[REVIEW] Black Bonzo • Lady Of The Light (2004)

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Beatnik
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[REVIEW] Black Bonzo • Lady Of The Light (2004)

Beitrag von Beatnik »

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2004 erstmals veröffentlicht in Schweden, 2012 nochmals international aufgelegt mit Bonustracks, also zu einem Zeitpunkt, an welchem sich die Band schon getrennt hatte, war das erste Album der schwedischen Rock Band Black Bonzo eine der seltenen Perlen des sogenannten Vintage Rock, der auch wirklich alt klang, und zwar sowohl vom Instrumentarium der Band bis hin zum finalen analogen End-Mix, bei welchem ich eigentlich nur staunen kann, denn analoge Mixdowns werden in der Regel nur noch für Vinyl-Pressungen angefertigt. Dank der vielen technischen Möglichkeiten von heute kann man aber tatsächlich von analogen Master-Bändern fertige Mixdowns absolut verlust- und verfremd-frei digitale Dateien anfertigen, die dann den analogen Sound 1:1 auf die CD bringen. Einziger Wermutstropfen: Es fehlt letztlich das vertraute Knistern, das sich auch nach hundertfachem Anhören der CD nicht einstellt.

Die Band aus dem schwedischen Skelleftea bestand aus Magnus Kärnebro (Gesang), dessen vokalistische Darbietungen bisweilen frappant an den jungen David Byron von Uriah Heep erinnerten, Joakim Karlsson (Elektrische und akustische Gitarren, Flöte und Gesang), Anthon Johansson (Bass und Gesang), Mikael Israelsson (Schlagzeug und Gesang), sowie Klas Holmgren (Hammond B3 Orgel, Klavier, Mellotron und ebenfalls Gesang).

Black Bonzo machten irgendwie musikalisch dort weiter, wo Uriah Heep, Mountain und Deep Purple musikalisch ungefähr 1972 unterwegs waren. Oder sie sponnen den Gedanken von Titanic weiter, die nach dem Debutalbum den ganzen Rock in den Schrank verbannten, um fortan vor allem perkussiven, ziemlich massentauglichen Dancefloor-Lala zu machen. Solchen Kommerz findet man auf Black Bonzo's Debutalbum nicht. Eher - wenn ich mal beim Vergleich zu der norwegischen Band Titanic bleiben will - Sound im Stile von "Searchin'", dem Opener von Titanic's Erstling aus dem Jahre 1970. In der Tat dominierte bei Black Bonzo zumindest auf dieser Debut-Platte erstmal die Hammond Orgel. Daneben waren aber auch die verwendeten Gitarren und vor allem die dazugehörigen Verstärker wahrscheinlich mindestens 40 Jahre alt, denn genau so klangen früher die Gibson Les Paul's über die obligaten Marshall-Türme.

Am allernächsten kam der Sound von Black Bonzo aus meiner Sicht allerdings an meine heimlichen Rock Helden von Warhorse. Denn wie bei Nick Simper's damaliger Band, wurde hier der ganz spärlich in die Kompositionen eingestreute typische Progressive Rock der damaligen Zeit hörbar. Der Kernsound war aber trotzdem klassischer Hard Rock, der mit besagter Hammond Orgel und dem wuchtigen Sound verzerrter Gitarren und gerne auch mit Mellotron in perfekten, sich nirgends offensichtlich anbiedernden Abläufen oder Schemas erdig und ehrlich und qualitativ exzellent rockte. Auch an die ersten beiden Alben von Uriah Heep ("Very 'Eavy Very 'Umble" und "Salisbury") erinnerte Black Bonzo's Musik, im wesentlichen aufgrund von Magnus Kärnebro's Gesangslinien und auch wegen der oft zentral eingesetzten Hammond Orgel.

Es ist auch überhaupt keine Platte, die man sich nach zwei-, dreimaligem Hören in den Schrank zurückstellt und vergisst, so wie das bei einem Grossteil der heutigen auf alt getrimmten Rockmusik junger Bands leider der Fall ist, die lediglich an der Rock-Oberfläche kratzen, denen aber die Liebe und Demut und natürlich auch die Athentizität fehlt. Dafür sind die Kompositionen auf diesem Black Bonzo Album einfach zu hervorragend und der Sound wirklich alt, staubig und muffig: Man will sie sich bald wieder auflegen, sobald man wieder Lust auf guten alten Hard Rock hat. So erging es mir seit Erscheinen und auch heute noch kommt die CD selten, aber regelmässig in den Player.

Der Opener, das Titelstück "Lady Of The Light" bietet bei einer Länge von 7 Minuten ein Paradebeispiel für den eingangs erwähnten Vintage oder Old School Rock: Eine Nummer, die sich ständig weiterentwickelt, fabelhafte Gitarrenläufe zeigt und insgesamt von einer mächtigen Hammond Orgel getragen wird. Vielleicht nicht der zentrale Song der Platte, jedoch ein erster eindrücklicher Höhepunkt, den die Band jedoch locker als Messlatte der weiteren Titel des Albums setzen kann. Es gibt keinerlei Ausfälle, das Niveau sämtlicher Kompositionen hört sich gleichbleibend hoch an. "Brave Young Soldier", "Fantasyworld" und "Where The River Meets The Sea": Es sind vor allem die langen Stücke, bei denen man eintaucht in eine wundersame Welt der Variationen, Spannungsbögen und Arrangements-Spielereien. Daneben wirken die eher kurzen Songs mit dreieinhalb bis viereinhalb Minuten Lauflänge knackig, kompakt und kompositorisch perfekt umgesetzt - mal mit einem sich in den Gehörgängen festklebenden charakteristischen Refrain, mal gänzlich ohne Chorus. Hier können beispielsweise "New Day", "Freedom", "Jailbait" und "Leave Your Burdens" begeistern.

Alles in allem war dies ein ganz famoses Erstlings-Album einer Band, die es wie nur Wenige verstanden hat, den typischen Hard Rock von Anfang er 70er Jahre ins Hier und Jetzt zu transportieren, ohne als billige Kopie zu klingen, und vor allem: Ohne alten Helden lediglich nacheifern zu wollen. Die Musiker waren allesamt hervorragende Künstler, die nicht nur hier, sondern auch auf den Folgealben "Sound Of The Apocalypse" (2006) und "Guillotine Drama" (2009) den Traum des Vintage Rock auf gleichbleibend hohem Niveau weiterspinnen konnten. Als die Gruppe zunächst pausierte, um dann mit neuem Namen an den Start zu gehen, entstand drei Jahre später die Nachfolge-Band Gin Lady, in welcher die meisten der Black Bonzo-Musiker wieder mit an Bord waren, und die 2012 ihr Debutalbum präsentierte, das erneut den Vintage Rock von zuvor zelebrierte, vielleicht noch etwas kerniger und mit weniger Anteil an progressiven Elementen wie die Akteure dies unter der Black Bonzo Flagge kredenzt hatten, aber ganz genauso unterhaltsam.





Es müssen nicht immer neue Wege sein.
Man kann auch alte neu entdecken.

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Louder Than Hell
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Re: [REVIEW] Black Bonzo • Lady Of The Light (2004)

Beitrag von Louder Than Hell »

Für mich feinster Vintage Stoff, der durchaus eigenständig und nicht abgekupfert wirkt. Natürlich sind auch sie auf den traditionellen Pfaden der von dir beschriebenen Bands unterwegs, bewahren sich aber eine gewisse Individualität. Und das macht das Ganze so spannend und zugleich hörenswert.

Feiner Tipp und kommt somit auf meine Beobachtungsliste.
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