[REVIEW] YES - Close to the Edge

Wildheit und süßer Wohlklang ; ein bahnbrechendes Feuerwerk

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BRAIN
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[REVIEW] YES - Close to the Edge

Beitrag von BRAIN »

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Menschen mit gutem Musikgeschmack können Prog Rock nicht ausstehen.
Er beschwört Bilder von hochtrabenden Sci-Fi-Fantasy-Geschichten, verbreitet barocke Opulenz, Theatralik und Bombast, ufert akademisch aus.
Wenn Hybris und Gigantomie miteinander konkurrieren hat man schnell ELP und Gentle Giant im Kopf.
Natürlich macht der Exzess einen großen Teil des Reizes von Progrock aus, nicht wahr?
Es ist die Art von Musik, auf die man einschlagen möchte, um dann loszurennen und eine Punkband zu gründen.
Im Ernst Leute, das ist der Scheiß, der Punk inspiriert hat.
Deshalb, wenn dir jemand empfiehlt, YES zu hören, sage lieber "Nein".
Wir alle wissen, dass dieser Bullshit eine Einstiegsdroge ist, und bevor man sich versieht, ist man von Close to the Edge abhängig.
Es ist dieses Album, dass das ausufernde Ungetüm, welches als "PROGRESSIVE ROCK" bekannt wurde, in den Olymp gebracht hat.
Close to the edge weist alle Kardinalsünden des Rock auf und trägt sie mit Stolz.
Die Texte lesen sich wie etwas aus einem schlechten Fantasy-Roman, aber wenn man das Fett und den Sirup weglässt, gibt es einen Grund, warum alle dieses Album so lieben.
Nun, zündet ein paar Kerzen an, lasst etwas Tee in die Tasse und lasst die Magie von Close to the edge wirken.

1972 sah es so aus, als hätten YES endlich eine feste Besetzung gefunden.
Sie hatten gerade eine Tournee durch Großbritannien und Nordamerika gespielt und waren bereit, einige neue Songs für eines der einflussreichsten Progressive-Rock-Alben aller Zeiten aufzunehmen.
Doch die Art und Weise, wie es zustande kam, forderte von allen Beteiligten, von den Bandmitgliedern bis zum Tontechniker, einen hohen Tribut.

Chris Welch, der Biograf der Band, erinnerte sich daran, dass er die Band während der einmonatigen Aufnahmezeit im Studio besuchte und dort nur Ausbrüche von Anarchie und Meinungsverschiedenheiten zwischen den Bandmitgliedern und einen erschöpften Tontechniker vorfand, der sogar vor Erschöpfung auf seinem Mischpult einschlief.
Der Stress der Aufnahmen war zu viel für Schlagzeuger Bill Bruford, der die Band im Juli '72 verließ, um sich den anderen Prog-Rock-Legenden von King Crimson anzuschließen.
Letztendlich resultierte der unglaublich anstrengende Aufnahmeprozess in dem bis dato meistverkauften Album der Band, dass in den USA Platz 3, in Großbritannien Platz 4 und in den Niederlanden sogar Platz 1 erreichte.

Close to the Edge könnte man als EP bezeichnen, wenn man bedenkt, dass es nur drei Songs lang ist.
Der Opener "Close to the Edge" ist ein Meisterwerk des Prog-Rock.
Mit über 18 Minuten war der Song der längste, den die Band bis dato aufgenommen hatte.
Das Original-Masterband wurde länger und länger und soll am Ende über 12 m lang gewesen sein.
Der Track beginnt mit Vogel- und Flussgeräuschen, die langsam von Glockenspielen überlagert werden, bevor er in ein scheinbar zufälliges Sammelsurium aus Basslinie, Gitarrensolo und Notenhagel übergeht.
Das Chaos verwandelt sich in eine Melodie und bildet die Grundlage für einen melodischen zweiten Teil, der von Gesang und einer starken Basslinie, die eine Gitarrenmelodie begleitet, dominiert wird.
Nach etwa der Hälfte hört der Song auf, ein Rocksong zu sein, und spielt mit außerirdischen Klängen, kombiniert mit Hall, der den Eindruck erweckt, im Weltraum zu schweben - ein Eindruck, der plötzlich mit dem Einsetzen eines dramatischen Orgel- und Moog-Synthesizer Unwetters endet, dass sich anfühlt, als wäre man gerade mit dem Gesicht auf dem Boden aufgeschlagen.

Nach diesem Ausflug in Raum und Zeit beginnt "And You And I" mit einem erfreulich einfachen Gitarrenriff, gespielt auf einer Akustikgitarre.
Der Song ist "nur" 10 Minuten lang, und etwas weniger experimentell als sein Vorgänger.
Doch nach etwa 4 Minuten bodenständigem Folk Rock geht es wieder ins All, wo wir durch ein Spektakel aus Pedal Steel und Orgel schweben - ein Erlebnis, das genauso harsch unterbrochen wird, wie bei "Close to the edge", nur dass diesmal wieder die Akustikgitarre im Vordergrund steht.
Von dort aus baut sich der Song bis zum großen Finale auf: Orgel, Gitarren und Schlagzeug erzeugen eine wunderbare Klanglandschaft voller Sternschnuppen, Laserstrahlen und Raumschiffe.

Nach diesem unglaublich wilden Ritt ist der relativ konservative Rocksound von "Siberian Khatru" fast ein bisschen enttäuschend.
Ich will mehr durch den Weltraum fliegen, verdammt noch mal!
Das von Bass und Schlagzeug gelegte Fundament bleibt, während der 9 Minuten des Songs gleich, darüber bilden Gitarre und Orgel eine verspielte Melodie.
Nach den anfänglichen 28 Minuten der Reise durch Raum und Zeit ist "Siberian Khatru" schließlich der beste Weg, dieses Raumschiff sicher wieder herunterzubringen.

Auch 50 Jahre nach seiner Veröffentlichung ist "Close to the Edge" immer noch eines der denkwürdigsten Prog-Rock-Alben aller Zeiten und ein perfekter Einstieg in die experimentelleren Gefilde des Rock im Allgemeinen.
Dabei glänzt es heute noch mit unglaublich feinen Arrangements, tollen Harmonien, verschachtelten Rhythmusstrukturen und Musikern in Höchstform.
Es brach mit Konventionen und definierte die Genregrenzen neu.
Tausende Epigonen Beten noch heute andächtig den Katechismus ihrer Idole nach.

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Side one:
1."Close to the Edge" – 18:43
a. "The Solid Time of Change" (Jon Anderson, Steve Howe)
b. "Total Mass Retain" (Anderson, Howe)
c. "I Get Up, I Get Down" (Anderson, Howe)
d. "Seasons of Man" (Anderson, Howe)


Side two:
2."And You and I" – 10:12
a. "Cord of Life" (Anderson, Bill Bruford, Chris Squire, Howe)
b. "Eclipse" (Anderson, Bruford, Squire)
c. "The Preacher, the Teacher" (Anderson, Bruford, Squire, Howe)
d. "Apocolypse" (Anderson, Bruford, Squire, Howe)

3."Siberian Khatru" – 8:56 (Anderson, Howe, Rick Wakeman)

Released: 13 September 1972
Recorded: February–June 1972
Studio: Advision, London

Jon Anderson – lead vocals
Steve Howe – guitars, electric sitar, steel guitar, backing vocals
Chris Squire – bass, backing vocals
Rick Wakeman – keyboards
Bill Bruford – drums, percussion

Yes – production
Eddy Offord – engineer, production
Mike Dunne – tapes
Roger Dean – cover, photography
Martin Adelman – photography
Brian Lane – co-ordinator

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WeepingElf
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Re: [REVIEW] YES - Close to the Edge

Beitrag von WeepingElf »

Close to the Edge ist mein Lieblingsalbum von Yes, und gehört meiner Meinung nach zu der besten Musik, die im 20. Jahrhundert komponiert wurde. Ein wahres Meisterwerk!
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"What does Elvish rock music sound like?" - "Yes."
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Louder Than Hell
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Re: [REVIEW] YES - Close to the Edge

Beitrag von Louder Than Hell »

In der Tat ist hier nicht nur der Band Yes mit dem Album "Close To The Edge" sondern auch dir mit deiner umfassenden Rezi ein großer Wurf gelungen.

Der hier von dir entwickelte Enthusiasmus wirkt geradezu ansteckend, wenn man deiner Ausarbeitung folgt. Somit denke ich auch, dass der Band mit diesem Album ihr Meisterwerk gelungen ist und neue Akzente in der Musikbeschreibung bzw. -entwicklung eröffnet wurden.

Trotzdem wirkte die Band hier nahbar und war für den Hörer noch erreichbar.

Insofern hat mich auch dein Abschlusssatz beeindruckt: Tausende Epigonen beten noch heute andächtig den Katechismus ihrer Idole nach.
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green-brain
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Re: [REVIEW] YES - Close to the Edge

Beitrag von green-brain »

WeepingElf hat geschrieben: Do 7. Mär 2024, 14:27 Close to the Edge ist mein Lieblingsalbum von Yes, und gehört meiner Meinung nach zu der besten Musik, die im 20. Jahrhundert komponiert wurde. Ein wahres Meisterwerk!
Ich erinnere mich noch daran, wie wir, als wir 1976 an der Fachhochschule Nürnberg waren, und als Untermieter eine Wohnung in der kerschbaumer Straße hatten, den Klängen von Yes im Haschisch-nebel gelauscht haben.

Heute kann ich damit nicht mehr so viel anfangen! Aber das kann sich ja noch ändern.
Gern der Zeiten gedenk ich...
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Vincent Price
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Re: [REVIEW] YES - Close to the Edge

Beitrag von Vincent Price »

Ich konnte zu Beginn mit YES insgesamt nix anfangen. Da war ich zu sehr deeppurpleledzeppelinuriahheepgunufonazareth-geprägt.
Mit einem reichlichen Jahrzehnt Verspätung hab ich mir dann langsam die Klangwelt von Yes erschlossen. Close To The Edge hab ich natürlich als remasterte CD.
All we are is dust in the wind. ;)
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nixe
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Re: [REVIEW] YES - Close to the Edge

Beitrag von nixe »

Vincent Price hat geschrieben: Fr 8. Mär 2024, 13:24 Ich konnte zu Beginn mit YES insgesamt nix anfangen. Da war ich zu sehr deeppurpleledzeppelinuriahheepgunufonazareth-geprägt.
Mit einem reichlichen Jahrzehnt Verspätung hab ich mir dann langsam die Klangwelt von Yes erschlossen. Close To The Edge hab ich natürlich als remasterte CD.
Bei mir waren es auch über zehn Jahre später!
Tschüß
nixe

Musik hat die Fähigkeit uns geistig, körperlich & emotional zu beeinflussen!

!!!I like Prog!!!

!!!Wenn die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten!!!
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