[REVIEW] Bucky Halker And The Complete Unknowns • Passion, Politics, Love (1996)

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Beatnik
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[REVIEW] Bucky Halker And The Complete Unknowns • Passion, Politics, Love (1996)

Beitrag von Beatnik »

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Bucky Halker ist einer der vielen namenlosen Americana-Musiker aus Amerika, die in regelmässiger Folge Album um Album veröffentlichen - eines besser als das andere, die es nie bis zu unseren Gehörgängen schaffen. In der Regel ist das so - im Falle von Bucky Halker gab es 2006 - über ein Jahrzehnt, nachdem diese Aufnahmen entstanden waren - immerhin die Chance, eine Platte in der kleinen Schweiz beim feinen Brambus Plattenlabel exklusiv für den europäischen Markt zu veröffentlichen. Wäre diese glückliche Fügung nicht eingetreten, hätte ich bestimmt nie ertwas von diesem wunderbaren Musiker gehört, der sich selbst auf seiner Webseite als Folksänger, Schreiber, Rocker, Lehrer, Gesangsarbeiter ("Labor Songster") und Alt-Country Twanger bezeichnet.

Nachdem Halker bereits einige Platten auf kleinen Independent Labels veröffentlicht hatte, zum Teil mit nur lokalem Vertrieb, zog es ihn 1993 erst an die kanadische Grenze, wo er innerhalb eines Jahres neue Songs schrieb, die er bei einem erneuten Umzug 1994 nach Chicago mitnahm, und sie dann endlich, im Sommer 1995, in einem kleinen Tonstudio auch einspielen zu können. Es fehlten ihm auch bis dahin schlicht die finanziellen Mittel für eine Studioaufnahme und er konnte den Aufnahmeleiter des Studios, Steve Yates, auch gar nicht bezahlen. Dieser ging das Risiko eines finanziellen Desasters trotzdem ein und stellte nicht nur sein Studio zur Verfügung, sondern halt auch noch bei der Rekrutierung der mitwirkenden Musiker. Am Ende nahm Bucky Halker eine bunte Mixtur an Songs auf, die ein weites musikalisches Feld absteckten, so etwa Countryrock, Blues, Rockabilly, Honky Tonk und verschiedenste Folkrock-Varianten. Mit von der Partie waren unter dem Pseudonym "The Complete Unkowns" folgende Musiker: Gordon Patriarca am Bass, der später Stephen Ellis bei SURVIVOR ablöste, der Ex-FREAKWATER Gitarrist Brian Dunn, Phil Levin von den YELLOWHAMMERS am Schlagzeug und die SONS OF THE NEVER WRONG-Sängerin Sue Demel für den Background Gesang, sowie in Gastrollen T.C. Furlong an der Pedal Steel und Don Stiernberg an der Mandoline. Der sehr bekannte Jazz Bassist Jim Cox und der gefeierte Tuba-Spieler Dan Anderson schauten ebenfalls für einige Aufnahmen im Studio rein. "Great players and stunning performances" resümierte Bucky Halker damals.

Indes gestaltete sich das Werben für diese Aufnahmen äusserst schwierig. Halker hatte immens Mühe, das ausgezeichnete Songmaterial irgendeiner Platttenfirma verkaufen zu können. Scheinbar sah keines der vielen Labels eine reelle Möglichkeit, mit diesen Songs Geld zu verdienen, weshalb sich Absage an Absage reihte. Halker entschied sich, vorderhand selbst CDs davon zu pressen, wenn er mit den neuen Songs auf Tour ging, nur, um sie vor Ort auch verkaufen zu können. Er verschuldete sich massiv - glaubte aber dennoch an die Songs und tatsächlich wurde seine Hartnäckigkeit letztlich belohnt, wenn auch nicht wirklich nachhaltig, und schon gar nicht finanziell zählbar. Denn das Label ZenMan Records, das die CD übernahm, ging kurz darauf pleite. Halker stand also wieder mit leeren Händen da. Einige Monate später fand sich dann in der Firma Whitehouse Records doch noch eine Plattenfirma, welche das Album offiziell und US-weit veröffentlichtne mochte. Damit aber nicht genug: Dank der Kontakte des Labels zu europäischen Firmen fand sich im Schweizer Unternehmen Brambus Records über eine Dekade später sogar ein Partner, der die Veröffentlichung in Europa übernahm. So war "Passion Politics Love" die erste Platte von Bucky Halker, die nicht nur regional, überregional oder gar amerikaweit erschien, nein, sie wurde sogar weltweit veröffentlicht. Für Bucky Halker ein unglaubliches Ereignis, über das er sich extrem freute und seinen Fans auch treu ergeben war, indem er nach Möglichkeit auf dem ganzen Globus zu tingeln begann, um die in den Plattenläden liegende neue CD auch konzertmässig promoten zu können und viele neue Fans dazuzugewinnen.

Schliesslich wurde die CD in Europa wesentlich stärker beachtet als in Amerika, wo der Markt einfach übersättigt ist mit Musikern wie Bucky Halker: Die Konkurrenz ist schlicht zu gross, als dass er in seinem Heimatland einen Erfolg in einem grösseren Rahmen hätte anstreben können. Hierzulande aber hat Bucky Halker noch heute treue Fans, und sie alle hatten ihre erste Berührung mit diesem fabelhaften Sänger und Musiker mit dem Album von 1996, das es erst 10 Jahre später auch hierzulande zu kaufen gab.

Vor allem textlich sind die 14 Titel der Platte echte Highlights, widerspiegeln sie doch ungefiltert und ungeschönt den realen Alltag, der von allerlei Entbehrungen und Frustrationen geprägt sein kann. Herausragend diesbezüglich etwa "Poverty's Lament" oder "Color Outside The Lines". Auch politische Texte bietet Halker, so in "Don't Let The Bastards", "Democratic Blues" und "Mr. Who's That Guy". Und natürlich ist auch in Bucky Halker's Songtexten die Liebe ein tragender Faktor, nachzuhören im wundervollen Longtrack "Too Far Gone" mit nicht enden wollendem traumhaft schönen Gitarrensolo, oder bei "Heaven In Milwaukee" und "Big Rock Candy Mountain". Musikalisch extrem vielfältig, aber immer eine homogene Einheit bildend, erinnert das Werk in seinem Ganzen ein bisschen an die grossen Singer/Songwriter mit klarem Strassenbezug, wie Mark Germino, John Cougar Mellencamp und Bruce Springsteen.

"Passion, Politics, Love" - Leidenschaft, Politik und Liebe. Die drei zentralen Themen - nicht nur auf dieser einzigartig schönen Americana-Platte, die mir seit vielen Jahren ein ständiger und treuer Begleiter ist.

Mein persönlicher Tipp: Hört Euch mal diesen Song "Too Far Gone" an und lauscht besonders ab 4:48 diesem ganz wundervollen ellenlangen Gitarrensolo. Da krieg ich bis heute Gänsehaut, so schön ist das gespielt. So ein Solo einfach auszublenden ist für mich fast schon die Höchststrafe. :prayer:





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Es müssen nicht immer neue Wege sein.
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Vincent Price
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Re: [REVIEW] Bucky Halker And The Complete Unknowns • Passion, Politics, Love (1996)

Beitrag von Vincent Price »

Bei jpc gibt es tatsächlich zwei CDs von ihm für je 12,99 - die von dir vorgestellte ist dabei. Hab sie gleichmal auf meinen Wunschzettel geladen.
All we are is dust in the wind. ;)
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