Big Star und ihre Nummer-1-Platte!
Alle Voraussetzungen waren gegeben, aber es kam nie dazu, zumindest nicht zu dem Zeitpunkt, als es wichtig gewesen wäre und das war, als die Band noch existierte und sowohl Alex Chilton als auch Chris Bell noch zusammen waren.
Der ganze Kult und die Tatsache, dass alle drei Big Star-Alben (Radio City und Third sind die anderen beiden) absolute Klassiker sind und im Alleingang für den Power-Pop verantwortlich waren, spielen keine Rolle.
Alex Chilton war ein Teenager-Rockstar, dessen raue Stimme, obwohl er damals erst 16 Jahre alt war, zum Markenzeichen von "The Letter", einem der größten Hits der 60er Jahre, der sich als Enzyklopädie des Rock mit brillantem Songwriting entpuppte.
Man brachte Chilton mit Chris Bell, einem weiteren hervorragenden, wenn auch damals unbekannten Singer/Songwriter, und eines der größten unabhängigen Soul-Labels jener Zeit, -Stax Ardent- zusammen.
Man nennt die Band Big Star und ihr Debüt wird zur Nummer-1-Platte, was braucht man mehr?
Was man brauchte, war, dass die Band es schaffen würde, und das hat sie leider nicht.
Obwohl sie, gemessen an der Brillanz und Zeitlosigkeit dieses Albums, sicherlich Big Stars waren, wurde es nie eine Nummer-1-Platte.
Eine Schande.
Vielleicht hat niemand erwartet, dass Chilton tatsächlich die sanfte Gesangsstimme hat, die er auf diesem Album zur Schau stellte, obwohl es hieß, dass das schroffe "The Letter" von einer durchzechten und ausschweifenden Nacht auf einem Friedhof in Memphis handelt, in der Nacht, bevor dieser Hit aufgenommen wurde.
Oder vielleicht hat niemand mit den Chilton/Bell-Harmonien wie bei "In The Street" und den anderen melodischen Songs gerechnet, die das Album dominieren, mit der exquisiten Ballade "Thirteen" oder all den Power-Pop-Bands, die danach kamen und die Riffs kopierten und ihr ganzes Repertoire auf "Don't Lie To Me" oder "When My Baby 's Beside Me" aufbauten.
Das Psychodrama "The India Song" verleiht dem Album eine zusätzliche Note, wie ein Hauch eines exotischen Parfums.
Oder vielleicht war die Band, insbesondere Chilton und Bell sich des Erfolges zu sicher und der ausbleibende Erfolg brachte sie zu Fall, zumal beide nicht für einen gesunden Lebensstil bekannt waren.
Die Unfähigkeit von Stax, die Band und Ardent als Label richtig zu betreuen und zu promoten, hat sicher auch nicht geholfen.
Relativ schnell nach der Veröffentlichung von #1Record kulminierten die internen Streitigkeiten zwischen Chilton und Bell und Bell verließ die Band.
Er brachte mit "I'm The Cosmos" einen weiteren brillanten Power Pop Song und ein gutes Album heraus, verstarb aber nach kurzer Zeit.
Chilton übernahm die Zügel von Big Star und brachte zwei weitere Klassiker heraus - Radio City, mit absolut ikonischen Songs wie "Mod Land" und "September Gurls" und Third, wahrscheinlich eines der traurigsten Alben der Rockgeschichte.
Dennoch ist #1Record selbst eine brillante, einheitliche, bahnbrechende Reihe von Songs, die immer noch wie das Neonlicht auf dem Cover leuchten.
Seite 1
1. Feel – 3:34
2. The Ballad of El Goodo – 4:21
3. In the Street – 2:55
4. Thirteen – 2:34
5. Don’t Lie to Me – 3:07
6. The India Song (Andy Hummel) – 2:20
Seite 2
7. When My Baby’s Beside Me – 3:23
8. My Life Is Right (Bell, Tom Eubanks) – 3:08
9. Give Me Another Chance – 3:27
10. Try Again – 3:31
11. Watch the Sunrise – 3:45
12. ST 100/6 – 1:01
Veröffentlichung: April 1972
Besetzung:
Alex Chilton – Gesang, Gitarre
Chris Bell – Gesang, Gitarre
Andy Hummel – Bass, Piano, Gesang
Jody Stephens – Schlagzeug
Produktion: John Fry
Studio: Ardent Studios, Memphis
[REVIEW]Big Star - #1 Record (1971)
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Re: [REVIEW]Big Star - #1 Record (1971)
Eine Platte, die man als Beispiel nehmen kann für intelligent komponierten Pop-Rock mit großartigen Harmonien und schönen Melodien. Alles erfolgte sicherlich vor dem Hintergrund der 60er Jahre und wurde perfekt ins nächste Jahrzehnt transportiert.
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Re: [REVIEW]Big Star - #1 Record (1971)
Es gibt Alben, die erschließen sich manchmal erst nach Jahrzehnten. Auf der Teldec Tochter "Line Records" erschien dieses Album seinerzeit (1986) als Wiederveröffentlichung. Es sagte mir aber überhaupt nicht zu, weil es mir zu wenig rockig war und zuviele Popelemente enthielt.
Wie das im Leben manchmal so ist und auch mit dem nötigen Abstand habe ich mir das Album noch einmal zugelegt. Letztlich war ich überrascht, mit wieviel Einfallsreichtum hier die Musikstücke ausgebettet wurden. Es ist Power Pop in seiner Vollendung, der mit einschmeichelnden Melodien nur so glänzt, aber auch im instrumentalen und gesanglichen Bereich zu überzeugen vermag.
Ich will hier auch gar nicht bestimmte Musikstücke hervorheben, weil mir das Album in seiner Gesamtheit zusagt. Das ist wahrlich großes Kino, was hier musikalisch dargeboten wird.
Ein klasse Album, aber in der Rockhistorie leider nur eine Randnote.
Wie das im Leben manchmal so ist und auch mit dem nötigen Abstand habe ich mir das Album noch einmal zugelegt. Letztlich war ich überrascht, mit wieviel Einfallsreichtum hier die Musikstücke ausgebettet wurden. Es ist Power Pop in seiner Vollendung, der mit einschmeichelnden Melodien nur so glänzt, aber auch im instrumentalen und gesanglichen Bereich zu überzeugen vermag.
Ich will hier auch gar nicht bestimmte Musikstücke hervorheben, weil mir das Album in seiner Gesamtheit zusagt. Das ist wahrlich großes Kino, was hier musikalisch dargeboten wird.
Ein klasse Album, aber in der Rockhistorie leider nur eine Randnote.