[REVIEW] Electric Sandwich • Electric Sandwich (1972)
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[REVIEW] Electric Sandwich • Electric Sandwich (1972)
Informationen über die deutsche Band Electric Sandwich sind nur äusserst spärlich zu finden, was angesichts dieses extrem guten Albums kaum nachvollziehbar ist. Ausserdem war das Werk beim legendären Krautrock-Label Brain Records erschienen und verfügte schon mit dem Opener "China" über einen Titel, der noch heute guten Gewissens zur Speerspitze des Krautrocks gezählt werden darf. Electric Sandwich waren 1969 aus einer eher unverbindlichen Session-Band entstanden. Anstatt ein festes Repertoire zu erarbeiten, setzte die Band von Beginn weg auf Spontaneität und grösstmögliche Freiheit, persönlich wie musikalisch, weshalb sie etwas scherzhaft viellecht als eine der ersten Jam-Bands der Welt bezeichnet werden könnte. Nach und nach entwickelte sich ihr Repertoire zu einem Set mit durchkomponierten und fest arrangierten Titeln, welche dennoch über einen grossen Improvisationsanteil verfügten. Viele der Titel auf ihrem einzigen Album "Electric Sandwich" entstanden aus improvisierten Jam-Sessions im Band-Probenraum und wurden kontinuierlich ausgebaut und zu funktionierenden Songs arrangiert. Das Album erschien 1972 und blieb leider ihr einziges Werk. Der auf der Platte gebotene Mix aus bluesigen, progressiven und krautigen Klängen, etwas Wenigem an Psychedelik und immer wieder leicht angejazztem Jam-Rock wusste nicht nur durch seinen stilistischen Abwechslungsreichtum zu gefallen, sondern begeisterte auch durch eine hochprofessionelle Qualität der Musiker. Der Song "China" zeigte starke Querverweise zu den deutschen Fusionbands wie Xhol Caravan oder Kollektiv.
Electric Sandwich stammten aus Bonn und wurden vom Schlagzeuger Wolf "Lupus" Fabian gegründet. Er spielte zuvor in der Band Whetstones. Auch die drei weiteren Gründungsmitglieder verfügten bereits über Erfahrungen in anderen lokalen Bands. Der Bassist Klaus Lormann spielte bei der Gruppe Chaotic Trust, der Gitarrist Jörg Ohlert bei der Formation Slaves Of Fire, und der Sänger Jochen "Archie" Carthaus gehörte zuvor den Flashbacks an. Gleich von Beginn weg wollte Wolf "Lupus" Fabian eigene Musik kreieren und das simple Covern von bekannten Stücken hinter sich lassen. Auch die anderen Bandmitglieder kamen aus Gruppen, welche vor allem gängiges Pop- und Rock-Material nachgespielt hatten und nur wenig Eigenkomponiertes im Programm hatten. Entdeckt wurde die Gruppe Electric Sandwich von Günther Körber, dem damaligen Produktemanager beim noch sehr jungen Plattenlabel Brain Records, der unter anderem dafür verantwortlich gewesen war, dass die damals noch unbekannten jungen Scorpions, Jane und auch der Gitarrist Michael Rother ihre ersten Plattenaufnahmen realisieren konnten, welche auf Brain Records herauskamen. Interessant war, wie die Gruppe zu ihrem LP-Deal mit Brain Records kam. Electric Sandwich hatten sich beworben, um am Pop 71 Festival in Hannover zusammen mit andren Bands und Musikern aufzutreten, wurden jedoch abgelehnt. Die Band reiste trotzdem nach Hannover und durfte dann sogar auftreten, weil sie so eine weite Reise unternommen hatten, um an dem Festival doch teilzunehmen. Auf diesem Festival spielten auch Jane, die Scorpions, der Bluesmusiker Taj Mahal und der ehemalige Rattles-Musiker Achim Reichel.
Die Band belegte an dem Festival dank ihres Aufmerksamkeit erregenden Auftritts den zweiten Platz und erhielt aufgrund dieser Tatsache den ersehnten Plattenvertrag mit Brain Records. Die vier Musiker unterzeichneten in der Folge zuerst einen Vertrag, der ihnen Probeaufnahmen ermöglichte und der ihnen auftrug, sich nicht bei einer anderen Plattenfirma zu bewerben, bevor Brain Records entschieden hätte, ob sie diese Probeaufnahmen tatsächlich veröffentlichen wolle. Die Verantwortlichen beim Plattenlabel waren dann so begeistert, dass sie der Band im Herbst 1972 einen Vertrag mit dem Hamburger Rudolf Slezak-Musikverlag ermöglichten. Dieser Verlag wahrte unter anderem auch die Rechte der Songs für die Gruppen Jane und Epitaph. Kurze Zeit später buchten Electric Sandwich das Studio von Dieter Dirks in Stommeln, ein damals sehr innovatives und populäres Tonstudio, um mit den Aufnahmen zu ihrem ersten Album zu beginnen. Das Werk, schlicht "Electric Sandwich" betitelt, erschien im Frühjahr 1973 und präsentierte insgesamt sieben Titel, die eine relativ breite stilistische Vielfalt zeigten. Der wohl entscheidende und durchaus beste Song der Platte kam gleich als Opener: "China". Das über acht Minuten lange hervorragende Stück wurde in einer gekürzten Variante auch als Single veröffentlicht. Die tollen und etwas jazzig anmutenden Saxophon-Einlagen konterkarierte der Sänger Jochen Carthaus mit seinem Leadgesang mit einer eher bluesigen Note, der Titel selbst war ein Paradestück in punkto progressiv angelehntem Krautrock, dem man das entscheidende Jam-Element noch immer bestens anhörte. Noch heute kann man sich dieses hervorragende Stück gut als eine 15 Minuten oder gar noch längere Version vorstellen. Der Song "China" erreichte über die Jahre durchaus einen sogenannten Kult-Status.
Allerdings darf man dieses Album nicht nur auf diesen einzigartigen Opener reduzieren. Alle sieben Songs des Werks zeichneten sich durch eine grosse Ideenvielfalt und einen Facettenreichtum aus, über die jede andere Band auch stolz hätte sein können. Trotzdem wirkte die gesamte Produktion wie aus einem Guss und in sich stimmig und homogen, ohne jeglichen qualitativen Ausfälle. Der Gitarrist und Keyboarder Jörg Ohlert umschrieb die Musik auf dem Album als äusserst vielfältig, sogar innerhalb eines einzigen Songs liess sich die Gruppe durchaus zu stilistischen Brüchen hinreissen, was laut seiner Aussage von Anfang an zum musikalischen Konzept von Electric Sandwich gehörte. Die Gruppe liess sich nicht auf eine bestimmte Musikrichtung festlegen, weshalb es im Grunde auch schwierig ist, das Ganze als Krautrock zu bewerten. Wolf Fabian resümierte nach drei Jahrzehnten in einem Interview: "Das Niveau unserer Kompositionen war eigentlich der damaligen Zeit weit voraus". Auch die Themen des Albums dokumentierten den hohen Anspruch der Musiker, der klar in eine intellektuelle Grundausrichtung ging. Die Band versuchte aber dabei, die Songtexte so zu gestalten, dass sie allgemein verständlich blieben. So gerieten auch die Nummern "Nervous Creek", "Devil's Dream", "It's No Use To Run", "I Want You" und "Archie's Blues", sowie das abschliessende Stück "Material Darkness" zu wirklich hervorragenden Stücken, die für die damalige Zeit durchaus als absolut hochwertig im Vergleich mit anderen Bands aus deutschen Landen bezeichnet werden durften. Es ist erstaunlich, dass diese Songs auch heute noch, inzwischen 44 Jahre nach ihrer Erstveröffentlichung, so begeistern können. Das spricht auf jeden Fall für ihre Qualität.
Nach der Veröffentlichung der Platte absolvierten Electric Sandwich zunächst eine umfangreiche Radio- und Promotion-Tour, spielten bei damals populären Radiosendungen wie etwa der Saturday Show des Senders BFBS und bekamen die Möglichkeit, im Rahmen der Fernsehsendung Rhinozeros im Fernsehen ARD während 45 Minuten zu spielen. Weitere Konzertauftritte etwa als Vorgruppe für die legendären Steamhammer oder im Rahmen der Record Beat Show von Radio Luxemburg folgten nach. Wo die Band sich auch live vorstellte, waren die Reaktionen des Publikums durchgehend positiv. Electric Sandwich verfügten auch über ein für damalige Verhältnisse ausserordentlich professionelles Live-Equiment mit Marshall Verstärkern und einer Gesangsanlage von Simms Watts, die der Band vom Hersteller kostenlos zur Verfügung gestellt worden war. Obwohl die Band bereits im Herbst 1973 wieder im Tonstudio an neuem Songmaterial für ein weiteres Album arbeitete, löste sich die Gruppe aufgrund unterschieldicher musikalischer Vorstellungen auf. Der Grund lag ausgerechnet in jenem breitgefächerten Sound, den die Band ja eigentlich zu ihrem Markenzeichen gemacht hatte:Jörg Ohlert wollte stärker in den Jazzbereich, wohingegen Bandgründer Wolf "Lupus" Fabian als überzeugter Rock-Schlagzeuger auch eine entsprechend tiefer im Rock verwurzelte Musik verfolgte. Da die Musiker ausserdem ihre bereits angefangenen Berufsausbildungen fortsetzen und beenden wollten, löste isch die Band 1975 auf. Damit erübrigten sich ebenso die Hoffnungen, im europäischen Ausland Fuss zu fassen. Das Album "Electric Sandwich" wurde zwar auch in den Benelux-Ländern veröffentlicht, doch der Band blieb schliesslich nicht genug Zeit, ihr Album und ihre Musik auch in entsprechendem Umfang im Ausland zu präsentieren. Wolf Fabian arbeitete danach als Sportlehrer. Sänger Carthaus eröffnete einen Reiterhof, der Bassist Klaus Lormann wurde Jurist und der Gitarrist Jörg Ohlert wurde Arzt an einer Bonner Klinik.
Die stilistische Zuordnung Jazzrock-Fusion, wie im Booklet der remasterten CD angegeben, ist unzutreffend. Die Musik erinnerte eher an die Gruppe Thirsty Moon, aber auch an Rufus Zuphall. Stellenweise meint man klare Nektar-Spuren zu orten, besonders bei einigen Gitarrenläufen, und an anderen Stellen erinnert der Gesang wiederum frappant an Sweet Smoke. Die insgesamt absolut professionelle Band bot eine differenzierte und ausgewogene Mixtur aus Balladen, Rock- und Bluestiteln, die durchaus auch progressiv angehaucht waren und dem Etikett Underground zu genügen wussten, mit einer äusserst dynamischen Rhythmusgruppe und interessanten Gitarren- und Saxophon-Soli. Im Jahre 2004 kam es zu einer Reunion, im Zuge derer auch eine neue Platte geplant war. Daraus wurde letztlich leider doch nichts, doch zumindest ihr legendärer Titel "China" findet noch immer regelmässig Einzug in diverse Sampler-Veröffentlichungen, zuletzt natürlich auch in die im März 2017 aktuell veröffentlichte, acht CDs umfassende Werkschau zum Brain Plattenlabel.
Die wunderbare Zumutung, selbst denken dürfen zu müssen.
Haben ist besser als brauchen.
(Alte Plattensammlerweisheit)
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Re: [REVIEW] Electric Sandwich • Electric Sandwich (1972)
Auch wenn Bonn seinerzeit die Hauptstadt der Bundesrepublik war, rein musikalisch fallen mir hier nur Bands wie Electric Sandwich, Hairy Chapter, Arktis und Proud Flesh dazu ein. Immerhin vermochten die beiden erstgenannten Bands kleine Duftmarken im Feld des Krautrocks zu setzen.
Auch das Erscheinen auf dem Brain Label vermittelte keinen richtigen Karriereschub für die Band, denn bis zur Jahrtausendwende war mir die Gruppe überhaupt kein Begriff. In dem Zusammenhang sei dem rührigen Repertoire Label gedankt, dass sie das Album für eine breite Masse wieder zugänglich gemacht haben. Zuvor war es nämlich nur als Counterfeit erschienen.
Die zum Teil jamgeprägte Musik schmiegt sich sogleich in die Ohren der Krauter ein und offenbart nicht nur ein von Spontanität geprägtes Spiel, sondern eröffnet musikalische Freiräume, die die Band zielorientiert zu nutzen wusste. Wer sich von der Musik treiben lässt, kann auf eine gut 40 Minuten anhaltende Reise gehen.
Erwähnenswert ist für mich auch das handwerkliche Geschick der Musiker sowie der Gesang, der nicht im holperigen Denglisch daher kommt.
Marcel, schön das du durch deine gelungene Rezi die Gruppe Electric Sandwich wieder ins Gedächtnis gerückt hast.
Auch das Erscheinen auf dem Brain Label vermittelte keinen richtigen Karriereschub für die Band, denn bis zur Jahrtausendwende war mir die Gruppe überhaupt kein Begriff. In dem Zusammenhang sei dem rührigen Repertoire Label gedankt, dass sie das Album für eine breite Masse wieder zugänglich gemacht haben. Zuvor war es nämlich nur als Counterfeit erschienen.
Die zum Teil jamgeprägte Musik schmiegt sich sogleich in die Ohren der Krauter ein und offenbart nicht nur ein von Spontanität geprägtes Spiel, sondern eröffnet musikalische Freiräume, die die Band zielorientiert zu nutzen wusste. Wer sich von der Musik treiben lässt, kann auf eine gut 40 Minuten anhaltende Reise gehen.
Erwähnenswert ist für mich auch das handwerkliche Geschick der Musiker sowie der Gesang, der nicht im holperigen Denglisch daher kommt.
Marcel, schön das du durch deine gelungene Rezi die Gruppe Electric Sandwich wieder ins Gedächtnis gerückt hast.
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Re: [REVIEW] Electric Sandwich • Electric Sandwich (1972)
die hab ich auch als CD.
Musikalisch sehr spannend und experimentell.
Herausragend im Krautrockbereich.
Musikalisch sehr spannend und experimentell.
Herausragend im Krautrockbereich.