[REVIEW] Honolulu Mountain Daffodils • Aloha Sayonara (1991)
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[REVIEW] Honolulu Mountain Daffodils • Aloha Sayonara (1991)
Die Honolulu Mountain Daffodils waren eine höchst interessante und sehr versponnene britische Band, die zwischen 1986 bis 1991 ihr musikalisches Unwesen trieb und in dieser Zeit drei Longplayer veröffentlichte, von denen jeder für sich selbst hätte stehen können als Sammelsurium verschiedenster stilistischer Ausdrucksformen, da ein einheitlicher Sound mit einem gewissen Wiedererkennungswert offenbar nie das Ziel dieser verschrobenen Truppe zu sein schien. Das war natürlich letztlich genau das, was diese Band so interessant machte. Sie konnte einem immer wieder überraschen, man wusste nie: Was kommt als Nächstes ? Im Web fand und findet sich kaum Informatives zu dieser aussergewöhnlichen Band und das schien auch von Anfang an so geplant gewesen zu sein. Unter dem kruden Bandnamen Honolulu Mountain Daffodils agierte der Musiker Adrian Borland, der zwischen 1979 und 1987 der Sänger der Band The Sound war und sich bei den Daffodils das Pseudonym Joachim Pimento zulegte. Sehr seltsam eigentlich, denn man kann sich kaum vorstellen, dass rechtliche Gründe (Plattenfirmen stellen sich manchmal quer, wenn einer ihrer Vertragsmusiker nebenher was am laufen hat) den Ausschlag dafür gaben, dass er sich bei dem Projekt nicht mit seinem eigenen Namen schmücken sollte. Vielmehr schien das so gewollt gewesne zu sein, weil vielleicht einfach zwei Herzen in der Brust dieses Musikers schlugen, wer weiss.
"Aloha Sayonara" von 1991 war das dritte und letzte Album dieses aussergewöhnlichen Geheimprojektes, auf welchem Adrian Borland in 16 Titeln mit einer Laufzeit von fast 63 Minuten noch einmal seiner Leidenschaft frönte, all seine musikalischen Einflüsse zu verarbeiten und damit ein wunderbar seltsames und deshalb faszinierendes Album zu präsentieren. Während das ziemlich elektronisch arrangierte Stück "Electronic Alcoholic" ganz eindeutig eine Remineszenz an die deutschen Elektronik-Pioniere Kraftwerk bedeutet, "Rhine Women And Song" mit seinem avantgardistischen und sehr kühlen Arrangement den frühen Joy Division huldigt und "Grungeda" etwa rockig in die Nähe von Billy Idol tendiert, spielen in weiteren Songs vor allem eine herrliche, an den klassischen Garagen Rock erinnernde Fuzz Guitar eine bedeutende Rolle.
Das vielleicht typischste Merkmal bei Borland's Musik dürfte allerdings der Einsatz von elektronischen Perkussions- und Schlagwerkzeugen sein, das die gesamte gebotene Musik immer wieder in den elektronischen Bereich steuert und dadurch fast nie eine für Rockmusik typische Bodenhaftung erfährt. Der Musiker Borland war mit seinen Daffodils daher immer recht nahe am Wave-Sound der 80er Jahre, so auch bei diesem letzten Album, auf welchem seine Art zu arrangieren wohl am besten gelang. Der treibende Rocker "Hurricane Marilyn" steht in seiner Exaltiertheit für mich stellvertretend für den aussergewöhnlichen Rocksound dieser Platte.
Was dieses Werk ebenso interessant wie die beiden Vorgänger Alben macht ist die Tatsache, dass es so vielseitig ist. Trotz der eigentlich eher beschränkten instrumentalen Mittel klingt hier kein Song wie der andere. Die musikalische Vielfalt ist beachtlich hoch und darum letztlich total packend und von grosser Intensität. Der beste Track des Werks dürfte "Psychic Hit-List Victim No.8" mit seiner kompromisslosen Fuzz-Instrumentierung sein. Hier gibt es eine wundervolle überdrehte Fuzz-Orgie zu hören, die ihren Ursprung weit zurück in den 60er Jahren findet. Es ist sehr schade, dass sowohl Borland, wie auch seine Daffodils nicht einem breiteren Publikum bekannt wurden. Die Gruppe blieb daher ein Geheimtipp, ihre drei Platten, insbesondere das grandiose "Aloha Sayonara", entwickelten sich zu Kultscheiben unter Insidern.
Der Sänger schreckt hier vor nichts zurück und vergnügt sich phantasievoll im Blues, im Rock, sogar im Tex-Mex, der Dark Wave, dem Electronik Sound, dem avantgardistischen Pop, und das alles auf einer einzigen Platte. Ein anarchisch zu nennendes Werk, das sich jeder Etikettierung entzieht und einen Künstler zeigt, der es weder sich selbst, noch seinem Publikum einfach macht. Wer allerdings den Mut hat, sich auf Adrian Borland's Daffodile einzulassen, der wird in einen einzigartigen musikalischen Kosmos eintauchen, der bis heute für sich selbst steht, nie eine ähnlich geartete Kopie oder gar einen ebenbürtigen Nachahmer fand. Joachim Pimento, wie sich dieser aussergewöhnliche Künstler auch nannte, veröffentlichte in der Folge noch einige Soloplatten und gründete mit Carlo Van Putten (The Convent) die Band White Rose Transmission. Am 26. April 1999 setzte er seinem Leben indes selbst ein Ende.
Die wunderbare Zumutung, selbst denken dürfen zu müssen.
Haben ist besser als brauchen.
(Alte Plattensammlerweisheit)
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Re: [REVIEW] Honolulu Mountain Daffodils • Aloha Sayonara (1991)
Witzigerweise habe ich früher das Album "Tequila Dementia" aus dem Jahre 88 besessen.
Ich werde noch einmal in beide Alben reinlauschen und dann berichten.
Ich werde noch einmal in beide Alben reinlauschen und dann berichten.
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Re: [REVIEW] Honolulu Mountain Daffodils • Aloha Sayonara (1991)
die Band ist mir völlig unbekannt.
Besonders Free Men Of Mauna Loa gefällt mir sehr gut, erinnert ein bisschen an die WCPEB
Tatsächlich ist die CD nicht mehr so einfach zu bekommen.
Mal schauen, danke für den Tipp.
Besonders Free Men Of Mauna Loa gefällt mir sehr gut, erinnert ein bisschen an die WCPEB
Tatsächlich ist die CD nicht mehr so einfach zu bekommen.
Mal schauen, danke für den Tipp.
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Re: [REVIEW] Honolulu Mountain Daffodils • Aloha Sayonara (1991)
Die Bergnarzissen aus Honolulu, welch sonderbarer Name und welch sonderbare Musik wurde von ihnen auf den Weg gebracht.
Die Musik selbst düfte unter dem Begriff Indie verortet worden sein, bietet aber interessanten Post Punk, Rock, Indie, Psych und Mäse will auch noch TexMex rausgehört haben.
Das Spannende ist beim Durchhören der Platte die totale Unvorhersehbarkeit. Im Grunde gestaltet sich jedes Musikstück ein wenig anders und man springt in den Musikstilen hin und her. Und genau dieses ist in meinen Augen ihre große Stärke. Sie erschaffen eine Vielzahl von Musikstücken und man ist geradezu gebannt, was nun auf einem zukommt. Klasse Band, klasse Rezi kann ich dazu nur noch sagen.
Das von mir erwähnte zweite Album "Tequila Dementia" wandelt auf ähnlichen musikalischen Pfaden. Insofern waren mir die chamäleonhaften Wandlungen durchaus vertraut, mussten nur noch in mein Gedächtnis zurückgerufen werden.
Die Musik selbst düfte unter dem Begriff Indie verortet worden sein, bietet aber interessanten Post Punk, Rock, Indie, Psych und Mäse will auch noch TexMex rausgehört haben.
Das Spannende ist beim Durchhören der Platte die totale Unvorhersehbarkeit. Im Grunde gestaltet sich jedes Musikstück ein wenig anders und man springt in den Musikstilen hin und her. Und genau dieses ist in meinen Augen ihre große Stärke. Sie erschaffen eine Vielzahl von Musikstücken und man ist geradezu gebannt, was nun auf einem zukommt. Klasse Band, klasse Rezi kann ich dazu nur noch sagen.
Das von mir erwähnte zweite Album "Tequila Dementia" wandelt auf ähnlichen musikalischen Pfaden. Insofern waren mir die chamäleonhaften Wandlungen durchaus vertraut, mussten nur noch in mein Gedächtnis zurückgerufen werden.