[REVIEW] Dave Sharp • Hard Travellin' (1991)

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Beatnik
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[REVIEW] Dave Sharp • Hard Travellin' (1991)

Beitrag von Beatnik »

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Der Sänger und Gitarrist Dave Sharp dürfte manchem Musikfan als Mitglied der sehr erfolgreichen Band The Alarm noch in Erinnerung sein. Er gründete die gleichermassen von der ausgehenden Punk-Aera und der aufkeimenden britischen New Wave beeinflusste Band im Jahre 1981 zusammen mit Mike Peters (Gesang und Gitarre), Eddie MacDonald (Bass) und Nigel Twist (Schlagzeug). Praktisch während der gesamten 80er Jahre war die Gruppe einer der führenden Vertreter der neuen britischen Poprock-Szene. Die Band experimentierte allerdings nicht mit neuestem synthetischem Instrumentarium, sondern setzte zumindest in punkto Songarrangements nachwievor auf analoges Equipment, zumeist verwendeten sie in ihren Songs sowohl akustische, wie elektrische Gitarre und kamen damit nicht selten in die Nähe des Americana Sounds, was zum Beispiel Coversongs wie etwa "Rockin' In The Free World" von Neil Young noch untermauerten. Die Gruppe landete zahlreiche Hits, auch ausserhalb Englands. Titel wie "The Stand," "68 Guns," "Absolute Reality," "Strength," und "Rain In The Summertime" waren auch hierzulande durchaus erfolgreich.

Als sich die Gruppe 1990 trennte, siedelte Dave Sharp nach New York um und schloss sich der Rockabilly Band The Barnstormers aus New Jersey an, die er auch als Backing Band für sein erstes Soloalbum "Hard Travellin'" verpflichten konnte. Die Platte erschien 1991 und war unterteilt in zwei musikalische Kategorien: "Electric" und "Acoustic". Produziert von Bob Johnson, der schon bei Bob Dylan bei dessen Platten-Klassikern "Blonde On Blonde", "John Wesley Harding" und "Nashville Skyline" als Produzent mit dabei war, sorgte dafür, dass aus dem vordergründig noch recht Alarm-lastigen Folkrock von Dave Sharp auch eine akustische Seite zum tragen kam, die den Musiker stilistisch durchaus in die Nähe von Bob Dylan positionierte. Die Platte "Hard Travellin'" wurde von den Kritikern sehr positiv bewertet, leider ohne einen nennenswerten Verkaufserfolg zu generieren. Dabei beinhaltet die Platte eigentlich sämtliche Zutaten eines Erfolgsalbums: Die allesamt aus der Feder von Dave Sharp stammenden Titel sind erstklassig komponiert, perfekt instrumentiert und kompetent gespielt. Neben den Musikern der Band The Barnstormers konnte Dave Sharp einige zusätzliche hochkarätige Gastmusiker für die Aufnahmen zum Album verpflichten. So etwa den renommierten Al Kooper für die Hammond Orgel, McGavock Gayden an der akustischen Gitarre und Billy Beard, der Schlagzeuger der Alternative Rock Band Face To Face.

Das elektrische Set umfasst 6 Songs, die alle den typischen Americana Rock der beginnenden 90er Jahre bieten, welcher beispielsweise auch von den Brandos oder Blue Rodeo präsentiert wurde. Was im Falle von Dave Sharp's Songs dagegen anders ist: Er hat seinen Songs keinen Hochglanz-Sound verpasst, sondern die Musik recht roh belassen und man kann sich durchaus vorstellen, dass er mit seiner Band seine Songs auch live ziemlich genauso präsentiert hat. Der vom klassischen Rockabilly inspirierte Opener "In The City" zeigt klar die Handschrift der Barnstormers, holpert lüpfig und rauh, ohne glänzende Fassade. Die Ballade "It Ain't Long For The Day" wiederum könnte auch ein verschollener Bob Dylan-Track sein. Der Song ist wundervoll flächig mit Al Kooper's Hammond Orgel arrangiert, die dem Song den Charakter gibt. "Wonderful World" ist dasselbe, jedoch als Steigerung: Wiederum Al Kooper's exzellentes Hammon Orgel-Spiel, aber ein insgesamt rasant Fahrt aufnehmender Titel, der wieder die angenehme Rockabilly-Rumpelrhythmik bietet. "The Last Smilin' Villain From The South" brilliert durch einen hervorragenden Songtext. "Long Black Night" ist ein Americana-Rock der allerbesten Sorte, mit einem unwiderstehlichen Refrain zum Mitsingen. Schliesslich die schleppende Nummer "New Age Eden" wieder mit Al Kooper's famoser Hammond und einer hervorragenden Story.

Das akustische Set mit seinen 5 Songs klingt dann schon fast wie in der Tradition der grossen amerikanischen Folk-Troubadoure der 60er und 70er Jahre. Assoziationen ewta zu Mickey Newbury, John Prine, vor allem aber Bob Dylan werden sofort wach, wenn man sich die Titel "In The Dead Of The Night" oder das Titelstück anhört: Beide Songs sind ausschliesslich mit einer akusitschen Gitarre vorgetragen und leben alleine von Dave Sharp's manchmal etwas kauziger, leicht krächzender Stimme, die jedoch sehr eindringlich herüberkommt, ohne penetrant oder gar nervig zu wirken. Geschmackvolle Chorstimmen einiger Gastsänger werten die Songs zusätzlich auf und das abschliessende "Homeless Child" klingt schon fast wie ein altes Pete Seeger Original, dem hier neues Leben eingehaucht worden ist.

Dave Sharp spielte in den beiden Folgejahren ausschliesslich Konzerte in den USA, nahm 1995 ein weiteres Soloalbum auf ("Downtown America"), das genauso unverzichtbar ist wie dieses Debutalbum, das danach allerdings keine Fortsetzung mehr fand. Dave Sharp hat allerdings auch weiterhin Konzete bestritten und im Jahre 2007 zu einem Paukenschlag ausgeholt: Er gründete - in Anlehnung an sein Debutalbum - die Band The Hard Travelers, zusammen mit dem legendären irischen Folkrock-Musiker Henry McCullough. Mit dem Keyboarder Zoot Money, der schon in den 60er Jahren mit seiner Big Roll Band und mit Dantalion's Chariot grosse Erfolge feiern konnte und mit prominenten Top-Musikern wie dem Ex-Fleetwood Mac Gitarristen Peter Green, dem Folkrock-Sänger Kevin Ayers und der Band Humble Pie spielte, stieg ein weiterer Promi bei den Hard Travelers ein. Die Rhythmusgruppe bestand aus dem Bassisten Gary Fletcher (The Blues Band) und dem Schlagzeuger Colin Allen, der sowohl bei der Band Stone The Crows, als auch bei Bob Dylan, John Lee Hooker, Memphis Slim, John Mayall's Bluesbreakers, Mick Taylor und bei vielen Anderen trommelte. Mit den Hard Travelers verfolgte Dave Sharp das musikalische Ziel, die klassischen Songs von Woodie Guthrie einem neuen, jungen Publikum näher zu bringen.







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Louder Than Hell
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Re: [REVIEW] Dave Sharp • Hard Travellin' (1991)

Beitrag von Louder Than Hell »

Der Name Dave Sharp sagte mir spontan nichts, aber als der Querverweis auf die Gruppe "The Alarm" folgte, war diese Unbekannte gelöst. Die Alben "Declaration" und "Change" befanden sich auch mal in meinem Besitz. Da wusste ich sofort, dass hier der einstige Wuschelkopf mit den hochstehenden Haaren gemeint war.

Eine Geschichte dazu am Rande, als ich mit Emma 1986 einen Urlaub auf Malta verbrachte. Überall liefen da die Kids mit T-Shirts herum, auf dem der Name "The Alarm" stand bzw. ein Photo von Dave Sharp verewigt war. Offensichtlich war die Band seinerzeit auf diesem Inselchen unheimlich angesagt.

Ich bin erstaunt über die Qualität der Musik, die sicherlich den amerikanischen Wurzeln folgt und nichts mehr von seinen englischen Background erahnen lässt. Aus welchen Gründen auch immer, ist ihm wohl der große Wurf verwehrt geblieben und wird somit mehr einem Nischenpublikum verankert gewesen sein.

Für mich ist das Ganze wieder eine absolute Kaufempfehlung.

Auch dir Mäse ist eine äußerst informative und lesenswerte Rezi gelungen.
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Emma Peel
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Re: [REVIEW] Dave Sharp • Hard Travellin' (1991)

Beitrag von Emma Peel »

Wie man sieht, auch diese Rezi von Dave Sharp diente einzig zur positiven Wissensmehrung und trug zur musikalischen Erweiterung bei.

Schön, wie du mir den völlig unbekannten Musiker nähergebracht hast. Zudem sprechen mich deine Songbeispiele allesamt an, so dass hier sicherlich hier ein häuslicher ein Zuwachs zu erwarten ist.

Noch eine Frage: Wie bist du zu diesen Solosachen gekommen bzw. aufmerksam geworden?
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Re: [REVIEW] Dave Sharp • Hard Travellin' (1991)

Beitrag von Beatnik »

Emma Peel hat geschrieben: So 16. Jul 2023, 22:58 Wie man sieht, auch diese Rezi von Dave Sharp diente einzig zur positiven Wissensmehrung und trug zur musikalischen Erweiterung bei.

Schön, wie du mir den völlig unbekannten Musiker nähergebracht hast. Zudem sprechen mich deine Songbeispiele allesamt an, so dass hier sicherlich hier ein häuslicher ein Zuwachs zu erwarten ist.

Noch eine Frage: Wie bist du zu diesen Solosachen gekommen bzw. aufmerksam geworden?
Danke Dir. Als Fan von The Alarm war mir schon früh aufgefallen, dass mir die wenigen von Dave Sharp komponierten Songs meist am besten gefielen, besser als die meisten Songs, die Mike Peters schrieb. Nach dem Split der Band kam Dave Sharp's erste Solo CD gleich raus, sodass ich sie mir natürlich kaufte. Für mich ist "Hard Travellin'" bis heute ein wunderbares Americana-Album, genauso wie sein Nachfolgendes, "Downtown America", das ich fast noch einen Tick besser finde, von dem es aber leider ausser dem Titelsong nix auf Youtube zu hören gibt. Da es beide Alben nach wie vor zum Tiefpreis zu kaufen gibt, kannst Du da bedenkenlos zugreifen. Die Songs kriegst Du teilweise nicht mehr aus dem Kopf, wenn Du sie ein paarmal gehört hast.
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Re: [REVIEW] Dave Sharp • Hard Travellin' (1991)

Beitrag von Louder Than Hell »

Übrigens wurde das gute Stück noch gestern Abend geordert. Ich musste allerdings gut 20 Euro dafür hinlegen.
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