
Milwaukee & Friends „Crossing Borders“
Olaf Rappe, bekannt als Radiomoderator und Gitarrist, hat mit „Milwaukee & Friends“ ein beeindruckendes Projekt ins Leben gerufen. Er versammelte über 20 Musiker:innen, um ein Werk zu realisieren, das elf Songs umfasst – überwiegend Coverversionen, aber auch einen herausragenden Eigenkomposition.
Der Instrumentalsong „Cool Breeze“ ist ein wunderbarer Glanzpunkt. Getragen von den Soli der Gitarristen Miiro Heikkila, Olaf Rappe, Jochen Volpert und Ben Corner, geht dieser Song sofort ins Ohr und lädt zum Wiederhören ein. Was für uns Zuhörer:innen wie aus einem Guss klingt, ist eine feine Raffinesse: Die vier Gitarristen spielten ihre Soli ein, ohne die der anderen zu kennen, basierend nur auf der Begleitung mit einer markanten Saxophonpassage. Das Ergebnis ist schlicht sensationell und musikalisch schwer einzuordnen – Blues, Smooth Jazz, Easy Listening? Das Titel der CD, „Crossing Borders“, liefert die Antwort: Hier werden musikalische Grenzen perfekt überschritten, was alle elf Songs zu einer geschlossenen Einheit verschmelzen lässt.
Ähnlich wie bei Krissy Matthews' 2024 erschienenem Album „...with Friends“, bei dem es auch darum ging, Genregrenzen zu überwinden und Coverversionen neues Leben einzuhauchen, gelingt dies Milwaukee & Friends ebenfalls. Die Protagonist:innen trauen sich an musikalisch „fette Dinger“ und lösen diese Aufgabe perfekt. Während manche Coverversionen kritisch sehen, beweist dieses Album, dass andere Interpret:innen einem Song eine neue Identität und ein neues Leben schenken können.
Wo Matthews über 70 Freund:innen versammelte, ist die Anzahl der Mitwirkenden und Songs bei Milwaukee & Friends überschaubarer, was der Hörbarkeit und dem Spaß am Gesamtwerk sehr zugutekommt. Die Sache bleibt stets spannend und kurzweilig.
Besonders hervorzuheben ist der Opener „The Weight“ von The Band (1968). Es erfordert Mut, sich an diesen Übersong zu wagen. Milwaukee & Friends fesseln jedoch vom ersten Gitarrenriff an mit einer faszinierenden Leichtigkeit und polieren diesen über 55 Jahre alten Song wunderbar erfrischend auf.
Darauf folgt „Midnight in Harlem“ (Tedeschi Trucks Band), intoniert von Emma Wilson. Ihre Stimme ist ein echtes Brett – mein aktueller Favorit. Aber dieser Eindruck täuscht nicht darüber hinweg, dass die durch „The Weight“ hoch gelegte Messlatte in den weiteren zehn Darbietungen nie unterschritten wird. Beispielsweise stehen Paula Greene Jones’ Interpretationen von „Can’t Find My Way Home“ und „The Letter“ dem in nichts nach.
Mit einer Spielzeit von über 58 Minuten ist „Crossing Borders“ ein absolut gelungenes Werk ohne Schwächen. Das Album verdient es, in seiner Gänze gehört zu werden. Hier wurde der goldene Mittelweg gefunden: ein kompaktes, spannendes und überzeugendes Hörerlebnis.