[REVIEW] Dillards - Wheatstraw Suite (1968)

ein bahnbrechendes Countryrock-Meisterwerk!

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BRAIN
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[REVIEW] Dillards - Wheatstraw Suite (1968)

Beitrag von BRAIN »

The Dillards – Pioniere zwischen Bluegrass und Country-Rock

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Die Brüder Rodney und Douglas Dillard gründeten in den späten 1950er-Jahren eine Band, die unter dem Namen The Dillards in ihrer Heimatstadt Salem im US-Bundesstaat Missouri bekannt wurde.

1960 kamen Dean Webb und Mitch Jayne dazu.
Gemeinsam bildeten sie die klassische Besetzung der Dillards, die sich ganz dem Bluegrass verschrieben hatte – einer schnellen, handgemachten Musik mit Banjo, Mandoline, Gitarre und Kontrabass.
Ihr Publikum bestand damals fast ausschließlich aus Folk-Fans.

Mit dem Umzug nach Los Angeles änderte sich vieles.
Die Band unterschrieb einen Plattenvertrag bei Elektra Records, und 1963 erschien ihr Debütalbum „Back Porch Bluegrass“.
Zwei weitere traditionelle Bluegrass-Alben folgten.

Doch ab 1967 gingen einige Mitglieder neue Wege.
Sie wollten ihren Sound erweitern und begannen zu experimentieren.
Diese Entwicklung gefiel Doug Dillard, dem Banjospieler, nicht – er verließ die Band.
Sein Nachfolger wurde der hervorragende Sänger und Multiinstrumentalist Herb Pedersen.
Sein hoher Tenorgesang bereicherte die Harmonien der Band spürbar.

Aufbruch in neue Klangwelten

The Dillards waren eine der ersten Bluegrass-Gruppen, die ihre Instrumente elektrisch verstärkten.
Damit wurden sie zu Wegbereitern des entstehenden Folk-Rock und Country-Rock.
Sie tourten mit The Byrds – einer Band, die selbst dabei war, ihren Sound zwischen Rock und Country zu verändern.
Diese Zusammenarbeit prägte auch das Album Wheatstraw Suite, dass eine neue Mischung aus Bluegrass, Folk, Country, Rock und Pop präsentierte.
Es enthält 13 Titel, darunter 7 Eigenkompositionen und 6 Coverversionen – unter anderem von den Beatles und Tim Hardin.

Ein Album voller Überraschungen

Die erste Seite beginnt mit dem a-capella gesungenen Gospel „I’ll Fly Away“ – ein Intro, das Hoffnung und Melancholie vereint.
Danach folgt der beschwingte Country-Song „Nobody Knows“ mit einem eingängigen Refrain, Banjo- und Mandolinen-Soli.
„Hey Boys“ erinnert im Gesang an die Beach Boys, während das Banjo den Song fest im Bluegrass verwurzelt.
In „The Biggest Whatever“ erzählen die Dillards eine verspielte Geschichte – ähnlich wie bei der Nitty Gritty Dirt Band in „Mr. Bojangles“.
„Listen to the Sound“ bringt psychedelische Klänge und eine feine Folk-Stimmung.
Der Song „Little Pete“ überzeugt mit Pedal Steel Guitar von Buddy Simmons und einem treibenden Rhythmus.
Und mit „Reason to Believe“ liefern die Dillards ein zart arrangiertes Cover von Tim Hardin – sehr gefühlvoll und gelungen.

Die zweite Seite

Seite zwei startet mit „Single Saddle“ – einem geradlinigen Country & Western-Stück mit bluesiger Basslinie.
Es folgt „I’ve Just Seen a Face“, ein Beatles-Song im neuen Gewand: mit Banjo und Pedal Steel.
Die Dillards schaffen es, etwas Neues zu kreieren und doch nah am Original zu bleiben.
„Lemon Chimes“ ist eine sanfte Folk-Ballade mit Streichern und der berührenden Stimme von Rodney Dillard.
Auch „Do Not Cry“ vereint Bluegrass mit opulenten Arrangements – ein gutes Beispiel für den „progressiven“ Stil der Band.
„Bending the Strings“ ist ein reines Instrumentalstück und zeigt die Fingerfertigkeit von Pedersen und Webb.
Am Ende steht „She Sang Hymns Out of Tune“ – ein ruhiges, fast filmisches Stück mit einem sanften Aufbau und einem ebenso sanften Ende.

Ein Klassiker seiner Zeit

Wheatstraw Suite war kein kommerzieller Erfolg.
Doch musikalisch war es seiner Zeit voraus.
Die Band kombinierte traditionelle Instrumente wie Banjo und Mandoline mit E-Bass, Schlagzeug und Streicherarrangements.
Die Songs waren einfallsreich arrangiert – mal zart, mal verspielt.

Die Dillards überschritten die Grenzen des Folk-Rock.
Sie verbanden Bluegrass mit modernen Elementen, ohne ihre Wurzeln zu vergessen.
Heute gilt Wheatstraw Suite als einflussreiches Werk, dass Gruppen wie The Byrds, The Eagles und sogar Elton John inspirierte.

Es ist ein Album, das zeigt: Bluegrass kann mehr sein als Tradition – nämlich ein frischer Klang zwischen Vergangenheit und Aufbruch.

Produced by Rodney Dillard and Jimmy Hilton

Band:
Rodney Dillard - lead vocal, rhythm and lead guitars, dobro, pedal steel
Herb Pedersen - lead vocal, Nashville rhythm guitar, banjo
Dean Webb - mandolin
Mitch Jayne - acoustic bass

Gastmusiker:
Buddy Emmons - pedal steel
Joe Osborn - electric bass
Toxey French - drums
Jimmy Gordon - drums

Seite A:
A1 I'll Fly Away (Albert E. Brumley) - :39
A2 Nobody Knows (Mitch Jayne, Rodney Dillard) - 2:15
A3 Hey Boys (The Dillards) - 2:27
A4 The Biggest Whatever (Mitch Jayne, Rodney Dillard) - 2:15
A5 Listen to the Sound (Herb Pedersen, Mitch Jayne) - 2:36
A6 Little Pete (Herb Pedersen) - 1:58
A7 Reason to Believe (Tim Hardin) - 2:25

Seite B:
B1 Single Saddle (Arthur Altman, Hal David) - 1:22
B2 I've Just Seen a Face (John Lennon, Paul McCartney) - 1:55
B3 Lemon Chimes (Bill Martin, Rodney Dillard) - 3:12
B4 Don't You Cry (The Dillards) - 1:50
B5 Bending the Strings (Allen Shelton) - 1:26
B6 She Sang Hymns Out of Tune (Jesse Lee Kincaid) - 3:20


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Emma Peel
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Re: [REVIEW] Dillards - Wheatstraw Suite (1968)

Beitrag von Emma Peel »

Alles nahm seinen Lauf in den 60ern, nur hatten sich die Dillards eingangs mehr dem traditionellen Bluegrass verschrieben. Aufkeimende neue musikalische Strömungen nahmen zunächst keinen Einfluss auf die Band. Mit dem Debüt „Back Porch Bluegrass“ hinterließen sie eine ordentliche Hausnummer, bewegten sich aber auch auf den Folgealben in einem ähnlichen Fahrwasser.

Manchmal sind es Kleinigkeiten, die einen Stimmungsumbruch herbeiführen. In diesem Fall spielte der Umzug an die Westküste eine Rolle, faktisch dem Mekka der sich ständig verändernden und entwickelnden Musik. Und ganz wesentlich war sicherlich auch ihre Stilanpassung an neue musikalische Strömungen, die zum Fortgang des Namensgeber Doug Dillard führten.

Letztlich entstand ein Album, dass mit der "Wheatstraw Suite" neue Türen aufstieß und den bisher gespielten Bluegrass unter Einbindung von Country, Rock und Popelementen ein völlig neues Licht verlieh. Ohne den Pfad der Bluegrass Tradition gänzlich zu verlassen, wurde dem Ganzen neues, erfrischendes Leben eingehaucht.

Ihr Einfluss ist somit nicht hoch genug einzuschätzen. Einen Sprung auf auf die Erfolgsleiter trat jedoch nicht ein ....

Andreas, abermals schöne Rezi .......
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Beatnik
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Re: [REVIEW] Dillards - Wheatstraw Suite (1968)

Beitrag von Beatnik »

Den klassischen Bluegrass habe ich erst in den frühen 70er Jahren für mich entdeckt. Die Dillards kenne ich nur dem Namen nach. Dillard & Clark (Doug Dillard und Gene Clark) ist das Einzige, was bei mir im Regal steht ("Through The Morning, Through The Night"), und das gefällt mir eigentlich ganz gut. Aus diesem Bereich kam danach die Band Country Gazette mit Byron Berline, der das sich später etablierende Genre 'Progressive Bluegrass' mitlancierte. Tolle und sehr informative Rezi. :yes:
Der Wecker ist das Frühwarnsystem des kleinen Mannes, das Fahrwasser das Element der Meinungslosen und die Fußstapfen die Wegweiser für Mitläufer.

Die wunderbare Zumutung, selbst denken dürfen zu müssen.
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