia Mix" verwurschtelt Neil einzelne Fragmente aller Songs und Geschichten, die er während der Dauer der LP zum besten gegeben hat, zu einem abschliessenden Grande Infernale. Der die Platte beschliessende "Amoeba Song" warnt noch einmal eindringlich vor diesen kleinen Biestern, die sich gerne in den heimischen Badezimmern einnisten und langsam die gesamte Butze in Beschlag nehmen können, wenn man sie nicht rechtzeitig und gezielt eliminiert. Geschrieben wurde der "Amoeba Song" von Mike Heron, dem Sänger und Multi-Instrumentalist der legendären Incredible String Band, die seinerseits auch Zeit ihres Bestehens öfters mal den Schalk im Nacken hatte.
Wer nach dieser fabelhaften musikalischen "Tour D'Humour" Lust auf mehr bekommen hat, dem sei die Platte der Gruppe BAD NEWS wärmstens mitempfohlen. Dort versuchte sich Nigel Planer als Mitglied einer völlig durchgeknallten Glam Hard Rock Band, die mit ihrer verhunzten und dilettantischen Coverversion von Queen's "Bohemian Rhapsody" deren Gitarrenmeister Brian May dermassen überzeugte, dass dieser gleich selbst mittels Gitarrensolo mithalf, den eigenen Mythos zu versauen. Humor, zumal britischer, ist eben ansteckend bis ganz nach oben in die Haute Volaute der Rockprominenz.
Oh no, what's happenin' ? Must be back in reality again....
Neil erklärt zu Beginn des Werks gleich selber, dass er eigentlich den Inhalt seines Werks nicht erklären will. Er möchte also nichts sagen, doch dafür braucht er viele Worte. Er nimmt sich also schon selbst auf die Schippe, bevor er den Zuhörer überhaupt auf sein Werk losgelassen hat. Dazu hat er auch in den Liner Notes der Platte insgesamt drei Anläufe genommen: Es gibt eine Erklärung zur Platte, eine alternative Erklärung zur Platte und eine offizielle Erklärung zur Platte. Kommen tun alle drei aus Neil's eigenem Mund. Die schönsten Auszüge:
The Sleeve Notes:
Right, here it is, my Heavy Concept Album, which has been specially designed to ruin your Christmas, or Birthday or whatever stupid excuse you thought you needed to actually buy this record. Yeah! Right, because I don't recognise the celebration of the western consumerism and the exploitation of the winter solstice or people's personal astrological misfortunes by the capitalistic excesses of the multinationals and the media and anyway it gets really boring because you have to stay in with your parents and there's only old films on the telly and carol singers keep hassling you for bread and you've got to eat lots of horrible nuclear food because your mum and dad'll get really neurotic if you don't behave like an officer in charge of a concentration camp, and anyway everyone probably forgot it was your birthday so you had to buy yourself this record, except for the person who sent you that horrible "now we are two" badge as a spiteful joke to put you down.
The Sleeve Notes again:
The worst warhead ever was Hitler. He used to have submarines in the bath that fired real torpedoes, right, that's why he only had one ball. Anyway there's nothing like that on this record, just loads and loads of beautiful sixties numbers and concepts, and harmonious words and songs like "The Gnome" by Pink Floyd, which was written in 1967 which is sung on this record by Wayne, my rubber plant. Yeah, plantes can dig music too, you know.
The Real Sleeve Notes:
Look, I only did this record because I signed this contract, right, which said like I had to make eighteen records in the next four months or I'd get my goolies chopped off, and you'll probably all think it's lousy anyway because it's got me on it. And I suppose I've got to write out all the names of the horrible straight people who hassled their way onto this record and all the people who like claim to have written the songs and all the rip-off record business people who reckon that they had something to do with making this record. Okay, here we go, the long boring list of all the tracks.
Hello Vegetables!
Wir sind jetzt auf Neil's Album beim ersten Track angelangt. Keine Musik, sondern erstmal eine kurze Vorstellung der Platte, dass die Platte nicht vorgestellt werden sollte, bevor sie überhaupt begonnen hat. Aber da wird gleich so viel Technologie und Kommerz zu hören sein, dass man den Zuhörer da drauf hinweisen sollte, bevor der Wecker schrillt und man wieder in seine schweissigen Schuhe steigt. Willkommen beim Traffic-Klassiker "Hole In My Shoe". Brilliant vorgetragen mit einer verkifften Sitar, absolut authentisch nach der psychedelischen Hippie-Zeit der ausgehenden 60er Jahre klingend, hervorragend gespielt von den fabelhaften Musikern. Neil hat das schon tausendfach gehört, weswegen er sich erstmal auf sein stilles Örtchen zurückgezogen hat. Leider ist die Klospülung verhext und als Neil abzieht, wird er von einem gewaltigen Sog ins Klo gezogen und landet schliesslich an einer dunklen Abzweigung in der Londoner Kanalisation, wo ihm eine grosse und stinkige alte Kartoffel begegnet ("Heavy Potato Encounter"), die ihm erklärt, dass Kartoffeln nicht furzen können, weil Neil sich über den unziemlichen Duft echauffiert. Aus der Ferne erklingt die wundersame Melodie von "My White Bicycle", welche im Original von der britischen Psychedelik Band Tomorrow stammt. Völlig ausser Puste vom vielen Radfahren braucht Neil anschliessend eine Stärkung, und die holt sich der überzeugte Vegetarier ausgerechnet in Form eines Hamburgers, der ihn in ein fleischfressendes Monster verwandelt ("Neil The Barbarian") und ihm grässliche Albträume beschert ("Lentil Nightmare"). Schweissgebadet dieser Nachtmahr entrissen wird Neil durch diesen hässlichen Computer-Radiowecker, den er von seinem Bruder mal zu Weihnachten geschenkt bekommen hat und den er immer schon gehasst hat, weil der ihn immer mit ganz fürchterlicher Musik aus seinen Träumen reisst. Als dieses Ding jetzt auch noch "Hole In My Shoes" spielt, haut ihn Neil mit dem Hammer kaputt. Als Ersatz dient fortan Wayne, Neil's Gummibaum, denn der kann singen. Weil Neil ihm ein wunderschönes Gedicht vorträgt, singt der Gummibaum die Syd Barrett-Nummer "The Gnome", die vom kleinen Gnom Grimble Grumble handelt. Danach wird's Zeit für Drogenmusik. Auf der "Cosmic Jam" mixt Neil einen herrlichen instrumentalen Psychedelik-Cocktail, dessen einziges Manko darin besteht, dass Jemand Erdnussbutter auf die LP gschmiert hat, was die Plattennadel hüpfen und die Musik verschwammen lässt, bevor die ganze Jam vom Mittelloch der LP eingesogen wird.
Die zweite Seite der Platte startet mit einer grossen Ueberraschung: Der Titel "Golf Girl" von Caravan, im Original auf deren 1972er LP "In The Land Of Grey And Pink" zu finden, lässt beinahe vermuten, Neil wolle nun ernsthaft und ohne Schabernack Musik machen. Doch weit gefehlt: Seine Mutter macht ihm einen Strich durch die Rechnung. Sie ruft inmitten der Plattenaufnahme im Studio an, nur um ihm mitzuteilen "This is your Mother speaking, Neil - Get on down!". Mama sieht sowieso alles den Bach runter gehen, und darum singt Neil nun "Bad Karma In The U.K.". Ueberhaupt nimmt die Platte langsam aber sicher den Verlauf eines Untergangs der Welt, wie man sie kennt. So landet Neil nach einer gescheiterten Romanze "Our Tune" im "End Of The World Cabaret", das ihn ins grelle Scheinwerferlicht stellt, was Neil gar nicht behagt. Lieber sinniert er im Hintergrund über "No Future (God Save The Queen)", nicht ohne einen kleinen Seitenhieb in Richtung sexueller Pistolen. Nach soviel latentem Weltschmerz und hoffnungsloser Weltuntergangs-Paranoia wird's Zeit für etwas Lieblichkeit und Schwebezustand ("Floating"). Der "Hurdy Gurdy Man" von Donovan wird rezykliert, erhält im Neil'schen Gewand einen erheblich erhöhten Rock-Anteil, was dem ursprünglichen hippiesken Folkrock-Song von Herrn Leitch eine ganz eigene und absolut tolle Note verleiht. Der Hippe ist quasi in der technologischen Neuzeit angekommen. Im anschliessenden "Paranoia Mix" verwurschtelt Neil einzelne Fragmente aller Songs und Geschichten, die er während der Dauer der LP zum besten gegeben hat, zu einem abschliessenden Grande Infernale. Der die Platte beschliessende "Amoeba Song" warnt noch einmal eindringlich vor diesen kleinen Biestern, die sich gerne in den heimischen Badezimmern einnisten und langsam die gesamte Butze in Beschlag nehmen können, wenn man sie nicht rechtzeitig und gezielt eliminiert. Geschrieben wurde der "Amoeba Song" von Mike Heron, dem Sänger und Multi-Instrumentalist der legendären Incredible String Band, die seinerseits auch Zeit ihres Bestehens öfters mal den Schalk im Nacken hatte.
Wer nach dieser fabelhaften musikalischen "Tour D'Humour" Lust auf mehr bekommen hat, dem sei die Platte der Gruppe BAD NEWS wärmstens mitempfohlen. Dort versuchte sich Nigel Planer als Mitglied einer völlig durchgeknallten Glam Hard Rock Band, die mit ihrer verhunzten und dilettantischen Coverversion von Queen's "Bohemian Rhapsody" deren Gitarrenmeister Brian May dermassen überzeugte, dass dieser gleich selbst mittels Gitarrensolo mithalf, den eigenen Mythos zu versauen. Humor, zumal britischer, ist eben ansteckend bis ganz nach oben in die Haute Volaute der Rockprominenz.
Oh no, what's happenin' ? Must be back in reality again....
Die wunderbare Zumutung, selbst denken dürfen zu müssen.
Haben ist besser als brauchen.
(Alte Plattensammlerweisheit)
Haben ist besser als brauchen.
(Alte Plattensammlerweisheit)