[REVIEW] Collie Ryan • The Rainbow Recordings (1972/2009)

Antworten
Benutzeravatar

Topic author
Beatnik
Beiträge: 4866
Registriert: So 9. Apr 2023, 18:11
Wohnort: Zwischen den Meeren
Has thanked: 5914 times
Been thanked: 6017 times
Kontaktdaten:

[REVIEW] Collie Ryan • The Rainbow Recordings (1972/2009)

Beitrag von Beatnik »

Collie Ryan ist ein Landmädchen, träumerisch und hippiesk. Und sie hat eine engelsgleiche Stimme, die irgendwo zwischen Joan Baez, Kate Bush und Vashti Bunyan pendelt. Fast sirenenhaft singt sie manchmal, und sie trägt einem auf wundersame Weise einfach weg. Collie Ryan ist Studentin der Theosophie, als sie sich dazu entschliesst, im Jahre 1973 in kleinstem, privatem Rahmen drei Schallplatten mit ihren Musikstücken pressen zu lassen. Die Stückzahlen sind dermassen gering, dass alle drei Alben innert weniger Monate komplett verkauft sind. Die Finanzierung für diese drei Alben wird ihr durch Freunde bei der New Age Farm, einer Produktionsfirma für Karotten- und Frischsäfte in Lompoc, Kalifornien, ermöglicht. Die wenigen gepressten Schallplatten werden bei ihren spärlichen Auftritten im Sun and Earth Health Food Restaurant in Santa Barbara verkauft. In den Liedern geht es hauptsächlich um die theosophischen Konzepte von Karma und Reinkarnation. Collie Ryan trägt ihre lieblichen und subtilen Geschichten mit der akustischen Gitarre vor.

Colllie Ryan's Musik ist so wunderbar einfach wie geheimnisvoll und leicht entrückt wirkend. Sie schafft immer wieder eine Atmosphäre mit Gänsehaut-Faktor, und das mit nichts anderem als ihrer hohen, vogelartigen Stimme und ihrer klar im Folk beheimateten Art, die akustische Gitarre zu spielen. Nur gelegentlich fügt sie ein bisschen Hall in den Klang ihrer Gitarre und mit weiteren natürlichen Soundeffekten schafft sie eine geradezu mystische Atmosphäre, die durchaus als schwebender Zustand umschrieben werden kann. Leider ist über diese absolute Ausnahmekünstlerin so gut wie nichts in Erfahrung zu bringen und kurz nachdem diese drei Platten entstanden und verkauft wurden, verschwindet Collie Ryan komplett von der Bildfläche. Was überliefert ist: Sie lebt danach in völligem Einklang mit der Natur und arbeitet als Künstlerin - malt unter anderem Mandalas auf Radkappen.

2009 erscheint auf Bella Terra Records in Korea eine Box mit den drei Alben von Collie Ryan, mit dem Titel "The Complete Rainbow Recordings". Dieses Set umfasst alle Aufnahmen, welche die Künstlerin 1972 in einem kleinen Tonstudio eingespielt und auf dem Plattenlabel Rainbow Recordings veröffentlicht hat. Ihre Songs auf den drei Platten, die hier einzeln auf 3 Mini LP CDs in einem Schuber verteilt sind, versprühen einerseits 60er Jahre Hippie-Glückseligkeit, und trotzdem meint man auch immer ein bisschen Hope Sandoval-Flair zu hören, also leicht melancholischen, oftmals nicht ganz greifbaren Folk. Durch die Untermalung natürlicher Geräusche entsteht ausserdem so etwas wie ein New Age Charakter, dies jedoch nur ganz sanft und keineswegs esoterisch-abgehoben.

Ihrer schwebenden Musik liegt immer ein feiner Hauch von Mystik inne, etwa in Songs wie "On Out Over The North Star", "Brother Sun Sister Moon" oder "Starbright (Song Of Silence)". Vor den Aufnahmen, etwa ums Ende der 60er Jahre gehört sie einer Hippie-Kommune an und singt vorwiegend Songs von Donovan, schreibt zu jenem Zeitpunkt aber noch keine eigenen Songs. Stattdessen ist sie bereits bekannt für ihre Malerei. Sie malt Bilder von Buddhas und Hindu Gottheiten. Später beginnt sie dann, Lieder zu schreiben und hat angeblich bis 1972 an die 700 mystische Songs komponiert. Ihr damaliger Produzent erinnert sich an diese Zeit: "She was sort of like 'The Goose that laid Golden Eggs'. Her Songs were usually written after deep discussions of Philosophy between her an Larry, who was a student of Theosophy and an Associate of The United Lodge of Theosophists. The topics were of the Universal Brotherhood of Man, the Oneness of Life, the Journey of the Soul, and other universal concepts. They had become like Gypsies, Wanderers, Seekers of Truth".

Ein entscheidendes Merkmal der Musik von Collie Ryan ist, dass sie ihre Songs nicht durchkomponiert und ausarbeitet im eigentlichen Sinne, sondern ihre Songs entstehen sehr oft einfach spontan, zumeist entstammen sie den Ideen beispielsweise des Bhagavad Gitas oder der indischen Vedas. Manchmal nimmt sie einfach ihre Gitarre in die Hand, spielt und singt ganz spontan einen zuvor nicht aufgeschriebenen Text und spielt dazu eine vorher nicht einstudierte Musik. Diese Spontaneität hört man auch auf vielen ihrer Songs heraus. Und Collie Ryan schreibt am Ende der Liner Notes gleich auch, wie ihre Musik gehört werden sollte:

"I would like to thank all my listeners, for their efforts toward hearing with the inner ear".

Göttlich.

Bild



Es müssen nicht immer neue Wege sein.
Man kann auch alte neu entdecken.

Das Leben ist zu kurz für Fragezeichen.

The only good System is a Sound System 8-)
Benutzeravatar

Emma Peel
Beiträge: 4664
Registriert: So 16. Apr 2023, 18:13
Wohnort: Norddeutschland
Has thanked: 4527 times
Been thanked: 5030 times

Re: [REVIEW] Collie Ryan • The Rainbow Recordings (1972/2009)

Beitrag von Emma Peel »

Collie Ryan dürfte weder mir, wie wahrscheinlich auch den anderen Mitgliedern kein Begriff gewesen sein. Zudem sagte mir das Studienfach Theosphie erst einmal gar nichts, aber das Internet konnte Abhilfe schaffen. Was ich zum Beispiel auch nicht wusste, dass es seit dem Jahre 1875 eine theosophische Gesellschaft in den Staaten gab, die nach bestimmten Regeln lebte.

Nun aber zu ihrer Musik, die ich spontan der Sparte des Singer/ Songwriter zuschreiben würde. Der Folk spielt sicherlich auch hier noch hinein. In der Tat besaß die Dame eine klare und durchdringende Stimme, die ihren Musikstücken die entsprechende Aura verlieh. Auch das Einbringen von Naturgeräuschen verlieh dem Ganzen nicht nur einen besonderen Glanz, vermittelte auch eine gewisse Glaubwürdigkeit, was ihr thematisches Anliegen unterstrich.

Was mich allerdings überrascht, warum das Mädel im Jahre 1973 gleich drei Tonträger auf einmal aufnahm und dann nie wieder. Aber dieses wird wohl ein ewiges Geheminis der Künstlerin bleiben.
Benutzeravatar

Louder Than Hell
Beiträge: 5361
Registriert: So 16. Apr 2023, 18:01
Wohnort: Norddeutschland
Has thanked: 6376 times
Been thanked: 6282 times

Re: [REVIEW] Collie Ryan • The Rainbow Recordings (1972/2009)

Beitrag von Louder Than Hell »

Mäse, wie bist du über diese außergewöhnliche Musikerin gestoßen? Denn auch ich habe vorher rein gar nichts von Collie Ryan gewußt, was sich aber durch deine umfassende Rezi geändert hat.
Benutzeravatar

Topic author
Beatnik
Beiträge: 4866
Registriert: So 9. Apr 2023, 18:11
Wohnort: Zwischen den Meeren
Has thanked: 5914 times
Been thanked: 6017 times
Kontaktdaten:

Re: [REVIEW] Collie Ryan • The Rainbow Recordings (1972/2009)

Beitrag von Beatnik »

Ich war damals auf Collie Ryan aufmerksam geworden, weil sie einer der Acts des Bella Terra Labels war. Zu der Zeit bestellte ich Unmengen an CDs und Mini LP CDs aus Japan. Da wanderte dann auch die feine Folksängerin mal in den Einkaufskorb. Hab ich nie bereut. 😉
Es müssen nicht immer neue Wege sein.
Man kann auch alte neu entdecken.

Das Leben ist zu kurz für Fragezeichen.

The only good System is a Sound System 8-)
Antworten

Zurück zu „Reviews“