Die amerikanische Gitarristin Beki Brindle dürfte den Wenigsten ein Begriff sein, und dennoch ist sie in den USA eine durchaus bekannte Grösse, die jedoch den richtigen Durchbruch nie geschafft hat, zumindest nicht in kommerzieller Hinsicht. In Musikerkreisen gilt die Musikerin hingegen als grosses Talent, und das schon seit vielen Monden. Beki Brindle schaffte am 1. Juni 2014 den Einzug in die New York Blues Hall Of Fame. Sie wurde dort aufgenommen zusammen mit ihrem Schlagzeuger Vito Luizzi, der in der Begleitband von Johnny Winter gespielt hatte und, posthum, zusätzlich auch zusammen mit James Yank Rachall, den 1997 verstorbenen Musiker, mit dem Beki Brindle aufgewachsen war und bis zu dessen Tod mit ihm gemeinsam musiziert hatte. Die Musikerin hat zahlreiche prominente Leistungsbezeugungen erhalten, von denen beispielsweise jene von John Mayall eindrücklich ist, der, bezogen auf den Mayall-Titel "Possessive Emotions", den Beki Brindle coverte, der Künstlerin attestierte: 'Hi Beki, Just listened to your version of my song and was very pleasantly surprised to hear how you've given it new life'. Brindle war auch die Leadgitarristin der in den 80er Jahren bei Warner/Reprise Records beheimateten Band Grace Pool und zusammen mit dem Gitarristen James Burton auch in der Begleittruppe der Rock'n'Roll-Legende Jerry Lee Lewis.
Erste musikalische Erfahrungen sammelte Beki Brindle in ihren Jugendjahren mit James Yank Rachell, der bei den Bands Diving Duck und She Caught Me Katy gespielt hatte. Im Jahre 1983 wurde sie einer breiteren Oeffentlichkeit bekannt, nachdem sie von den sehr bekannten Musikern Rick Danko und Richard Manuel (beide von Bob Dylan's ehemaliger Begleitgruppe The Band) nach Woodstock eingeladen worden war. Die beiden prominenten Musiker hatten Beki Brindle an einem Live-Auftritt an der Indiana University spielen gesehen und spontan eingeladen, nachdem sie sich von Beki Brindle's Blues-Spielweise sehr beeindruckt zeigten. Als Folge davon stieg sie später in der Begleitgruppe von Tom Pacheco, dem zeitgenössischen Folk-, Folkrock- und Americana-Singer/Songwriter ein. Gleichzeitig spielte sie auch in der Tour-Band von Eric Andersen mit. Während sie mit diesen beiden Musikern recht lange unterwegs war, immer wieder Tourneen durch ganz Amerika bestritt, arbeitete sie daneben weiterhin auch mit Rick Danko und Richard Manuel, sowie dem legendären John Sebastian (ehemals The Lovin' Spoonful) zusammen. Auch weitere Blues- und Rockmusiker nahmen immer wieder die gitarristischen Dienste von Frau Brindle in Anspruch.
Im Jahre 1988, als sich Beki Brindle dazu entschloss, zusammen mit Tom Pacheco während eines ganzen Jahres in Europa Musik zu machen, siedelte sie nach Dublin um. Dort stieg sie nebenbei bei der Mary Stokes Blues Band ein und wurde zu einer populären und sehr geschätzten Musikerin, die spätestens nach einem ganz formidablen Auftritt am Guinness Jazz Festival in Cork City (Irland) in aller Munde war. Zeitgleich trat sie eine ganze Woche lang im irischen Fernsehen auf innerhalb der in Irland sehr populären TV-Musiksendung "NightHawks". Während ihres Aufenthalts in Irland spielte Beki Brindle unter anderem als Support Act der Hothouse Flowers, den Waterboys und jammte mit Musikern von U2 und Thin Lizzy zusammen. Ausserdem wirkte sie in den Live-Bands von Bluesmusikern wie Carey Bell, Johnny Mars, Joe Lewis Walker, Tampa Red und Fenton Robinson mit.
In Dublin erhielt sie durch Bono von U2 die Möglichkeit eines Blues Workshops im irischen Fernsehen. Dieser Workshop wurde ausgestrahlt im Rahmen einer Rock School TV-Show auf dem Kanal RTE. Die Show wurde ein grosser Erfolg und wurde ausser in Irland auch in Schweden und in Italien gezeigt. Die Rock School in Dublin gibt es bis heute und sie geniesst noch immer einen hervorragenden Ruf und blieb ein grosser Erfolg. Im folgenden Jahr ging Beki Brindle zurück in die USA, wo sie der Rockband Grace Pool beitrat, mit welcher sie Aufnahmen machte und auch Tourneen bestritt bis 1992. Dann tat sie sich wieder mit ihrem früheren Musikerkumpel Yank Rachell zusammen und realisierte zwei Platten mit der gemeinsamen Band Windopane. Daneben spielte Brindle auch immer wieder in der Begleittruppe von Jerry Lee Lewis, bevor sie mit der zweiten Windopane-Veröffentlichung "See ?" in den italienischen Psychedelic- und College Music-Charts den Titel 'Album of the Year' verliehen bekam. Das liess natürlich aufhorchen, zumal Beki Brindle mit ihrer Band Windopane eher nicht im bluesigen Bereich unterwegs war, sondern einen stark US-amerikanisch gefärbten Psychedelic Jam Rock präsentierte, der fernab irgendwelcher 12 Bar Blues-Schemen stattfand.
"See ?" ist im Nachhinein betrachtet noch immer ein totales Soundmonster, ein mit mörderischen Feedbacks geladenes Gitarren-Feuerwerk, das mich noch heute so begeistert wie damals, als es erschien. Vor allem war dieses verstörend-geniale Album total aus der Zeit gefallen. Es gab 1994 keine andere Band, die einen dermassen herrlichen Feedback-Cocktail kredenzte und dabei mehr wie einmal weit zurück in die Zeit schielte, als Jimi Hendrix die Welt der Rockmusik aufschreckte. Etliche der Titel auf dem Album wirkten wie einmalige Monster-Jams, die gottseidank nicht kaupttgemixt wurden, sondern weitgehend roh und ungeschliffen blieben, was den Eindruck einer Live-Aufnahme noch verstärkte. Vor allem wirkte die Gruppe hier wie ein Haufen überdrehter Hunde, der diese geballte Power auch jederzeit auf eine Bühne transportieren konnte. Besonders das dynamische "Bleedin' Country" offenbarte eine doppelte Gitarren-Dynamik vom allerfeinsten: Zwei sich in gegensätzliche Jam-Richtungen bewegende Gitarrensoli, die jederzeit die Spannung aufrecht erhalten konnten und von einem treibenden und äusserst perkussiv aufgestellten Schlagzeug formidabel unterstützt wurden, das ebenfalls Haken und Gegenmarkierungen setzte, die den Drift zeitweise noch verstärkten.
Auf dem Album war auch ein Telephongespräch zwischen Beki Brindle und ihrem Sohn zu hören, den sie für Jahre nicht mehr hatte sehen können. Mutter und Sohn kamen später nach vielen Jahren wieder zusammen, und man kann es sich vorstellen, wieviel Beki Brindle dieses Telephongespräch bedeutet hat, dass sie es sogar in eine ihrer Jams einfliessen liess. "Kevin Past", ein durchgeknallter Bluesrock Stoner Jam ist vermutlich ihrem Sohn gewidmet, oder jedenfalls mag dieser rüde Jam etwas die frustrierende Zeit ohne ihren Sohn abgebildet haben, eine Art Verarbeitung eines für jede Mutter wohl grössten Verlusts. Mein ganz persönlicher Favorit ist "I Love L.A. In Springtime" mit seinen wohlklingenden und bisweilen recht geheimnisvoll wirkenden Tupfern und Klangklecksen. Auch hier steht das lockere Jammen im Vordergrund, wie überhaupt bei allen Titeln dieses grossartigen und letztlich nicht eindeutig klassifizierbaren Albums. Das gesamte Werk ist eine einmalige Momentaufnahme von ein paar Musikern, die einfach Musik machen wollten, ohne sich die mühselige Business-Tortur zu eigen machen zu müssen, nach denen das hochoffizielle Gewerbe tanzt: Hochglanzaufnahme, Hit, Kommerz.
Beki Brindle hat mit ihren Mitmusikern Larry DeMyer (Gitarre, Bass) und Mark Cutsinger (Schlagzeug) ein aussergewöhnliches Werk veröffentlicht, das nicht viele Bezugpunkte zu anderen Bands aufweist, speziell natürlich auch darum nicht, weil die Aufnahmen keinerlei bekannten Melodiebögen abbilden, da kein fixer Stil im eigentlichen Sinne innerhalb der Jams definiert werden kann (eine Art Free Rock vielleicht ?). Dass die Platte dennoch rund und satt und keineswegs nur nach orientierungslosem Dahinspielen klingt, spricht klar für die hervorragende Arbeit an den Instrumenten, und dem im gemeinsamen Spiel erzielten Flow in der Musik. Der Schlagzeuger Mark Cutsinger spielte bei den Zero Boys und den Toxic Reasons, bevor er Windopane beitrat. Später war er auch in den Formationen The United States Three und Machine Guns And Motorcycles aktiv. Der Gitarrist und Bassist Larry DeMyer war mit Beki Brindle verheiratet und spielte später in der genialen Psychedelic Rock Band In The Summer Of The Mushroom Honey mit.
Beki Brindle ist nach wie vor sehr aktiv, spielte in jüngeren Jahren an der Seite so prominenter Musiker wie Robert Fripp, Henry Kaiser, Ry Cooder und Albert King. Sie lebt heute in New York, hat mit zahlreichen weiteren Musikern zusammengespielt und führt seit einigen Jahren ihre eigene Truppe mit dem Namen The Beki Brindle Band, zusammen mit ihrem jetzigen Ehemann Ralph Scala, dem ehemaligen Leadsänger und Keyboarder der legendären 60er Jahre Band The Blues Magoos ("Psychedelic Lollipop"). "See ?" ist ein grossartiges Werk einer Künstlerin, die keinerlei stilistische Scheuklappen kannte/kennt, und deren künstlerischer Wagemut mit einer Hörprobe belohnt werden sollte. Ich garantiere ein intensives Hörerlebnis der ungewöhnlichen Art. Das Album "See ?" ist für mich persönlich einer der herausragenden Geheimtipps der 90er Jahre. Wenn man dann schliesslich noch bedenkt, dass isch Beki Brindle in jüngeren Jahren auch in er Country Szene bewegte, verdeutlicht das noch einmal mehr, wie stiloffen und frei sich diese Musikerin in der Welt der Musik zu bewegen weiss, alles ausprobiert - und immer wieder überzeugen kann.
[REVIEW] Windopane • See ? (1994)
-
Topic author - Beiträge: 6772
- Registriert: So 9. Apr 2023, 18:11
- Wohnort: Zwischen den Meeren
- Has thanked: 7798 times
- Been thanked: 8383 times
- Kontaktdaten:
[REVIEW] Windopane • See ? (1994)
Die wunderbare Zumutung, selbst denken dürfen zu müssen.
Haben ist besser als brauchen.
(Alte Plattensammlerweisheit)
Haben ist besser als brauchen.
(Alte Plattensammlerweisheit)
-
- Beiträge: 7068
- Registriert: So 16. Apr 2023, 18:13
- Wohnort: Norddeutschland
- Has thanked: 6999 times
- Been thanked: 7577 times
Re: Windopane • See ? (1994)
Wow, welch schöne Rezi, die nicht nur den musikalischen Background der Musikerin Beki Brindle dokumentiert, sondern auch die Platte in all seinen Facetten beschreibt.
Und natürlich kenne ich das Mädel nicht, aber durch deine Rezi hast du mich wunderbar in die musikalische Welt der Musikerin eingeführt.
Die drei Musikbeispiele sind allesamt sehr unterschiedlich, wie sie unterschiedlicher kaum sein können, zeigen aber auch auf, wie vielseitig das Mädel in ihrer musikalischen Ausrichtung ist.
Bei dem Stück "Bleedin' Country" wird gegniedelt, was das Zeug herhält. Und ja, der Jimi schaut um die Ecke vorbei.
"I Love L.A. In The Springtime" kommt wesentlich verhaltener rüber, weiß aber durch eine gewisse Melancholie zu punkten.
Und "Heavy Balloon" ist ein reiner Freudenspender, der sich stetig voran arbeitet.
Und natürlich kenne ich das Mädel nicht, aber durch deine Rezi hast du mich wunderbar in die musikalische Welt der Musikerin eingeführt.
Die drei Musikbeispiele sind allesamt sehr unterschiedlich, wie sie unterschiedlicher kaum sein können, zeigen aber auch auf, wie vielseitig das Mädel in ihrer musikalischen Ausrichtung ist.
Bei dem Stück "Bleedin' Country" wird gegniedelt, was das Zeug herhält. Und ja, der Jimi schaut um die Ecke vorbei.
"I Love L.A. In The Springtime" kommt wesentlich verhaltener rüber, weiß aber durch eine gewisse Melancholie zu punkten.
Und "Heavy Balloon" ist ein reiner Freudenspender, der sich stetig voran arbeitet.
-
- Beiträge: 8055
- Registriert: So 16. Apr 2023, 18:01
- Wohnort: Norddeutschland
- Has thanked: 9586 times
- Been thanked: 9053 times
Re: Windopane • See ? (1994)
Wie ich es bereits angemerkt habe, kenne ich die Band bzw. die Musikerin nicht. Da muss ich mich erst einlesen bzw. einhören.