[REVIEW] Procol Harum • Grand Hotel (1973)

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Beatnik
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[REVIEW] Procol Harum • Grand Hotel (1973)

Beitrag von Beatnik »

Die meisten der Musiker, die sich später bei Procol Harum zusammenfanden, hatten schon zuvor als The Paramounts einige Beat- und Rhythm & Blues-Singles aufgenommen. Gary Brooker und Keith Reid gründeten Procol Harum 1967. Der Bandname soll durch die Falschschreibung aufgrund der telefonischen Übermittlung eines Katzennamens Procul Harum entstanden sein. In Ermangelung einer korrekten Erklärung dieses Katzennamens legte man dem Bandnamen einen lateinischen Ursprung zugrunde, hier für 'fern von hier und jetzt', wobei die korrekte Übersetzung 'procul his' lauten müsste. Procol Harum wurden im Frühjahr 1967 vor allem mit einem Song weltberühmt, nämlich "A Whiter Shade Of Pale", das kurz nach seiner Veröffentlichung als Single 2,5 Millionen Mal und seitdem weltweit mindestens 6 Millionen Mal verkauft wurde. Dieser Erfolg traf die Autoren Brooker und Reid völlig unvorbereitet. Einen wesentlichen Anteil am Erfolg dieses Songs hatte das an Johann Sebastian Bach orientierte Hammond-Orgelspiel von Matthew Fisher. Als Komponisten galten lange Zeit nur Brooker und Reid, bevor Ende 2006 ein britisches Gericht Matthew Fisher einen Teil der Urheberrechte zuschrieb.

Es folgten weitere Hits wie "Homburg" und "A Salty Dog". Auch in den 70er Jahren hatten Procol Harum Erfolg, unter anderem mit dem Album "Grand Hotel", ihrem sechsten Studioalbum, auf welchem Christiane Legrand als Gastsolistin sang. "Grand Hotel" war so etwas wie eine Tour de Force für Procol Harum. Die Aufnahmen zum Album begannen im April 1972 zu einem Zeitpunkt , als die Band gerade eine Renaissance erlebte. Procol Harum's Live-Konzert mit dem Edmonton Symphony Orchestra war auf Platz 5 der amerikanischen Albumcharts und ihre Single "Conquistador" auf Platz 16 gestiegen und die Band war wieder überall im Gespräch. In den nächsten 18 Monaten folgten spezielle Orchesterkonzerte mit Procol Harum, die mit dem Los Angeles Philharmonic in der Hollywood Bowl stattfanden, weitere mit The London Philharmonic im Londoner Rainbow Theater , und einige auf einer Tour durch deutschsprachige Länder mit dem Münchner Symphonie Orchester. Dabei spielte die Band auch bereits orchestrierte Fassungen von Songs aus dem bevorstehenden "Grand Hotel", was das Interesse an dem Album zusätzlich befeuerte.

Veröffentlicht im März 1973 präsentierte "Grand Hotel" als neues Bandmitglied den Gitarristen Mick Grabham in einer Besetzung, welche für die Hälfte dieses Jahrzehnts konstant bleiben würde. Grabham dachte so sehr an Procol Harum, dass er die Gelegenheit ausschlug, dem ehemaligen Free-Künstler Andy Fraser und seiner Band beizutreten. Die britische Musikpresse schwärmte von dem Album. Aber war es ein Konzeptalbum ? Das Cover zeigte die Band vor dem Grand Hotel am Genfersee in der Schweiz, was darauf hindeutete, dass es sich durchaus um ein Konzeptalbum handeln könnte. In Wahrheit spiegelte es nur den epischen Titel wieder, der darauf zu hören war und den Procol Harum unbedingt als Titelsong verstanden haben wollten. Der Melody Maker-Rezensent Richard Williams fand, dass der Titelsong seinem Anspruch gerecht werden würde und bewertete das Album sehr gut. Auch die Fans goûtierten das Album und kauften es. Mit "A Souvenir Of London" wurde auch eine Single ausgekoppelt, die recht erfolgreich war. Das Album erreichte in den USA den Rang 21 in den Billboard Hot 100 Charts.

Was sofort auffiel: "Grand Hotel" signalisierte einen Richtungswechsel für die Band. Der Gitarrist Dave Ball, der im Vorjahr für das Live-Album der Band beigetreten war, verliess kurz nach dem Fotoshooting des Covers für das geplante Album die Band. Das Coverdesign wurde danach manipuliert: Grabham's Kopf lag schliesslich auf der Vorder- und Rückseite des Albums auf Ball's Körper. Obwohl die Band in den vergangenen Jahren erhebliche personelle Veränderungen durchgemacht hatte, ging die Band mit dieser Besetzung in die stabilste Phase. Die Single "A Souvenir Of London" wurde von der BBC wegen ihres Hinweises auf Geschlechtskrankheiten in den Texten des Liedes verboten. Reid behauptete hingegen, dass sowohl der Songtext wie auch die Melodie durch einen Besuch in einem Souvenirladen in der Nähe von George Martin's Air Studios inspiriert war. "Fast jedes Album hat mindestens einen Comic-Song, und dieser war ein bisschen ironisch", sagte Reid im Rahmen eines Interviews für die CD-Neuauflage von "Grand Hotel" schliesslich im Jahre 2009.

Die Besetzung der Gruppe Procol Harum wechselte in den nachfolgenden Jahren bis auf Brooker, Wilson und Reid häufig. Die Band veröffentlichte bis zu ihrer Auflösung im Jahre 1977 zehn Alben. Sie zeichnete sich immer wieder durch einfallsreiche, oft an der klassischen Musik orientierte Kompositionen aus. Daneben fanden sich im Werk von Procol Harum aber auch immer wieder Songs, die stark im Blues verwurzelt waren. 1991 fanden sich Procol Harum erneut zusammen, mit Mark Brzezicki, dem ehemaligen Big Country-Schlagzeuger, der auch bei den Bands The Cult und Ultravox tätig gewesen war, anstelle des 1990 verstorbenen B. J. Wilson, und blieb auch weiterhin eine sehr erfolgreiche Live-Band. Auch im Studio wurde die Gruppe wieder aktiv. In der aktuellen Besetzung spielen neben Gary Brooker auch Geoff Whitehorn (Gitarre), Josh Phillips (Orgel), Geoff Dunn (Schlagzeug) und Matt Pegg (Bass). Der legendäre britische Musiker und Lyriker Pete Brown schreibt nun die Songtexte für Procol Harum mit, die im Jahre 2017 noch einmal ein bemerkenswertes Album mit dem Titel "Novum" veröffentlicht hatten. "Grand Hotel" ist eines meiner Inselalben.

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Lavender
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Re: Procol Harum • Grand Hotel (1973)

Beitrag von Lavender »

:clap:
Da befindet sich das Album bei mir seit Jahrzehnten in meinem Plattenregal und nun diese Rezension. Ich dachte nämlich, ich wüsste alles über "Grand Hotel ". Weit gefällt. Hier habe ich noch einige Infos gelesen, die mir bislang nicht bekannt waren.
"Grand Hotel" zählt neben "Live" und "Shine On Brightly" zu meinen liebsten Alben von Procol Harum.
Toleranz bedeutet, dass man auch andere Meinungen, Anschauungen oder Haltungen neben seiner eigenen gelten lässt.
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Emma Peel
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Re: Procol Harum • Grand Hotel (1973)

Beitrag von Emma Peel »

Bei diesem Album tun sich Wohlklang und ausgefeilte Kompositionen gleichermaßen auf. Auch die ausgeklügelten Arrangements wissen in den einzelnen Musikstücken zu punkten.

In der Tat bietet Procol Harum dem Hörer ein großes musikalisches Kino, das in seiner Dichte kaum zu überbieten ist.

Mäse, zudem gefallen mir die von dir eingewobenen Informationen über Band bzw. dem Album. Klasse kann ich nur noch zu deiner Rezi sagen. :yes:
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Louder Than Hell
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Re: Procol Harum • Grand Hotel (1973)

Beitrag von Louder Than Hell »

Wir schreiben das Jahr 1973, als der damals noch sichtlich junge Louder Than Hell das Radio einschaltete, um auf NDR2 die Sendung "Musik für junge Leute vor der Schule" zu verfolgen. Ich selbst befand mich zu der Zeit in der 10. Klasse und frühstückte.

Was mir entgegen klang, war völlig fremd und hatte ich zuvor in dieser Form noch nie gehört. Ich ordnete es zunächst als Kaffeehausmusik oder Walzerklängen ein, ehe es der Moderator nach dem Musikstück als Titeltrack der neuen Procol Harum Scheibe "Grand Hotel" vorstellte.

Ich war derart berührt, so dass dieses Musikstück unter uns anderen Jugendlichen, die auch diese Musiksendung verfolgt hatten, das Thema während der Busfahrt zur Schule war. Und wenn ich ehrlich bin, hat sowohl dieses Musikstück als auch das Album bis heute nichts von seinem Glanz eingebüßt.

Um es auf den Punkt zu bringen: Danke für deine wahrlich gelungene Rezi mit allen seinen Zusatzinformationen und auch Danke für das Erinnern dieser Super Scheibe. :yes:
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BRAIN
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Re: Procol Harum • Grand Hotel (1973)

Beitrag von BRAIN »

Die Grand Hotel ist eine ganz besondere Scheibe im Katalog von Procol Harum.
So großartig hat die Band seit A Salty Dog nicht mehr geklungen.
Der eröffnende Titeltrack bereitet den Boden für ein musikalisches Festmahl aus Melodie, Poesie und einer Prise Königswürde durch die Herren Brooker und Reid.
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