[REVIEW] Decameron • Say Hello To The Band (1973)

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Beatnik
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[REVIEW] Decameron • Say Hello To The Band (1973)

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Die britische Folkrock-Band Decameron veröffentlichte ihr erstes Album "Say Hello To The Band" beim progressiven Label Vertigo Records und war damit eigentlich nicht gerade am richtigen Ort gelandet. Vertigo führte zwar mit der Gruppen Magna Carta, Fairfield Parlour oder Tudor Lodge sowie den Musikern Ian Matthews, Mike Absalom und Gordon Waller weitere Künstler aus dem Folkrock-Bereich im Veröffentlichungs-Portfolio, jedoch waren ausser Magna Carta keine anderen Künstler oder Bands mit ihren Werken nennenswert erfolgreich. Ein kommerzieller Misserfolg war letztlich auch das erste Album der Band Decameron, die 1968 in Cheltenham (Gloucestershire) von Johnny Coppin (Gitarre, Gesang) und Dave Bell (ebenfalls Gitarre und Gesang) gegründet worden war. 1971 kamen zu den beiden Troubadouren noch der Leadgitarrist Al Fenn, der auch Mandoline spielte und Jeff March hinzu, der Geige und Cello beisteuerte. Einer der frühen Manager von Decameron war Jasper Carroo, der später in England als Comedian sehr erfolgreich war. 1973 unterzeichnete die Gruppe bei Vertigo und veröffentlichte das Debutalbum "Say Hello To The Band" noch im selben Jahr. Die Plattenfirma Vertigo änderte indes in genau dieser Zeit ihre musikalische Ausrichtung, hin zu eher kommerzielleren Acts, nachdem sie bei sehr vielen ihrer frühen Veröffentlichungen zumeist Produktionsverluste hinnehmen musste. Decameron erhielten dadurch eher zu wenig Unterstützung, konnten das Album auch viel zu wenig promoten, was sich auf die Verkaufszahlen niederschlug.

Dabei geriet "Say Hello To The Band" mit der zusätzlichen Unterstützung einiger hochkarätiger Studiomusiker, welche beispielsweise auch bei Ian Matthews in dessen Backing Band mitspielten, zu einem wirklich fabelhaften Album, das eine Gruppe zeigte, die nicht nur in den traditionellen Folkbereichen zuhause war, sondern gerade auch den Folkrock etwa von Lindisfarne ziemlich gut beherrschte. Decameron beschritten damit einen Weg, der den britischen Folk weitgehend aus der Isolation führte und gesellschaftsfähig auch für Rockfans machte. Dass die beiden Hauptakteure der Band dabei die innovativste Rolle einnahmen, war umso bemerkenswerter, weil sie eigentlich im traditionellen englischen Folk zuhause gewesen waren. Aber gerade die Kompositionen von Johnny Coppin waren zukunftsgerichteter als so manch andere Lieder von Folkmusikern in jenen Tagen. Auch Dave Bell hatte massgeblichen Anteil am neuen Folkrock-Sound aus England. Decameron folgten einem Trend, der eigentlich gar nicht mehr so neu war, aber durch ihre ausgefeilten Kompositionen waren sie qualitativ mit Fairport Convention oder Lindisfarne durchaus vergleichbar. Was ihre breite Stilvielfalt anbetrifft, konnten sie auch mit Magna Carta, die einer ähnlichen Soundentwicklung folgten, problemlos mithalten.

Das Album präsentierte etliche wundervolle Songperlen wie beispielsweise das an den alten Seafarer-Songs angelehnte "Byard's Leap", ein traditionelles Folkthema, dem Decameron ein überraschend modern klingendes, aber trotzdem sehr traditionell gehaltenes Arrangement verpassten. Der Song dürfte bis heute einer der Schönsten der Gruppe gewesen sein, der allerdings erst sehr viel später von den Fans entdeckt wurde. "Byard's Leap" wurde viel gespielt an Konzerten, war fester Bestandteil ihrer Live Sets, auch Jahre später noch. Das Titelstück "Say Hello To The Band" hatte eigentlich alle Zutaten einer Hitsingle, wurde jedoch unerklärlicherweise nicht als Single ausgekoppelt. Eine einfachst mitsingbare Melodie, ein schöner mehrstimmiger Refrain und eine fröhliche Gemütlichkeit strahlte der Song aus, der - an den Anfang des Albums gestellt - gleich den Einstieg in ein als schön empfundenes Hörvergnügen einleitete.

Daneben bot das Album "Say Hello To The Band" eine prächtige Sammlung verschiedenster Folk- und Folkrock-Stimmungen, die vom traditionell gehaltenen Folk, über rockige, teils sogar mit einer elektrischen Wah Wah-Gitarre versehene Folkrocker bis hin zu melancholischen Poprock-Momenten eine überaus unterhaltsame Mixtur umfasste, die auch qualitativ überzeugen konnte. Aus heutiger Sicht kann man sagen, dass die Gruppe Decameron bei ihrem Versuch, dem traditionellen britischen Folk ein Rockgewand umzuhängen, das überzeugend klingt, wesentlich näher waren als bei ihren Folgewerken. Immerhin stellte sich später wenigstens noch ein bisschen Hit-Flair ein, ein Feeling, das dem Debutalbum leider noch nicht beschieden war, obwohl die Voraussetzugnen dafür gegeben waren.

Im folgenden Jahr kamen mit dem Bassisten und 12-Saiten Akustikgitarristen Dik Cadbury und Geoff March als Keyboarder zwei weitere Musiker zu Decameron. Die Gruppe unterzeichnete nach ihrem weitgehend erfolglosen Debutalbum einen neuen Plattenvertrag bei Mooncrest Records, bei welchem zur selben Zeit auch der ehemalige Vertigo-Künstler Ian Matthews unterschrieben und sein Album "Journeys From Gospel Oak" präsentiert hatte. Das zweite Werk von Decameron erhielt den Titel "Mammoth Special" und zeigte eine Band, die den eingschlagenen Kurs vom einfachen Folk zum immer stärkeren Einfluss von Pop und Rock konsequent weiterverfolgte. Ab jetzt hatte die Band ihren Stil wohl gefunden, und der war wesentlich näher an Folkrockgruppen wie String Driven Thing mit verzerrten Gitarren und einer Geige als oftmals dominierendem Instrument. Trotzdem behielten sie die typischen Folk-Elemente auch weiterhin in ihren Kompositionen drin, sie wurden nur einfach spärlicher und eher zweitrangig. Ein drittes Album war noch geplant, das ebenfalls bei Mooncrest Records hätte erscheinen sollen, jedoch im Archiv verschwand. Eine Katalognummer für die Veröffentlichung war bereits vergeben. Weshalb die Platte, die entweder "Beyond The Light" oder "Beyond The Days" heissen sollte, nicht erschien, ist nicht ganz klar. Einige Titel, welche die Gruppe für dieses dritte Album eingespielt hatte, konnte man später allerdings auf einigen Samplern hören.

Erst 1975, jetzt bei Transatlantic Records unter Vertrag, erschien dann mit "Third Light" das dritte Album von Decameron, das von Tom Allom produziert wurde. Mit dem Opener "Rock And Roll Away" gab die Band hier die Richtung vor. Zumindest wollte sie das, aber bei diesem Werk sollte sich die Zusammenarbeit zwischen der Band und einem Rock-Produzenten als nicht fruchtbar erweisen. Die Vorstellungen vom Sound der Band gingen teils drastisch auseinander. Während Tom Allom auf Gradlinigkeit und gefällige, ohrwurmgerechte Melodien setzte, die tough und klar arrangiert werden sollten, wollten die Musiker der Band eher ihren verspielten und düdeligen Folkrock weiter pflegen. Gerade das Stück "Rock And Roll Away" war in seiner ursprünglichen Version, so wie sie von Johnny Coppin und Dave Bell aufgenommen und für die Veröffentlichung vorgeschlagen wurde, wesentlich perkussiver gehalten, und mit dem mehrstimmigen und mehroktavigen Gesang auch sehr viel opulenter im Gesamtcharakter. Tom Allom strich praktisch alles aus der Nummer heraus, was nicht unbedingt erdig klang und am Ende blieb vom Rock'n'Roll-Orkan bestenfalls noch ein laues Lüftchen übrig.

Diese bittere Erfahrung prägte die weitere Zukunft der Band entscheidend. Einerseits sollte der Folkanteil immer mehr in den Hintergrund treten, doch auch der von Decameron definierte Folkrock sollte nun ausradiert werden. Wie eine gewöhnliche Popband wollten Decameron aber nicht klingen. Ein Jahr später veröffentlichten Decameron mit "Tomorrow's Pantomime" ein letztes Album. Der Tiefpunkt war da erreicht. Mit "Dancing" wurde zwar noch eine Single veröffentlicht, die ordentlich Radio-Airplay generieren konnte, doch was man hier zu hören bekam, hatte letztlich nichts mehr mit jenen Decameron zu tun, die noch einige Jahre zuvor mit "Say Hello To The Band" ein so hervorragendes und ausgewogenes, ebenso vielseitiges wie homogenes Album präsentiert hatten.

Die wunderbare Zumutung, selbst denken dürfen zu müssen.

Haben ist besser als brauchen.
(Alte Plattensammlerweisheit)
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