[REVIEW] Elmer City Rambling Dogs • Jam It! (1975)

Antworten
Benutzeravatar

Topic author
Beatnik
Beiträge: 4861
Registriert: So 9. Apr 2023, 18:11
Wohnort: Zwischen den Meeren
Has thanked: 5905 times
Been thanked: 6011 times
Kontaktdaten:

[REVIEW] Elmer City Rambling Dogs • Jam It! (1975)

Beitrag von Beatnik »

Bild

Von allen obskuren Platten in meiner Sammlung ist das eine der skurrilsten und kuriosesten, weil fast nichts stimmt, was man über diese lokale Band aus Elmer (New Jersey) an Informationen findet. Da wird von einer Biker Rock Band geschrieben, von massenhaftem Alkoholgenuss während der Plattenaufnahmen und auch sonst von ziemlich exzessivem Rock'n'Roll. Die Realität sieht wesentlich nüchterner aus. Die Band, welche stilistisch irgendwo im Countryrock- oder Southern Rock-Bereich angesiedelt ist, war keine professionelle Band, sondern eher semiprofessionell, wenn nicht gar eine Amateur- oder Feierabend-Truppe. Allerdings mit einem schon ansprechenden Approach. Was bei der Band natürlich das Augenfälligste war: Die Plattenhülle war extrem geschmacklos, obwohl sie als Comic eine gute Gattung macht. Dazu das eigene Plattenlabel: Hundescheisse Records - inklusive Hundeköttel als Firmenlogo auf der LP (!). Die Musiker müssen wirklich einen sehr seltsamen Bezug zu Hunden gehabt haben, als sie dieses Konzept auf die Beine stellten. Man kann das weder mit Humor, noch mit Satire, aber auch nicht mit sowas wie zynischer Frank Zappa-Attitüde erklären. Das Cover ist irgendwie einfach seltsam.

Konträr zu diesem optischen Ersteindruck steht dann allerdings die Musik der Band, die alles andere als amateurmässig klingt. Da waren schon Könner am Werk, die ihr Handwerk verstanden. Sänger Teeny Tar, Gitarrist James Rowland, Keyboarder Ritchie Verrill und Mike Masciarelli wurden bei diesen Aufnahmen unterstützt unter anderem vom Pennsauken Cricket Glee Club, was immer auch deren Einsatz war. Ausserdem steht der Name Eddie Harris als Mitproduzent auf dem Backcover der Platte. Ob es sich hierbei allerdings um den bekannten Jazz-Musiker selben Namens handelt, ist ungewiss, aber eher unwahrscheinlich.

Die Platte bietet so einige musikalische Highlights, wie etwa "Queenie", "The Prowler" oder den "Jailhouse Blues", die einen sehr süffigen Bluesrock zeigen, der auch einige Elemente des Swamp Rocks bietet. Vergleiche etwa mit der Band Potliquor aus Louisiana drängen sich auf, jedoch halten sich die bluesigen Töne bei den Dogs eher in Grenzen. Mehrheitlich wird, wie es der Titel der LP suggeriert gejammt; und auch wenn die Platte ganze vier Monate Aufnahmezeit ausweist (von Januar bis März plus August 1975), so klingt sie doch eher livemässig, was dem Charakter der Songs natürlich überhaupt nicht schadet. Im Gegenteil: die Musik wirkt dadurch ehrlicher und vor allem sehr direkt. Hier wurde auf jeden Fall nichts überproduziert, und wenn man sich die Songs anhört, dann dürfte die Band live nicht gross anders geklungen haben. Dieser Live-Charakter in den Stücken gefällt mir sehr gut.

Die Band konnte Anfang 1976 auch im legendären CBGB's auftreten, vielleicht auch deswegen, weil sie stilistisch wandelbar war und sich einem bestimmten Publikum anzupassen verstanden, was ebenfalls ein Indiz für eine Amateurband ist. Profis spielen ihr Ding und zeigen dabei mitunter wenig stilistischen Spielraum. Die originale Vinyl LP wird immer wieder mal relativ preiswert angeboten. Neuwertige oder gar noch ungeöffnete Exemplare haben inzwischen jedoch die 50 Euro-Marke deutlich überschritten.





Es müssen nicht immer neue Wege sein.
Man kann auch alte neu entdecken.

Das Leben ist zu kurz für Fragezeichen.

The only good System is a Sound System 8-)

Alexboy
Beiträge: 1430
Registriert: Sa 15. Apr 2023, 12:44
Has thanked: 1897 times
Been thanked: 1634 times

Re: [REVIEW] Elmer City Rambling Dogs • Jam It! (1975)

Beitrag von Alexboy »

Das Cover erinnert an die UndergroundComics Szene der 60/70er Jahre, welche damals - auf Teufel komm raus - alles darstellen musste was irgendwann einmal verboten war. :twisted:
Benutzeravatar

Topic author
Beatnik
Beiträge: 4861
Registriert: So 9. Apr 2023, 18:11
Wohnort: Zwischen den Meeren
Has thanked: 5905 times
Been thanked: 6011 times
Kontaktdaten:

Re: [REVIEW] Elmer City Rambling Dogs • Jam It! (1975)

Beitrag von Beatnik »

Alexboy hat geschrieben: So 5. Nov 2023, 15:41 Das Cover erinnert an die UndergroundComics Szene der 60/70er Jahre, welche damals - auf Teufel komm raus - alles darstellen musste was irgendwann einmal verboten war. :twisted:
Ja, dieses Comic-Artwork ist schon sehr speziell, poppen auf Teufel komm raus. Wer sich 1975 noch sowas ausdachte, hatte wohl schon einen ziemlichen Hau im Oberstübchen 🤣😂🤣
Es müssen nicht immer neue Wege sein.
Man kann auch alte neu entdecken.

Das Leben ist zu kurz für Fragezeichen.

The only good System is a Sound System 8-)
Benutzeravatar

Louder Than Hell
Beiträge: 5346
Registriert: So 16. Apr 2023, 18:01
Wohnort: Norddeutschland
Has thanked: 6357 times
Been thanked: 6270 times

Re: [REVIEW] Elmer City Rambling Dogs • Jam It! (1975)

Beitrag von Louder Than Hell »

Der Bandname und Albumtitel dürfte sinnbildlich auf dem, nennen wir es mal so, sehr eigenwilligen Cover des Albums übermittelt worden sein. Rambling Dogs sind nun mal herumstreunende Hunde, die mal ein Tete-A-Tete mit der Nachbarshündin in Form eines "Jam It" anstreben. Ob man nun die Hinterlassenschaft als Firmenlogo nutzen musste, steht auf einem anderen Blatt und passt letztlich treffend zu den Botschaften dieser Band, die wohl als reine und zugleich als erfrischende Amateure auftreten.

Im Grunde zelebrieren sie einen einen Rock, der Andockstellen im Swamp-, aber auch im Bluesbereich vermittelt. Hier agieren sie auch nicht als virtouse Musiker, sondern vielmehr als eingeschworene Einheit, die ihr Ding durchziehen. Und dieses macht das Ganze erst interessant, weil hier bei den Aufnahmen kein Schnickschnack oder Overdubs vorherrschen, sondern grundehrliche Musik. Das ist gerade das vielzitierte Salz in der Suppe.

Schöne Rezi von einer Band, die ich abermals nicht kannte. Aber das soll bei dir ja häufiger vorkommen. 8-)
Antworten

Zurück zu „Reviews“