[PORTRAIT] SKID ROW -

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badger
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[PORTRAIT] SKID ROW -

Beitrag von badger »

1967 gründete der Dubliner Brenda Brush Shiels (bass) mit My Father's Moustache eine eigene Band mit
Noel Bridgeman (drums), Bernard Cheevers (git) und einem jungen Phil Lynott (vocals).
Der Bandname spiegelte Brendan's Humor wieder, war aber für die breite Masse zu abstrus.
Daher rasch die Umbenennung in Skid Row, auch das allerdings wieder ein nicht ganz ernst zu nehmender
Bandname:

Skid Row - a) die 'Rutschgasse' auf der gefällte Bäume abtransportiert werden;
b) das daraus entstandene Idiom für Menschen, deren Leben ins Rutschen geraten ist und
die dann in Stadtvierteln für die 'Abgerutschten' enden.

Aber eine Band für Ab- und Ausgerutschte sollte Skid Row nie werden, auch wenn Brendan bald Lynott
hinauswarf, weil der ein unstetes Leben führte.

Es war die Zeit der großen musikalischen Inspiration; Cream, Hendrix, natürlich Taste; viele Bands
entledigten sich der verhältnismäßig simplen Beat-Strukturen, um komplexere Töne zu spielen.

Skid Row liebten den Blues, aber in seiner Reinform war er ihnen zu restriktiv; sie spielten keine Coverversionen,
sondern ließen nur einzelne Blues-Versatzstücke einfließen, die dann mit Rock, Jazz und sogar C & W gemischt wurden.
Statt starrer 4/4 Muster gab es jetzt Start/Stop mit unerwartete Tempiwechsel und Rhythmus-Strukturen.
'Live' endete das oft in Free-Form-Improvisationen.

Das war nicht nur keine Musik mehr für die Beatschuppen, auch Bernard Cheevers (im übrigen ein exzellenter (Blues-)Gitarrist)
fühlte sich nicht mehr wohl.
'Da Brush' ('die Bürste', wegen seiner Struwwelhaare) hatte schon ein Auge auf einen 17-jährigen Gitarristen geworfen, der ohne
eigene Band in der Szene herumhing. Und in der Tat, es war eine gute Wahl.
Gary Moore war aus Belfast in die Republik gekommen, weil er sich dort bessere Karrierechancen versprach.

Nummer zwei in der Band war aber Noel (Nollaig) Bridgeman, der schnell zu einem der geschätztesten Studiomusiker überhaupt
werden sollte. Ein Mann, der keine Probleme mit außergewöhnlichen Takten hatte und der tatsächlich aus Spaß
am Trommeln-als-Solchem aktiv war. Sonntags morgens fand man ihn bei Jazz-Sessions und wenn in irgendeinem Aufnahmestudio
ein Topdrummer gebraucht wurde; wen sonst als Noel hätte man gerufen. Bis vor wenigen Jahren kam es vor, daß er völlig spontan
irgend eine in einer Kneipe spielende Truppe verstärkt... immer bereit zu Taten.

Bild

1969 begannen die Aufnahmen zur Debut-LP. Brush gab die Melodien und Texte vor;
wie so oft bei Iren gings mal wieder um die Diaspora (Heading Home Again) oder die gehaßten jobs in Showbands, die man aber
aus finanzieller Notwendigkeit annehmen mußte (Unco-Up Showband Blues) oder um Thema Nr. 1; (An Awful Lot Of Woman; After I'm Gone; Felicity).

Die musikalischen Strukturen (bereits oben erwähnt) waren viel zu kompliziert für Tanzschuppen; in der Tat, es war das, was man damals die
ursprüngliche Bedeutung 'Progressive Rock' ausmachte. Aber bei aller Komplexität; es wurde meist 'hardrockig' vorgetragen; die Post ging ab,
Gähnen oder Einschlafen gehörte nicht dazu.

So kam die Zustimmung eher von Jenen, die sich gerne einen gefüllten Bong genehmigen.
Auch vom legendären BBC-DJ John Peel kam großes Lob und eine Einladung zu Radioaufnahmen.
Selbst der Beat Club verpflichtete sie, aber vorher mußte Neues ins Angebotsregal gelegt werden.

34 Hours (CBS 1971) betitelte dann die für die Aufnahme des Zweitwerks gebrauchte Gesamtdauer.
Sechs Stücke waren zumeist in Sektionen unterteilt; wie im Debut mit teils abrupten Wechseln von Thema, Rhythmus, Melodien oder
Instrumentalpassagen. Textlich hielt es Brendan weiterhin mit Thema NR. 1; (Night Of The Warm Witch; Go I'm Never Gonna Leave You;
Lonesome Still; The Love Story).
Man kann ihn gut verstehen, wenn man weiß, daß er in Bezug auf Drogen und Alkohol totaler Abstinenzler war...
(man sah ihn mit 'ner Limo an der Bar!) Hat auch nie geraucht.
Aber Mädels braucht der Mann auf jeden Fall.

Insgesamt war 34 Hours noch ausgereifter und der dazu fällige Beat Club-Auftritt ließ für die Zukunft auf weitere Steigerungen hoffen.

Bild

Gary Moore hatte sich mittlerweile einen Namen gemacht und seine Zupferei gefiel, ....wenn man ihn denn zu sehen bekam...,
meistens versteckte er sich schüchtern hinter den Lautsprechern.

Kaum zu glauben, daß ein dermaßen schüchterner Mensch Großmannsideen hatte, aber genau so war es.
Als die 3. Skid-LP in Angriff genommen wurde.... Gary fühlte sich zu Besserem berufen... tschüüß.

Obwohl er nicht der maßgebende Musiker war, erholten sich Brendan und Nollaig nie von diesem Schock. Eine Zeit lang zupfte Eric Bell
von Thin Lizzy die Gitarre, aber der Zauber war plötzlich dahin. Musiker kamen und gingen, manchmal wurde aus dem Trio ein Quintett,
der Zenit war überschritten.

Dennoch wurden noch 7"s eingespielt; 1973 gelang mit 'Dublin City Girls' gar ein massiver Hit. 1976, als Noel vorübergehend das Handtuch
geworfen hatte, erschien mit 'Alive And Kickin' eine LP voller Coverversionen. Übel und unnötig.
Ein Jahr später, wir hatten längst neue Musik im Ohr, legte Da Brush eine Soloscheibe vor... gähn.

Dann zog er sich aus dem Musikgeschäft zurück; machte ein Kinderprogramm fürs Fernsehen und nahm dazu passende Kinderlieder (!) auf.
Darüber hinaus engagierte er sich aktiv in sozialen Projekten, ohne sie an die große Glocke zu hängen. Ein meist sehr bescheidener Mensch,
der allerdings im geselligen Kreis vor Humor sprüht und der deshalb häufig zu Talkshows eingeladen wurde.

2012 gab es noch einmal eine Brush Shiels-Solowerk, leider ohne Nollaig und leider mit ein paar unnötig neu-aufgenommenen Stücken
aus Skid Row-Tagen.

Neben den beiden ursprünglichen Alben gibt es heute weiteres Material:
- Gary Moore, Brush Shiels, Noel Bridgeman (Snapper 2000);
ein paar 7"s und für die 3. LP Vorgesehenes; mir persönlich gefällts, aber so gut wie die ersten
beiden ist es nicht.

- Live And On Song (Hux 2006);
wieder ein paar spätere Stücke und Teil einer Live-Show für die BBC. Wieder gilt: es gefällt, hat
aber nicht die Wichtigkeit der ersten beiden LPs.

Bild

Dann gab es noch ein Bootleg, aufgenommen an keinem geringeren Ort als dem Fillmore West, San
Francisco, wo Skid Row den versammelten Grateful Dead- und Jefferson Airplane-fans zeigte, daß
auch Iren jammen können, bis die Ohren abfallen.
Leider mit grottenhafter Aufnahmequalität.

Mit der 20 Jahre später erscheinenden HM-Truppe hatten sie nichts gemein-
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Louder Than Hell
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Re: [PORTRAIT] SKID ROW -

Beitrag von Louder Than Hell »

Vielen Dank für das Portrait der Band Skid Row, die mit sehr viel Herzblut und allen mir erdenklichen Facetten beschrieben wurde. Da spürt man schon, dass in den Adern des Verfassers zum Teil irisches Blut fließen muss. Denn wir haben hier eine Band vorliegen, die an der breiten Masse vorbeigerauscht ist und nur in einem kleinen Kreis von Bewunderern ihre nachhaltigen Spuren hinterlassen hat. Ich vermute auch mal, dass Skid Row in Irland eine andere Aufmerksamkeit erfahren hat, als im restlichen Großbritannien bzw. dem eurpäischen Festland.

Mein Erstkontakt zu der Band war eher rein zufällig. Da wir Jungs um 1970 herum nur über wenig Geld verfügten, haben wir einander die eigenen LP's ausgeliehen und entsprechend auf unsere Tonbandgeräte getapt. Auf einer der geliehenen LP's befand sich der Song "An Awful Lot Of Woman". Zur Erklärung muss ich noch anmerken, dass es sich um eine Compilation mit zahlreichen anderen Rockbands handelte. Der Bandname Skid Row sagte mir rein gar nichts, aber dieser rasante Song hatte mich sofort gefangen genommen. Natürlich wurde er auf das Tonband gebannt und fortan dauernd abgespielt. Als die Band auch noch im Beat Club auftrat, wurde meine Freude immer größer. Mir sagten nicht nur die Typen zu, sondern auch die Musik.

Als ich dann in den nächsten Tagen, Wochen, Monate und Jahre die Schallplattendealer meines Vertrauens aufsuchte, bekam ich immer zur Antwort, dass die Platte von Skid Row nicht mehr lieferbar sei. Natürlich trat eine gewisse Enttäuschung ein. Aber dieser Umstand hatte sich bereits über einen längeren Zeitraum verfestigt.

Gute 10 Jahre später, so um 1980 herum, tat sich dann doch noch ein wenig Sonnenschein am Himmel auf. In Hamburg liefen die ersten Schallplattenbörsen an und der junge Louder konnte sich gar nicht einkriegen, was er dort alles vorfand. Schätze ohne Ende, die seit Jahrenden ausverkauft bzw. vom Markt verschwunden waren. Und billig war das Ganze trotzdem nicht. Erst hier fand ich nicht nur die erste LP "Skid", sondern auch das Folgewerk "34 Hours" vor. Und nicht nur ein Händler bot die beiden Alben an, sondern gleich mehrere. Insofern bin ich ca. für jeweils 13 DM an beide LP's herangekommen. Sie befanden sich nicht im Zustand von NM-, sondern waren noch gut erhalten.

Natürlich war es eine Freude, beide Alben anschließend zu Hause durchhören zu können und mit diesem ersten Börsenbesuch schloß sich der Kreis nach der Suche dieser LP.
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badger
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Re: [PORTRAIT] SKID ROW -

Beitrag von badger »

Louder Than Hell hat geschrieben: Do 18. Dez 2025, 10:50 Vielen Dank für das Portrait der Band Skid Row, die mit sehr viel Herzblut und allen mir erdenklichen Facetten beschrieben wurde. Da spürt man schon, dass in den Adern des Verfassers zum Teil irisches Blut fließen muss. Denn wir haben hier eine Band vorliegen, die an der breiten Masse vorbeigerauscht ist und nur in einem kleinen Kreis von Bewunderern ihre nachhaltigen Spuren hinterlassen hat. Ich vermute auch mal, dass Skid Row in Irland eine andere Aufmerksamkeit erfahren hat, als im restlichen Großbritannien bzw. dem eurpäischen Festland.

Mein Erstkontakt zu der Band war eher rein zufällig. Da wir Jungs um 1970 herum nur über wenig Geld verfügten, haben wir einander die eigenen LP's ausgeliehen und entsprechend auf unsere Tonbandgeräte getapt. Auf einer der geliehenen LP's befand sich der Song "An Awful Lot Of Woman". Zur Erklärung muss ich noch anmerken, dass es sich um eine Compilation mit zahlreichen anderen Rockbands handelte. Der Bandname Skid Row sagte mir rein gar nichts, aber dieser rasante Song hatte mich sofort gefangen genommen. Natürlich wurde er auf das Tonband gebannt und fortan dauernd abgespielt. Als die Band auch noch im Beat Club auftrat, wurde meine Freude immer größer. Mir sagten nicht nur die Typen zu, sondern auch die Musik.

Als ich dann in den nächsten Tagen, Wochen, Monate und Jahre die Schallplattendealer meines Vertrauens aufsuchte, bekam ich immer zur Antwort, dass die Platte von Skid Row nicht mehr lieferbar sei. Natürlich trat eine gewisse Enttäuschung ein. Aber dieser Umstand hatte sich bereits über einen längeren Zeitraum verfestigt.

Gute 10 Jahre später, so um 1980 herum, tat sich dann doch noch ein wenig Sonnenschein am Himmel auf. In Hamburg liefen die ersten Schallplattenbörsen an und der junge Louder konnte sich gar nicht einkriegen, was er dort alles vorfand. Schätze ohne Ende, die seit Jahrenden ausverkauft bzw. vom Markt verschwunden waren. Und billig war das Ganze trotzdem nicht. Erst hier fand ich nicht nur die erste LP "Skid", sondern auch das Folgewerk "34 Hours" vor. Und nicht nur ein Händler bot die beiden Alben an, sondern gleich mehrere. Insofern bin ich ca. für jeweils 13 DM an beide LP's herangekommen. Sie befanden sich nicht im Zustand von NM-, sondern waren noch gut erhalten.

Natürlich war es eine Freude, beide Alben anschließend zu Hause durchhören zu können und mit diesem ersten Börsenbesuch schloß sich der Kreis nach der Suche dieser LP.
du hast da einen sehr schönen persönlichen bezug beschrieben und das ist doch genau was man gerne liest. es häufen sich die erinnerungen an und die
machen viele bands und deren platten noch viel wichtiger, als man der reinen musik nach vermuten kann.

Skid Row im Beat-Club.... damit hatte ich 1970 erstmal Pech. denn während die Jungs auf dem Weg von Dublin nach Bremen waren, saß ich quasi
entgegengesetzt im Zug nach Dublin. So war es dann ganz lustig, daß sie auf meinem und ihrem Rückweg noch in London spielten und ich sie zu sehen
kriegte. und der Beat-Club-Auftritt steht längst hier im regal....
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