Various Artists • Losing Our Virginity (The First 4 Years '73-'77) (2013)

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Beatnik
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Various Artists • Losing Our Virginity (The First 4 Years '73-'77) (2013)

Beitrag von Beatnik »

Für einen, der mal sagte, er möge keine Sampler, habe ich inzwischen doch eine beachtliche Anzahl an verschiedensten Compilations im Regal stehen. Einen solchen Sampler mit drei CDs möchte ich Euch heute mal vorstellen. Wie wohl vielen Rockfans bekannt, entstand Virgin ursprünglich 1971 als einer der ersten britischen Platten Mailorders, wo man günstig Platten per Post ordern und dadurch einiges an Geld sparen konnte. Das Plattenlabel Virgin Records entstand dann 1973 aus einer Not heraus. Ein Nachwuchskünstler namens Mike Oldfield hatte eine ziemlich 'andersartige' Musik aufgenommen und wandte sich an einige Plattenlabels, weil er seine Kompositionen veröffentlichen wollte. Er blitzte aber überall ab, teils schüttelten die Verantwortlichen der Plattenfirmen den Kopf, als sie sich das anhörten, was später unter dem Titel "Tubular Bells" erscheinen würde.

Ein einziger Interessierter war an einer Music Convention zu finden, der aber zur Bedingung machte, dass da unbedingt Gesang drauf müsste, ansonsten er kein Interesse an einer Veröffentlichung hätte. In der Folge entschieden Richard Branson, Simon Draper und Nik Powell, die drei Gründer des Virgin Mailorders, einfach selbst ein Plattenlabel zu gründen, damit man Mike Oldfield's Musik veröffentlichen konnte. Sie nannten das Label wie ihren Mailorder Virgin Records und wie die Rockgeschichte uns lehrt, war dies genau die richtige Entscheidung: Mike Oldfield's Album "Tubular Bells" brauchte zwar 16 Monate, um auf Platz 1 der englischen LP-Charts zu kommen, sodass sein Nachfolger "Hergest Ridge" bereits zur Veröffentlichung kam, dafür hielt sich sein Meisterwerk über Jahre in den Top 100.

Da Richard Branson durch den völlig überraschenden Geldsegen durch "Tubular Bells" plötzlich über unbeschränkte Geldmittel verfügte, fast jeden noch so schrägen, hoffnungslos unkommerziellen Furz zu veröffentlichten, rekrutierte er Musiker und Bands, die ihrerseits kaum eine Chance bekamen, ihre Musik zu veröffentlichen. Dazu gehörten nebst vielen Weiteren auch Faust, Gong, Henry Cow, Robert Wyatt, Hatfield And The North, David Bedford, White Noise, Steve Hillage oder Fred Frith. In der Frühphase des Labels überwog der Anteil an interessantem Krautrock und Canterbury Sound: Verschrobene Musik galt damals als DAS Markenzeichen von Virgin Records. Später entwickelte sich das Label zur trendigen Heimat einiger hochkarätiger Pop-, Wave- und Punk-Interpreten, doch das ist eine andere Geschichte.

Die 3 CD's umfassende Box mit dem Titel "Losing Our Virginity" (sehr schöner Titel, wie ich finde!) bildet die ersten vier Jahre dieses Labels ab und dokumentiert auf beeindruckende Art und Weise eine musikalische Entwicklung, die später durchaus Trends zu setzen vermochte, welche ohne die Innovationsbereitschaft und den tiefen Glauben an alternative Kunst aus der Sicht von Richard Branson wohl nicht hätte heranreifen können. Aus diesem Blickwinkel betrachtet ist das frühe Veröffentlichungswerk von Virgin Records ein wichtiger und nachhaltiger Bestandteil der Rockmusik, wie sie sich in den 70er und vor allem in den 80er Jahren weiter ausprägen sollte.

Es gibt auf dieser Box viele Sounds zu entdecken, die heute gänzlich vergessen sind, aber in dieser ihrer frühen Form noch immer überraschen - auch, weil sich später Künstler, die im Bereich Art Rock oder Progressive Rock unterwegs waren, an vielen dieser frühen Muster orientierten - man nehme als Beispiel nur den typischen Canterbury Sound, den ab Mitte der 70er Jahre Gruppen wie Camel, Caravan oder Gong populär machten. Das legendärste aller Virgin Alben aber blieb bis heute das erste Album, das mit Bestellnummer V2001 erschien: Mike Oldfield's "Tubular Bells", das in diesem Jahr seinen 50. Geburtstag feiert, ein Album, das ich seit meiner Kindheit besitze und es nie weggelegt habe. Es ist vielleicht eines der zeitlosesten Werke der rockmusikalischen Geschichte, das es überhaupt je gegeben hat. Ein schöner Grund, sich mal wieder mit der Virgin Geschichte zu befassen. Dazu eignet sich diese Box ausgezeichnet. Herausragend!

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Es müssen nicht immer neue Wege sein.
Man kann auch alte neu entdecken.

Das Leben ist zu kurz für Fragezeichen.

The only good System is a Sound System 8-)
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