[REVIEW] Joe Farrell • Upon This Rock (1974)
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[REVIEW] Joe Farrell • Upon This Rock (1974)
In den 60er Jahren begleitete der Saxophonist Joe Farrell (bürgerlicher Name Joseph Carl Firrantello) etliche Jazz-Grössen wie Maynard Ferguson, Charles Mingus, Jaki Byard, das Thad Jones / Mel Lewis Orchester sowie Elvin Jones, an dessen Seite Farrell vor allem als Solist viele Freiräume genoss, die ihn kontinuierlich bekannter machten. Es dauerte nicht allzu lange, und Joe Farrell war in ganz Amerika bekannt für sein hervorragendes Spiel am Saxophon und an der Flöte. Farrell wurde in der Folge auch stets von sehr bekannten Jazzmusikern für Studioaufnahmen gebucht, weshalb man ihn noch bevor er eigentlich Solowerke veröffentlichte, schon auf zahlreichen Platten unter anderem von Herbie Hancock, Jimmy Smith oder Stanley Turrentine hören konnte, wobei ihm auch die Rock Musik durchaus nicht suspekt war, wie Aufnahmen beispielsweise für Santana, die Rascals oder The Band beweisen.
Der legendäre Jazz-Produzent Creed Taylor, der schon Alben mit George Benson und Antonio Carlos Jobim produziert und Joe Farrell für die entsprechenden Aufnahmen aufgeboten hatte, muss wohl viel Talent und kreatives Können aus Farrell's Spiel herausgehört haben, weshalb er ihn für sein eigenes Label CTI Records kurzerhand auch als Solokünstler unter Vertrag nahm. Nun war er nicht mehr nur kompetenter Sideman für populäre Jazz-Musiker, sondern konnte eigene Platten einspielen und veröffentlichten. Creed Taylor produzierte Joe Farrell’s Debut Album "Joe Farrell Quartet" (auch bekannt unter der Bezeichnung "Song Of The Wind Supersession") für das CTI Label im Jahre 1970 und produzierte mit dem Album etwas Einzigartiges und extrem gut Konsumierbares, was das spätere "Fusion"-Etikett bereits vorwegnahm. Die Platte erschien ziemlich zeitgleich mit zwei weiteren typischen Fusion-Alben, und zwar Freddie Hubbard's "Red Clay" und Stanley Turrentine's "Sugar". Auf beiden spielten hervorragende Musiker mit, mit denen auch Joe Farrell bereits Aufnahmen getätigt hatte.
Bemerkenswert und ein eindrücklicher Beweis für das grosse Vertrauen, das Creed Taylor in die Qualitäten von Joe Farrell setzte war der Umstand, dass er für Farrell und dessen Debut Album vier ausgesuchte Topmusiker aufbot, und zwar den Pianisten Chick Corea, den Gitarristen John McLaughlin, Bassist Dave Holland und den Schlagzeuger Jack DeJohnette. Das Ergebnis war beeindruckend, spielerisch hervorragend und ein Paradebeispiel für geniale Jazzmusik. "Mr. Farrell", so schrieb der Musikkritiker John S. Wilson, "builds broiling, jabbing solos that flow in an essentially melodic fashion despite a steady interjection of startling turns and quirks. At times, his lines pile up in such quicksilver fashion that he sounds like an entire band in himself".
Während Joe Farrell trotz dieses bemerkenswerten Einstands nicht der Jazz-Star wurde, der er eigentlich hätte sein können - ja müssen, nahm der unter Musikerfreunden hochgeschätzte Künstler weitere Alben auf, die ihn auf der ganzen Welt populär machten: das 1971 erschienene Zweitwerk "Outback" mit unter anderem Elvin Jones, Chick Corea und Airto Moreira, "Moon Germs" 1972 mit Herbie Hancock, Stanley Clark und Jack DeJohnette, "Penny Arcade" 1974 mit dem Jazz-Gitarristen Joe Beck, Herbie Hancock, Herb Bushler und Steve Gadd und im selben Jahr auch die LP "Upon This Rock".
Hier spielte er zusammen mit Gitarrist Joe Beck, Bassist Herb Bushler und den Schlagzeugern Jim Madison und Steve Gadd, sowie dem Perkussionisten Don Alias und Herbie Hancock (auf dem Stück "I Won't Be Back") eine Platte ein, die zum allgemeinen Fusion-Touch auch noch eine besondere Gitarren-Note erhielt, die dank des beseelten Jammens von Joe Beck sogar kleinere Rock-Elemente aufwies. Insgesamt sind diese die Rockmusik streifenden Gitarren-Sprenkel jedoch eher minim - ich würde "Upon This Rock" trotzdem als klassische Fusion-Scheibe bezeichnen. Alle vier hier gespielten Stücke sind enorm einehmend gespielt, sie sind auch sehr abwechslungsreich und geprägt von den hervorragenden Soloarbeiten von Joe Farrell und Joe Beck.
Der legendäre Toningenieur Rudy Van Gelder, der etliche Platten von Joe Farrell und viele des Labels CTI Records aufgenommen hatte, sorgte auch hier bei diesem Album für einen glasklaren, offenen und sehr transparenten Gesamtsound, für den auch andere von ihm eingespielte Platten bekannt sind. Rudy Van Gelder war der langjährige Hausproduzent des Blue Note Labels und war in dieser Eigenschaft für fast alle Aufnahmen der späten 50er sowie der 60er Jahre auf diesem Label verantwortlich.
Joe Farrell zeigt sich hier in der Rolle des Solisten gleichwohl wie als Sideman, wenn er zum Beispiel Joe Beck's ausladenden Gitarrenausflüge dezent und wohldosiert unterstützt. Aber auch bei den Stücken, die von Farrell dominiert werden, kommen die perfekten und punktgenau platzierten Einlagen etwa von Herbie Hancock oder von Joe Beck treffsicher und jederzeit sehr elegant und durchdacht. Die in ihrer Grundstruktur recht funky ausgelegte Jazzplatte beweist eindrücklich, dass diese Art von Musik durchaus auch unterhaltsam, harmonisch und Jedermann zugänglich sein kann. Fast alles Attribute, denen von überzeugten Jazzmusikern bisweilen etwas argwöhnisch begegnet wird.
Die wunderbare Zumutung, selbst denken dürfen zu müssen.
Haben ist besser als brauchen.
(Alte Plattensammlerweisheit)
Haben ist besser als brauchen.
(Alte Plattensammlerweisheit)