Eigentlich hoffte der Chemiker Albert Hofmann, ein Kreislauf- und Atmungsstimulans zu entwickeln, als er 1938 im Rahmen seiner Mutterkorn-Forschung die Substanz LSD-25 herstellte. Im Tierversuch zeigte die Substanz jedoch nicht die erhofften Wirkungen und wäre wohl in Vergessenheit geraten, hätte Hofmann sie nicht 1943 nochmals hervorgeholt und an sich selbst getestet. Allerdings in einer viel zu hohen Dosis, obwohl er der Meinung war, diese extrem gering gewählt zu haben. 19. April 1943: "Ich konnte nur noch mit grösster Anstrengung verständlich sprechen, alles in meinem Gesichtsfeld schwankte und war verzerrt wie in einem gekrümmten Spiegel. Schwindel und Ohnmachtsgefühle, alles im Raum drehte sich, die vertrauten Gegenstände und Möbelstücke nahmen groteske, bedrohliche Formen an, waren in dauernder Bewegung, wie belebt, wie von innerer Unruhe erfüllt. Die Nachbarsfrau, das war nicht mehr Frau R., sondern eine bösartige, heimtückische Hexe mit einer farbigen Fratze. Ein Dämon hatte von mir Besitz ergriffen. Eine furchtbare Angst, wahnsinnig geworden zu sein, packte mich. Mein Körper erschien mir gefühllos, leblos, fremd. Lag ich im Sterben ? War das der Übergang ? Zeitweise glaubte ich, ausserhalb meines Körpers zu sein. Langsam kam ich wieder zurück in die vertraute Alltagswirklichkeit und begann das unerhörte Farben- und Formenspiel zu geniessen, dass hinter meinen geschlossenen Augen andauerte. Kaleidoskopartig drangen bunte, fantastische Gebilde auf mich ein, in Kreisen und Spiralen sich öffnend und schliessend, in Farbfontänen zersprühend, in ständigem Fluss. Akustische Wahrnehmungen verwandelten sich in optische Empfindungen. Jeder Laut erzeugte ein in Form und Farbe entsprechendes, lebendig wechselndes Bild". (Auszüge aus 'LSD - mein Sorgenkind', von A. Hofmann). Soviel zum ersten LSD-Trip der Geschichte.
Der Schweizer Chemiker Hofmann hatte das damals potenteste Halluzinogen entdeckt. Er selber sagte, das LSD sei 'zu ihm gekommen'. Andere nannten ihn den Mann, der Gott ins Handwerk gepfuscht hat. Wie dem auch sei: wohl kaum eine Substanz hat die Musikkultur in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts so stark beeinflusst wie LSD. Porcupine's "Voyage 34" beschrieb akustisch und mit gelegentlichen Erklärungen (kein Gesang) die Wirkung, die Entfaltung und das Herunterkommen nach der Einnahme eines LSD-Trips. Diese Idee war nicht neu, schon in den Hippiejahren zu Mitte der 60er Jahre gab es mit Dr. Timothy Leary einen sogenannten 'Drogenprophet', der sich dem LSD ausgiebig widmete und darüber auch Platten machte. Leary gehörte zu einer der schillerndsten Figuren einer freien Jugend in den 60er Jahren und als einer der intellektuellen Vorreiter der Hippiekultur. Doch zurück zu Porcupine Tree.
Die Band war zunächst eigentlich ein Soloprojekt von Steven Wilson. Parallel zu seiner Arbeit mit Tim Bowness (No-Man) nahm er, beeinflusst von psychedelischen Rockbands aus den 70er Jahren, in seinem zu Hause eingerichteten Studio erste Tapes auf. Da er befürchtete, dass ihm als Hobbymusiker die Anerkennung versagt bleiben könnte, erfand er die fiktive Band Porcupine Tree, die sich angeblich nach einem längeren Gefängnisaufenthalt auf einem Rock-Festival in den 70er Jahren zusammengefunden hatte. Er fälschte eine zugehörige Diskografie und veröffentlichte 1989 eine 80-minütige Kassette mit dem Titel "Tarquin’s Seaweed Farm", die bereits eine erste Version des später sehr erfolgreichen Titels "Radioactive Toy" enthielt. Der Song wurde zum bekanntesten Titel aus der Frühphase von Porcupine Tree. Im Inlay der Kassette waren die fiktiven Informationen über Porcupine Tree abgedruckt. Es folgten weitere Kassetten in Kleinstauflagen, die zunächst nur wenig Beachtung fanden. Dennoch nahm ihn die vom britischen Untergrundmagazin Freakbeat neu gegründete Plattenfirma Delerium Records als ersten Künstler unter Vertrag. Das Porcupine Tree-Stück "Linton Samuel Dawson" wurde auf einem Sampler der Plattenfirma veröffentlicht und "Tarquin’s Seaweed Farm" erschien in etwas grösserer Auflage ein zweites Mal.
1992 wurde das eigentlich erste Album "On The Sunday Of Life" in einer Auflage von 1000 Kopien auf Schallplatte veröffentlicht. Dieses Album enthielt eine Auswahl der besten Stücke aus den bis dahin veröffentlichten Tonträgern und war bereits kurz nach der Veröffentlichung ausverkauft. Aufgrund der hohen Nachfrage wurde die Platte nachgepresst und das Album zudem auf CD veröffentlicht. Bis zum Jahr 2000 wurden von "On The Sunday Of Life" mehr als 20000 Stück verkauft. In der Folgezeit wandelte sich der Stil von Wilson's Veröffentlichungen hörbar. So erschien im November 1992 die ungefähr 30 Minuten lange EP "Voyage 34". Die Musik vermischte Einflüsse aus Ambient und Trance und lehnte sich an Werke von Gruppen wie The Orb oder Future Sound Of London an. Die Stücke waren geprägt durch lange Soli, die als 'Liquid Rock' bezeichnet wurden, sowie eine Erzählung, die von einem LSD-Trip berichtet. Die EP erhielt gute Kritiken und erreichte die Top 20 der UK Independent Singles Charts. Ende 1993 folgte eine zweite "Voyage 34"-EP (Phase 3 und 4), die den Drogentrip zu Ende führte. Alle vier Stücke wurden im Jahr 2000 überarbeitet auf einer CD wiederveröffentlicht.
Ursprünglich erschienen die Originalaufnahmen der EP's "Voyage 34" und "Voyage 34 Remixes" von Porcupine Tree nur in geringen Auflagen. Beide Platten, die 1992 und 1993 von Delerium Records veröffentlicht wurden, zeigten Porcupine Tree von einer ganz anderen, ziemlich psychedelischen Seite. Das vierteilige "Voyage 34" war die musikalische Umsetzung des 34. LSD Trips von Brian, der dabei eine sehr traumatische Reise erlebte. Entsprechend dem Thema waren die vier Teile von "Voyage 34" sehr atmosphärisch gehalten, alle Titel verarbeiteten jedoch auf verschiedene Weise dasselbe Grundthema. Während der erste Teil der insgesamt vier Teile noch noch recht spacig, wie eine Vermischung von Ozric Tentacles und Pink Floyd kliang und dabei in traumhafter Verbindung World Music, Space Rock und transparente Sounds verschmolz, war Teil 2 vielleicht die mitreissendste Version, weil hier neben wavigen Synthesizerklängen, die stellenweise frappant jenen von Pink Floyd in deren Song "Welcome To The Machine" ähnelten, vor allem die Gitarre, gefühlvoll mit Bottleneck gespielt, in völlig weite Fernen entschwebte, aber dennoch mit eindringlicher Rhythmik die Bodenhaftung behielt. Dieses Fundament erinnerte über weite Strecken an den markanten Grundgroove von Pink Floyd's "The Wall". Alle vier Parts waren rein instrumental gehalten, lediglich untermalt von einigen gesprochenen Textaussagen, die Drogen weder verherrlichten oder glorifizierten, aber dennoch die Frage offen liessen, warum sich immer mehr Jugendliche in ihre eigene Traumwelt begaben.
Der Trip begann als erster Teil mit einer gesprochenen Einführung in den LSD-Trip (und auch in die Platte selbst: "This remarkable, sometimes incoherent transcript illustrates a phantasmagoria of fear, terror, grief, exaltation and finally breakdown. Its highlights have been compressed on this recording to make their own disquieting points". Das Bemerkenswerte an dem ganzen Trip war, dass Steeven Wilson hier die Einnahme eines LSD Trips eigentlich nicht verherrlichen wollte, sondern eher diesen als eine eher schlechte Erfahrung darstellen wollte. Im Gegensatz zur eigentlichen textlichen Warnung vor einem solchen Trip stand jedoch die dazu gespielte Musik, denn sie wirkte eher höchst positiv und euphorisch und so gar nicht depressiv oder gar gefährlich. Vielleicht war dies aber pure Absicht des Künstlers. Die fiktive Person Brian, die auf diesen LSD Trip ging, dürfte mit grosser Wahrscheinlichkeit Steven Wilson selbst gewesen sein, falls nicht, konnte man Wilson immerhin eine grosse Phantasie attestieren, denn die gesprochenen Worte, also der beschriebene Trip wirkte durchaus 'selbst erlebt' und war nachvollziehbar, was den Ablauf des Trips anbetrifft. Trotzdem stellte Wilson am Ende die hypothetische Frage: "Is this Trip really necessary ?" gleich mehrfach als Sprachloop.
Musikalisch wurde man auch ohne grösseres Interesse am Ablauf eines LSD Trips durch einen absolut fetten, aber auch sehr spannenden Sound entschädigt und in eine eigene Welt entführt. Während die ersten beiden Teile hauptsächlich von der Gitarre und dem floydigen Rhythmus getragen wurden, gerieten die Teile drei und vier wesentlich sphärischer und waren hauptsächlich von elektronischen Sounds durchzogen. Part 3, der längste Teil mit fast 20 Minuten Spielzeit, zog seine Klanglandschaften aus dem Ambientbereich, diese waren durchsetzt von eher spartanischen, allerdings kontinuierlich sich wiederholenden Beats und einigen akustischen Gitarrenparts. Teil vier wiederum klang fast schon wie ein indischer Raga, der untermalt von einem fast gleichbleibenden Grundton sich minimalistisch in Soundscapes und New Age Klängen verlor. Wer Steven Wilson's Frühwerk kennt, und auch seine späteren Porcupine Tree-Werke mag, die er mit einer festen Band einspielte, der kann mit "Voyage 34" einer Platte lauschen, welche den Künstler ziemlich genau in der Mitte dieser beiden Phasen zeigt, einer Phase, die bereits andeutete, dass der ursprünglich noch sehr versponnene Freaksound eines Einzelmusikers bald schon zu einem Progrock in Bandstärke mutierte.
[REVIEW] Porcupine Tree • Voyage 34: The Complete Trip (1992-1993, 2000)
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[REVIEW] Porcupine Tree • Voyage 34: The Complete Trip (1992-1993, 2000)
Die wunderbare Zumutung, selbst denken dürfen zu müssen.
Haben ist besser als brauchen.
(Alte Plattensammlerweisheit)
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Re: [REVIEW] Porcupine Tree • Voyage 34: The Complete Trip (1992-1993, 2000)
Mußte dieser Trip wirklich sein?
also:
Nimm einen Joint mein Freund!
So hatte mir Porcupine Tree noch mit am Besten gefallen. Starkes Album!
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Tschüß
nixe
Musik hat die Fähigkeit uns geistig, körperlich & emotional zu beeinflussen!
!!!I like Prog!!!
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Re: [REVIEW] Porcupine Tree • Voyage 34: The Complete Trip (1992-1993, 2000)
Wieder einmal hast Du eine tolle Rezension geschrieben. Dieses für mich floydigste Album von Porcupine Tree mag ich sehr.
„Musik ist eine Welt für sich, mit einer Sprache, die wir alle verstehen." Stevie Wonder