[REVIEW] Louise Hoffsten • Knäckebröd Blues (1998)

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Beatnik
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[REVIEW] Louise Hoffsten • Knäckebröd Blues (1998)

Beitrag von Beatnik »

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Es gibt Platten, die sind so sehr Herzensangelegenheit, dass man sie unmöglich irgendwie subjektiv beurteilen kann. Auf den ersten Blick wirkt denn auch diese Platte der schwedischen Bluessängerin Louise Hoffsten bloss eine unter zahlreichen anderen vielfach gehörten Bluesveröffentlichungen einer Vertreterin dieses musikalischen Genres. Und dennoch hat sich mir dieses tolle Werk sofort in mein Herz hineingespielt. Das liegt zum einen sicherlich an der direkten und völlig homogenen und ungehypten reinen Blues- und Bluesrock-Musik, die hier zu hören ist, andererseits aber auch an der sehr ehrlichen Stimme von Louise Hoffsten, die zu keiner Zeit versucht, nach irgendeiner grossen Blueskünstlerin klingen zu wollen. Eine ehrliche Haut, die mit ehrlicher Musik ohne Schnörkel einfach toll unterhalten kann. An lediglich einen einzigen selbstkomponierten Song reiht sich ausschliesslich Fremdmaterial, das allerdings von Frau Hoffsten perfekt ausgesucht wurde. So beginnt diese Platte mit einem Stück aus der Feder von Frankie Miller so richtig herzhaft rockend. "The Seduction Of Sweet Louise" spielte Louise Hoffsten schon während mindestens einer Dekade und griff diesen Titel für dieses Werk erneut auf und spielte es im Tonstudio komplett neu ein. Ein Titel, der mit seinem Namen natürlich alleine schon als eine Art zündender Funke auf die Protagonistin verstanden werden kann. Vermutlich erkennt sie sich gleich selber darin, was absolut legitim ist. Und sie liefert in der Folge auch locker den Beweis für diese Verführung ("Seduction"). Verführt worden ist sie, die Frau Hoffsten, verführt von den grossen Blues- und Bluesrockmusikern unserer Zeit.

Hoffsten, geboren am 6. September 1965 in Linköping Schweden, versuchte sich schon an allerlei musikalischen Genres, wobei sie allerdings am Ende stets beim Blues hängen blieb. Auch weil sie perfekt die Bluesharp spielen kann, ergab sich das beinahe zwangsläufig. Die Musik wurde Louise Hoffsten schon in die Wiege gelegt, denn ihr Vater Gunnar war bereits ein bekannter schwedischer Musiker, der hervorragend Trompete in der schwedischen Jazz-Szene spielte. Das stilistische Markenzeichen von Louise Hoffsten war lange Zeit, dass sie sich selbst keine Schranken auferlegte, offen war für alle möglichen Spielarten nicht nur des Blues, sondern auch der Folkmusik oder des Rock. Am überzeugendsten allerdings war sie immer dann, wenn sie sich innerhalb des Blues-Bereichs austobte und dabei sowohl den Rock, wie auch den Jazz oder den klassischen Rhythm & Blues streifte. In Verbindung mit ihrem hervorragenden Bluesharp-Spiel schuf sie sich letztlich den Ruf, die beste weibliche Bluesstimme Schwedens zu sein.

Das Schicksal in ihrem Leben schlug allerdings schon sehr früh zu: Im Jahre 1996 wurde bei ihr die Krankheit Multiple Sklerose festgestellt, doch trotz dieses grossen gesundheitlichen Handicaps, das noch zusätzlich von einer Depression begleitet war, kämpfte sich Louise Hoffsten stets durch ihre Musikkarriere und schaffte es, 1998 diese grandiose Platte zu veröffentlichen. Neben dem beseelten Bluesrocker "The Seduction Of Sweet Louise" überzeugt die Musikerin auch mit den nachfolgenden Titeln "Baby Don't You Tear My Clothes", einer wenig bekannten Nummer von Sam Hopkins und "Love To Love You" von Johnny Guitar Watson. Ihr selbst verfasster Titel "Belly Up Blues" überzeugt ebenso wie die weiteren Coversongs, die zum Teil als echte Klassiker vielleicht schon hundertfach nachgespielt wurden. Sie erfahren in de Version von Louise Hoffsten eine echte Bereicherung. Am stärksten und beeindruckendsten röhrt die Dame bei John Lee Hooker's Klassiker "It Serves You Right To Suffer", von welchem ich neben der legendären Coverversion der J. Geils Band kaum eine Variante des Songs kenne, die ergreifender und glaubwürdiger herüberkommt - inklusive John Bonham Gedächtnis-Schlagzeug (!!). Ebenfalls aus der Feder eines weiteren berühmten Bluesveterans stammen die beiden Titel "I Just Wanna Make Love To You" und "Weak Brain, Narrow Mind", zwei Songs des legendären Bluesmusikers Willie Dixon. Während ersterer spätestens seit Foghat's rockiger Variante recht bekannt ist, dürfte Louise Hoffsten mit "Weak Brain, Narrow Mind" einen eher wenig bekannten Titel aus dem enormen Fundus von Willie Dixon gewählt haben. Dies ist deswegen interessant, weil man solche Titel nur selten überhaupt einmal als gecoverte Versionen zu hören bekommt.

Das schöne "I Pity The Fool" und das nicht minder ansprechende "I Guess I'm A Fool" sind zwei weitere tolle Coversongs, die auch eine melancholischere Seite der Bluesmusikerin streifen. Mit "God Don't Ever Change" driftet Louise Hoffsten gar in eine schon fast Hillbilly-ähnliche Richtung, spielt hier gekonnt mit uramerikanischen Country-Traditionen. Larry Williams' "Slow Down" und Sam Hopkins' "Darling Do You Remember Me" sind zwei weitere tolle Bluesnummern, die sich ebenfalls schon aufgrund ihrer instrumentalen Umsetzung mit leiseren und differenzierteren Tönen vom üblichen 08/15-Bluesschema abzuheben wissen, sodass am Ende eine sehr vielfältige und äusserst unterhaltsame Platte entstanden ist, über die sich die bekannte Bluessängerin und Pianistin Marcia Ball wie folgt äusserte: "Louse Hoffsten proves that the Blues can cross the ocean and lay you low wherever you are. When you're blue, you're by god blue. Louise puts it all out there - sadness and trouble, defiance and the will to go on - in a pure emotive voice that holds you from the first note. She covers some great classics and really delivers the goods".

Louise Hoffsten hat mit diesem in Stockholm eingespielten und in Memphis abgemischten Werk einen dieser vielen stillen Klassiker abgeliefert, die leider nur selten ausserhalb ihres Heimatlands, in diesem Falle Schweden, wahrgenommen werden. Dank des weltweiten Vertriebs der Platte kann man sie aber jederzeit auch heute noch entdecken, was sich unbedingt lohnt. Ein tolles Blues-Scheibchen, das zu keinem Zeitpunkt versucht, einem vom Hocker zu hauen oder übermässig Aufmerksamkeit zu erhaschen, also: just good music!



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Beatnik
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Re: [REVIEW] Louise Hoffsten • Knäckebröd Blues (1998)

Beitrag von Beatnik »

So ein Harp Solo kann ganz schön sexy rüberkommen...ich liebe die Dynamik und Power dieser Dame 8-)







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Louder Than Hell
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Re: [REVIEW] Louise Hoffsten • Knäckebröd Blues (1998)

Beitrag von Louder Than Hell »

Wieder entführst du mich in eine Welt, wo ich eingestehen muss, die Musikerin gar nicht gekannt zu haben.

Laut Discogs hat sie im Verlauf der zurückliegenden Jahrzehnte etliche Tonträger herausgebracht, die allesamt an mir vorbeigerauscht sind. Was letztlich schade ist, denn deine Songbeispiele haben mir ausgesprochen gut gefallen. Zudem ist sie eine versierte Harpspielerin, was wohl im Bluesbereich auch nicht allzu oft vorkommt.

Die niederschmetternde Erkrankung ist natürlich eine Geißel, die sie aber offensichtlich gut aufgefangen hat. Da kann man nur noch den Hut ziehen.

Dank deiner Rezi ist mir jetzt auch der Knäckebrot Blues vertraut.
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Vincent Price
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Re: [REVIEW] Louise Hoffsten • Knäckebröd Blues (1998)

Beitrag von Vincent Price »

sorry, falscher thread
All we are is dust in the wind. ;)
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