[REVIEW] Neon Rose • Two (1974)

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Beatnik
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[REVIEW] Neon Rose • Two (1974)

Beitrag von Beatnik »

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Die Geschichte der schwedischen Hard Rock Gruppe Neon Rose beginnt im Jahre 1972, als Sänger Roger Holegard, Gitarrist Piero Mengarelli, dessen Bruder Benno am Bass und Schlagzeuger Kenneth Dahlgren den Probenraum des schwedischen Top 40 Sängers Carl-Erik Thörn zum jammen benutzen dürfen. Die Band nennt sich zu diesem Zeitpunkt SPIDER und rockt mit grosser Leidenschaft den Musikstil, den die gerade angesagten Bands Deep Purple, Black Sabbath und Led Zeppelin spielen. Trotzdem versuchen die Musiker hier bereits, einen möglichst eigenständigen Sound zu entwickeln, verbinden dazu beispielsweise waghalsige Rock-Riffs mit eher melancholischen Grundstrukturen und ihr Grundtenor lautet dabei: Sobald einer ihrer Songs zu sehr wie ein Titel einer bekannten Rock Band klingt, wird er sofort über Bord geworfen. Nach und nach entwickelt die Band so einen eigenen Stil, der noch zusätzlich an Qualität gewinnt, als im Frühjahr 1973 der Keyboarder Kenneth Grafström zur Truppe stösst, nachdem die Bandmitglieder diesen an einer Fete Klavier spielen gehört haben und total begeistert waren.

Durch den Einzug eines Keyboarders veränderte sich die Musik der Gruppe noch einmal dramatisch. Dieses hochmelodische neue Instrumentarium liess den Rock-Anteil in Spiders' Musik markant schrumpfen, weshalb in der Folge der Schlagzeuger Kenneth Dahlgren die Band verliess. Stanley Larsson ersetzte den Ausgeschiedenen und der spielte weniger tough als Dahlgren, dafür mit wesentlich mehr Finesse, imho verspielter und perkussiver. Zu diesem Zeitpunkt entschliesst sich die Band, ihren Namen in Neon Rose umzuändern. Auf diesen Namen kommt die Band, weil sie zwei Gegensätze miteinander kombinieren möchte, so wie das zum Beispiel auch Iron Butterfly gemacht haben. Das "Neon" verkörpert dabei das Grelle und Grosse, die geheimnisvolle, dunkle und kalte Stadt und die "Rose" repräsentiert alles Schöne und Anmutige, die Eleganz. Mit der neuen musikalischen Ausrichtung und dem Hang zu opulenten Arrangements, vor allem durch die Keyboards einerseits und dem noch immer präsenten knackigen und harten Rock andererseits begibt sich die Gruppe voller Enthusiasmus auf Achse. Viele Konzerte später wird ein Talent-Scout von CBS Records auf die Band aufmerksam, verspricht ihr Aufnahmen und lukrative Verträge, aber am Ende passiert nichts. Zu allem Uebel verlässt nach dieser enttäuschenden Erfahrung auch noch der Stil mitbestimmende Keyboarder Kenneth Grafström die Band, just in der Zeit, als die Band eigentlich schon ihren typischen Sound gefunden hat.

Erst einige Zeit später zeigt nunmehr Polygram Interesse an der Band und jetzt klappt es auch mit den Aufnahmen und der Veröffentlichung der ersten LP mit dem Titel "A Dream Of Glory And Pride". Die Single "Sensation" erscheint vorab in Schweden in einer minimalen Auflage von gerade einmal 500 Exemplaren, weshalb diese auch kein grösseres Airplay auslösen kann. Die B-Seite der Single ist ein Cover von Eddie Cochran's "C'mon Everybody", das bei der Band schon seit langer Zeit zum Live-Repertoire gehört. Weil der Keyboarder weg ist, fragt die Band ihren Roadie, der in jeder freien Minute irgendwo in einer Ecke Gitarre spielt, ob er nicht als zusätzliches festes Bandmitglied einsteigen wolle. Der sagt natürlich sofort zu, und mit nunmehr zwei Gitarristen wird der Sound der Band natürlich wieder härter. Die Aufnahmen zum ersten Album im Oktober 1973 finden noch ohne den Neuen statt, jedoch spielt er dann bereits live mit, als die Band ihre erste LP an Konzerten präsentiert.

Im September 1974 beginnen die Aufnahmen zum zweiten Album, schlicht "Two" genannt. Insgesamt werden 7 Songs im Ljudkopia Studio in Stockholm auf einer nagelneuen 16 Spur-Maschine eingespielt. Schon einen Monat später erscheint die Platte, klingt wesentlich straighter als der Erstling und profitiert davon, dass die Stücke fast live im Studio innert kürzester Zeit eingespielt worden sind. Die Band spielt fast alle Songs bereits seit längerer Zeit auch an Konzerten, weshalb viel Zeit fürs Komponieren und Arrangieren entfallen. Auf "Two" finden sich klassische Hard Rock Titel wie "Waiting For The Train" und "False Star", ebenso leicht balladeske Rocktitel wie "Thoughts" oder das überlange "My Lady". Die beiden Paradestücke sind aber das fast 10 Minuten lange "Bloody Welfare" und der Rock'n'Roll-Opener "I'm An Entertainer".

Nun wären die Weichen eigentlich gestellt gewesen, die Zeichen auf Durchstarten gesetzt. Leider aber kam es ganz anders. Durch den Umstand, dass alle Bandmitglieder im selben Haus unter einem Dach in einer Art Rock-Kommune lebten und sich auch gegenseitig die Freundinnen ausspannten, gab es immer wieder persönliche Dispute, vor allem zwischen dem Sänger Roger Holegard und dem Gitarristen und Bandleader Piero Mengarelli, die eines Tages leider darin gipfelten, dass Sänger Roger und der Schlagzeuger Stanley Larsson die Band abrupt verliessen. Da sich Neon Rose gegenüber ihrer Plattenfirma Vertigo Schweden jedoch noch in vertraglicher Verpflichtung befanden, lenkte Sänger Roger Holegard ein und die Band spielte im Frühjahr 1975 in einem Tonstudio in Solna (Schweden) ihr finales Album "Reload" mit dem neuen Schlagzeuger Thomas Wiklund ein.

Eine finale Single "A Man's Not A Man" ging leider ebenso unter wie im Grunde genommen alles, was diese hervorragende Rock Band gemacht hat, die eigentlich alles besass, um weitaus besser ins Geschäft zu kommen: Sie waren kompetente Musiker, hatten tolle Songs und eine grosse Plattenfirma im Rücken. Zwischenmenschliche Probleme durch das gemeinsame Zusammenleben jedoch führte zum Scheitern der Band. Ein Jammer. Alle Alben von Neon Rose kann man inzwischen als ganz prima remasterte CD Versionen kaufen. Dicke Empfehlung!



Die wunderbare Zumutung, selbst denken dürfen zu müssen.

Haben ist besser als brauchen.
(Alte Plattensammlerweisheit)
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Louder Than Hell
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Re: [REVIEW] Neon Rose • Two (1974)

Beitrag von Louder Than Hell »

Aus welchen Gründen auch immer habe ich mir vor gut 10 Jahren die beiden Platten "Two" und "Reload" der schwedischen Band Neon Rose zugelegt. Ich vermute mal, dass sie in irgendeiner Musikzeitung erwähnt wurden. Insofern kenne ich ihr Debüt "A Dream Of Glory And Pride" überhaupt nicht.

Was mich aber von Anfang an beeindruckte, war ihr druckvolles Spiel gepaart mit einer melodiösen Ausschmückung. Sie waren sowohl im forscheren Bereich als auch im Midtmpo verankert. Wer ein Hardrockfan alter Prägung ist und nicht eine komplette Abkupferung des Sounds von Deep Purple oder Led Zeppelin wünscht, müßte bei diesen sympathischen Schweden fündig werden.

Der Zerfleischungsprozess wegen der räumliche Nähe war sicherlich einer der Gründe, warum die Band zu Scheitern verurteilt war, denn am musikalischen Potenzial kann es keinesfalls gelegen haben.
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