[REVIEW] Santana - "same" (1969)

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BRAIN
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[REVIEW] Santana - "same" (1969)

Beitrag von BRAIN »

Sie nannten es Psychedelic Boogaloo

Seite 1
1. Waiting (Santana) – 4:07
2. Evil Ways (Clarence „Sonny“ Henry) – 3:58
3. Shades of Time (Rolie/Santana) – 3:13
4. Savor (Santana/Rolie/Areas/Brown/Carabello/Shrieve) – 2:47
5. Jingo (Babatunde Olatunji) – 4:23
Seite 2

1. Persuasion (Santana/Rolie/Areas/Brown/Carabello/Shrieve) – 2:36
2. Treat (Santana/Rolie/Areas/Brown/Carabello/Shrieve) – 4:46
3. You Just Don’t Care (Santana/Rolie/Areas/Brown/Carabello/Shrieve) – 4:37
4. Soul Sacrifice (Santana/Rolie/Marcus Malone/David Brown) – 6:34

Besetzung
• Carlos Santana: Gitarre, Gesang
• Mike Carabello: Conga, Perkussion
• Dave Brown: Bass
• José Chepito Areas: Timbales, Conga, Perkussion
• Mike Shrieve: Schlagzeug
• Gregg Rolie: Klavier, Hammondorgel, Gesang

Produktion: Brent Dangerfield und Santana
Lee Conklin: Album Cover Art

Nach vielen Umbesetzungen war die erste stabile Santana-Besetzung mit dem Einstieg von Michael Shrieve (16) komplett.
Shrieve war, wie auch Rolie, ein weißer Amerikaner, der sich ins Mission District von San Francisco traute, wo überwiegend Hispanos lebten.
Die Gegend war nicht ungefährlich, wenn man in die falschen Gassen lief.
Der erste Conga-Spieler (Marcus Malone) der „Carlos Santana Blues Band“, wie sich die Band in Anlehnung an die „Paul Butterfield Blues Band“ früher nannte, saß im Knast wegen Mordes.
Auch sonst war das Leben bescheiden, dass die Band gemeinsam in einem brüchigen Haus führte.
Über Geld oder Karriere machte sich niemand Gedanken.
Es ging darum Musik zu machen, zusammen abzuhängen und Spaß zu haben.
Chet Helms hatte wohl keinen guten Tag als er Carlos, nach ihrem ersten Auftritt im Avalon Ballroom in San Francisco, prophezeite mit Latin-Rock keine Chance in der Stadt zu haben.
Da hatte der andere große Konzert Promoter der Stadt -Bill Graham- einen besseren Riecher.
Er verschaffte Santana einen Auftritt beim Woodstock Festival und einen Plattenvertrag bei Columbia Records.
Erste Aufnahmen wurden in Los Angeles mit keinem geringeren als David Rubinson (Herbie Hancock, Moby Grape etc.) durchgeführt.
Mit dem Ergebnis war man allerdings nicht zufrieden, die Band klang flach und drucklos.
Danach wurde ein Produzent gesucht, der ihren Live-Sound besser hinbekam.
Mit Brent Dangerfield gewannen sie einen Sound-Mixer der in San Francisco in diversen Ballroom’s tätig war.

Das Album „Santana“ besteht aus 3 Instrumentaltracks und 6 Stücken mit Vocals.
Gesang war nicht gerade die Stärke der Band, überwiegend singt Greg Rolie die Leadstimme, begleitet von Carlos.
Der Schwerpunkt liegt auf dem Rhythmus, für den gleich 3 Musiker zuständig sind.
Dazu kommt natürlich der bis ins unendlich gedehnte Gitarrensound von Carlos Santana ; sanft ; klagend ; aggressiv!
Zusammen mit Greg Rolie, an der Hammondorgel, stellt er die Melodiefraktion.
Der Bassist Dave Brown ist stark vom harten Funk eines James Brown beeinflusst, was aber für viele Live-Bands an der West Coast galt.
Die Bluesroots der Santana-Band wurden zwar bald von den lateinamerikanischen Musikern und ihren Einflüssen verdeckt aber B.B King war ein großer Held für Carlos.
Die Stilgrenzen durchdringen sich derart dicht, dass ein völlig neuer Klangcharakter entstand.
Nach diesem Rezept wurde dieses Album im Sommer 1969 in den Pacific Recording Studios in San Mateo, eine halbe Autostunde von Frisco entfernt, aufgenommen.


WAITING eröffnet das Album mit einem Conga-Beat, der durch einen James Brown-inspirierten Bassgroove klanglich geformt wird.
Die Hammondorgel legt das Fundament für ein von Carlos in den Raum dringendes klagendes Riff.
Das ganze steigert sich in ein rasendes Gitarrensolo, wie es nur Santana spielt.
Durch einen abrupten Tempowechsel klingt das Stück so sanft aus, wie es begonnen hat.

Ursprünglich im Jahre 1965 vom Latin-Perkussionisten Willie Bobo aufgenommen, wurde EVIL WAYS von Bobo‘s Gitarrist Sonny Henry geschrieben.
Willie Bobo hatte ein Saxofon anstelle von Rolies Orgelsolo und auch kein Schlussteil.
Von der Santana-Band wird der Song heiter und unbeschwert, mit einem starken Cha-Cha-Cha-Feeling interpretiert.
Der Gesangsteil ist sehr eingängig und die Soli von Carlos und Greg einprägsam und rhythmisch.
Einfach unwiderstehlich!

SHADES OF TIME und SAVOR laufen ineinander über und funktionieren als Einheit.
Mit klaren Rockstrukturen und bluesigen Gitarrenriffs hebt der Song vor allem durch den Latindrive ab.
Savor legt noch einiges an Tempo zu und wird durch Chepito’s Timbale-Spiel getrieben.
Die Orgel ist wiederum sehr prägnant und unterstützt den Flow des Instrumentaltracks.

Mit JINGO folgt eine weitere Coverversion, diesmal von Babatunde Olatunji aus Nigeria.
Gesanglich baut dieses Stück auf hypnotisches Chanting auf, das durch eine starke Gitarrenhookline und schwelender Orgel umspielt wird.
Im Mittelteil wird ein Congasolo eingebaut wonach das Fadeout wieder von Hooks und Chanting bestimmt wird.

PERSUASION ist ein harter Bluesrocksong mit aggressiven Gitarrenriffs und aufbrausendem Gesang von Rolie.
Die Rhythmusabteilung ist hier nicht so dominant dennoch hat Persuasion einen Killergroove.

Mit TREAT beruhigt sich das Hörvergnügen wieder.
Ein sanftes jazziges Pianointro geht in einen treibenden Rhythmus über und mündet in ein weiteres Solo von Carlos das immer Intensiver wird.
Im Schlussteil findet der Song wieder in seine ursprüngliche Ruhestimmung vom Anfang zurück und pendelt zwischen dezenten Gitarre/Orgel-Klängen bis zur Stille.

Das vielleicht schwächste Stück des Albums dürfte YOU JUST DON’T CARE sein.
Der kratzige Gesang von Rolie, das Bluesfeeling und die schweren Riffs von Santana geben dem Song viel Energie.
Das Solo ist für Carlos-Verhältnisse recht unmelodisch und eher durchschnittlich.

SOUL SACRIFICE!
Ursprünglich bestand das Live-Material von Santana aus Improvisationsstücken –Jams!
Einer ihrer ersten Jams verwandelten sie für ihr Debut in Soul Sacrifice.
Timbales, Congas und Schlagzeug führen ein Rhythmusmuster ein, das in den Hintergrund tritt, um die Grundlage für ein Gitarrenriff zu schaffen.
Niemand wird die ekstatischen Gitarrenschreie aus dem Woodstock-Film je vergessen, der den Streifen gesehen hat.
Nach einem Gitarrensolo kommt die Orgel, die ein stürmisches Drum-Solo einleitet, bis die Gitarre mit einem zweiten Solo einfällt.
Ein derartig Solo / Jam-orientierter Song könnte zu einer langweiligen, unendlichen Angelegenheit werden.
Santana kombinieren aber ihre individuellen Fähigkeiten für catchy Melodien und groovy Rhythmen, zu einer unvergleichlichen Einheit und Dynamik.
In rasenden Tempi überrollen und überschlagen sich Perkussionselemente und Gitarrenmelodien.
Mit Soul Sacrifice gelingt der Band schon in der Frühphase ein ultimativer Klassiker der Rockmusik, der seines gleichen sucht.

Abschließend lässt sich feststellen, dass Santana mit ihrem Debut eine neue Spielart der Rockmusik eingeführt hat.
Eine Verschmelzung von lateinamerikanischen Rhythmen mit kunstvollen Improvisationen und überbordender Spielfreudigkeit -der Latin Rock war geboren.
Im Oktober 1969 kam die Platte genau richtig, um die Nachfrage die seit ihrem spektakulären Woodstock-Auftritt aufkam zu befriedigen.
Dass sie den Rat von Bill Graham befolgten, einen konventionellen Titel wie Evil Ways aufs Album zu nehmen, wurde mit einer Top 10-Platzierung in den Single-Charts belohnt.
Das Cover machte ebenfalls Furore.
In Form eines Vexierbildes wird ein Löwenkopf gezeigt, dessen Gesicht aus Menschenköpfen und -körpern gebildet wird.
Lee Conklin hatte das Bild 1968 ursprünglich für ein Fillmore West-Konzertplakat geschaffen.
Nach einer Anfrage von Carlos wurde es als Albumcover umgestaltet.
Bei allem Erfolg war es aber auch der Anfang vom Ende dieser Band.
Besetzungswechsel -> Platinalben -> Grammys -> Weltkariere; das alles hat nichts mehr mit der Band zu tun, um die es hier geht.

Bild
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Emma Peel
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Re: [REVIEW] Santana - "same" (1969)

Beitrag von Emma Peel »

Mit diesem Album eröffnete die bis zu diesem Zeitpunkt unbekannte Band Santana eine neue musikalische Türe, in dem sie lateinamerikanische Musik mit Rock verknüpften. Sie waren wegen ihres einschlagenden Erfolges Wegbereiter für viele andere Bands, die ihnen auf diesem Pfad folgten wie z.B. Malo, Azteca, Los Lobos oder Los Gatos um stellvertretend mal einige zu nennen.

Letztlich nimmt die von der Rhythmik getragene Musik einen geradezu gefangen und der sowohl gefühlvolle als auch bisweilen aggressive Gitarrenstil von Carlos Santana verfeinert und gestaltet die einzelnen Songs. Hier brennt wahrlich der Baum .....

Mit deiner mit viel Herzblut geschriebenen Rezi ist es offensichtlich, wie sehr dir dieses Album zusagt. Somit auch danke von mir für deine äußerst gelungene Rezi.

Alexboy
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Re: [REVIEW] Santana - "same" (1969)

Beitrag von Alexboy »

Sehr interessanter und schöner Text! :yes:
1970 war Santana an einem Werktag eine volle Stunde im ARD Hauptprogramm mit einem Live-Konzert vertreten. In der WDR Mediathek Rockpalast ist ein Konzert aus der Zeit zu sehen. Ich kann mich aber nicht mehr daran erinnern, ob es exakt dieses war, welches ich gesehen habe. :shock:

Nachtrag:
Santana spielen nur ca. 10 Minuten. The Flock und It's a beautiful day waren da auch. Scheinbar ein anderes Konzert.
Santana waren lt. INFOs im Net im August 1970 in Bremen und Hamburg vertreten. Wahrscheinlich eines dieser Konzerte damals im ARD - oder auch nicht. :crazy:
Tut mir leid - keine genauen INFOs und keine Aufzeichnung zu finden. :?
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Louder Than Hell
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Re: [REVIEW] Santana - "same" (1969)

Beitrag von Louder Than Hell »

Santana's Debüt ist ein Meilenstein und gehört in meinen Augen auf den Olymp der Rockplatten. Es ist nicht nur die Geburt des Latin Rocks, sondern auch die erste Verschmelzung lateinamerikanischer Elemente mit der Rockmusik. Ein derartiger Schmelztiegel konnte Ende der 60er offensichtlich nur an der Westküste der Staaten entstehen.

Mit dieser neuerschaffenen Musik folgten andere Bands, die diese Spielart auf ihre Art und Weise präsentierten. Es war eine ungeheuere Sogwirkung, die von diesem Album ausging. Seziert man das Debüt Stück für Stück, fasziniert zum einen die Rhythmik und zum anderen das alles überstrahlende Gitarrenspiel von Carlos Santana.

Hier fand letztlich ein Urknall neuer mitreißender Musik statt, die du, Andreas, bestens ins Bild gerückt hast.
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Lavender
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Re: [REVIEW] Santana - "same" (1969)

Beitrag von Lavender »

Sehr schön und interessant geschrieben und, vor allem, zu lesen.
Toleranz bedeutet, dass man auch andere Meinungen, Anschauungen oder Haltungen neben seiner eigenen gelten lässt.
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BRAIN
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Re: [REVIEW] Santana - "same" (1969)

Beitrag von BRAIN »

Santana bis ca. 1975 sind für mich das Nonplusultra :beer:
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