[REVIEW] The Tarney Spencer Band - Three's A Crowd (1978)

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Beatnik
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[REVIEW] The Tarney Spencer Band - Three's A Crowd (1978)

Beitrag von Beatnik »

Zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt veröffentlichte die Tarney Spencer Band 1978 ein Power Pop / Poprock-Meisterwerk, das leider nur moderat erfolgreich war, weil das zum damaligen Zeitpunkt grassierende Punk-Fieber inzwischen nicht nur ganz Europa, sondern auch Amerika komplett in seinen Bann gezogen hatte. Konträr zum Punk blieb eigentlich nur noch der pure Kommerz. Dafür waren die beiden Musiker Alan Tarney und Trevor Spencer jedoch qualitativ wiederum zu anspruchsvoll, oder besser gesagt: zu stark 'out of fashion' und zu wenig innovativ. Man nannte ihre Musik daher damals schon mal "altbacken", wobei dieser Begriff nicht unbedingt negativ gemeint sein muss - vor allem nicht unter Traditionalisten, die noch immer dem perfekten und zeitlosen Pop der Beatles nachtrauerten. So war dieses Album leider nur einer kleinen Fangemeinde lieb und teuer, und das ist es wohl bis heute geblieben.

Die beiden Musiker Alan Tarney und Trevor Spencer stammten aus Australien und fingen ab Mitte der 60er Jahre an, gemeinsam zu musizieren. Eine erste Band, mit welcher sie in Australien einen gewissen Bekanntheitsgrad erlangten, nannte sich Johnny Broome & The Handels, wo sie vor allem als komponierende Begleitmusiker in Erscheinung traten und den typischen Mitt-60er Beat englischer Ausprägung pflegten. 1969 verliessen die beiden sowohl Band wie auch Heimatland und übersiedelten nach England, wo sie schon kurze Zeit später einen Plattenvertrag mit Decca unterzeichnen konnten. Sie spielten unter dem Bandnamen Quartet zwei Singles ein, sowie ein komplettes Album. Leider wurde dies nie veröffentlicht, weil die beiden Singles nicht den gewünschten Erfolg brachten. Neben den Aktivitäten mit der eigenen Band spielten Tarney und Spencer auch immer wieder als Studio- und Sessionmusiker für teils namhafte Musiker, unter ihnen beispielsweise Olivia Newton-John, Chris Squire, Bonnie Tyler, Charlie Dore, die New Seekers, The Real Thing und viele weitere. Auffallend diesbezüglich waren schon die unterschiedlichen Musikstile, in welchen die beiden Musiker sich zuhause fühlten und hierbei keinerlei Scheuklappen zeigten.

1973 begannen die beiden, noch immer mit ihrer eigenen Band Quartet unterwegs, in der Band von Cliff Richard mitzuspielen, und zwar beide zuerst als Studiomusiker, Alan Tarney später auch als festes Mitglied in Cliff Richard's Band als sein Bassist. Dort blieb er insgesamt vier Jahre. Danach begannen die beiden Musiker, gemeinsam an einem neuen Projekt zu arbeiten. Als eine Art Singer/Songwriter-Duo veröffentlichten sie in der Folge für das Label Bradley Records in England eine erste gemeinsame LP, die am ehesten mit dem Folkrock- und Poprock-Sound etwa des Duos Gallagher & Lyle verglichen werden kann, die zu jener Zeit ebenfalls gut im Geschäft waren mit einem ähnlich ausgerichteten Musikstil. Kurz darauf kam es zu einem wahren Exploit, als die Plattenfirma A&M Records die Aufnahmen dieses ersten Albums hörte. Die mit Gallagher & Lyle in diesem Bereich bereits stark engagierte Firma offerierte Alan Tarney und Trevor Spencer einen sagenhaften, nicht weniger als 10 Platten umfassenden Langzeit-Vertrag. Ein Unterfangen, das bestimmt mit einem grossen Risiko verbunden war, das aber auch von dem grossen Vertrauen in das musikalische Können der beiden Musiker zeugte. Heutzutage wäre ein solcher Vertrag schlicht unmöglich. Aber auch für damalige Verhältnisse war das ein normalerweise nur absoluten Top-Stars vorbehaltenes Angebot - ein Privileg, auf das Alan Tarney und Trevor Spencer sehr stolz waren. Dass die Talentscouts von A&M Records und der ausführende Produzent David Kershenbaum (der zur gleichen Zeit gerade die Ozark Mountain Daredevils produzierte) mit ihrer Entscheidung richtig lagen, die Band für eine längere Zeitspanne an sich zu binden, bewies das 1978 erschienene Album "Three's A Crowd".

Die Platte, die mit einem schön stylish gehaltenen Cover mit rund geschnittenen Ecken aufwartete, und wie eine Menu Karte eines 50's Bistros aufgemacht war, bot 10 hervorragend komponierte und perfekt produzierte Songs an der Schnittstelle zwischen Power Pop und Pop Rock, wobei die Band als solche quasi nur aus den beiden Musikern bestand. So spielte Alan Tarney die Gitarren, den grössten Teil der eingesetzten Keyboards und Synthesizers, während Trevor Spencer Schlagzeug und Perkussion übernahm. Den Gesang teilten sich die beiden und der war schlicht perfekt umgesetzt, sowohl was die Leadgesänge, als auch die gemeinsamen Duette anbetrifft. Lediglich für die Bläsersätze kamen als Gastmusiker der versierte Colin Cooper von der Climax Blues Band hinzu genauso wie Gitarrist Pete Haycock, sowie Derek Holt und John Cuffley (beide ebenfalls ehemalige Climax Blues Band Musiker), der Vokalist John Perry als Background-Sänger (Alan Parsons Project, Soft Machine), der zusätzliche Keyboarder Lynton Naiff (Affinity), Peter Filleul (The Parlour Band), Stuart Calver (Cockney Rebel) und der vor allem in den 60er Jahren erfolgreiche Sänger Tony Rivers als zusätzlicher Background-Sänger. Eine durchaus illustre Schar an Top-Musikern halfen dem Duo also bei der Umsetzung dieses klanglich perfekten Albums, das zahlreiche Ohrwürmer bietet.

Beispielsweise das von Produzent David Kershenbaum mitkomponierte "Set The Minstrel Free", der wohl beste Track auf dieser Platte, die ausgiebig im amerikanischen AOR Radio zu hören war und dadurch in den Billboard Charts einen respektablen Platz 174 erreichte. Aus dem Album ausgekoppelt wurde die Single "It's Really You", vielleicht nicht die beste Wahl, aber wohl zum damaligen Zeitpunkt der Titel auf dem Album, der dem amerikanischen Markt vermeintlich am ehesten gerecht wurde. Die Single erhielt ebenfalls reges Airplay und landete schliesslich auf einem achtbaren Platz 86 in den Billboard Hot 100.

Die LP bietet aber noch etliche weitere Trouvaillen, von denen beispielsweise das von einem sich im Ohr festkrallenden Gitarren-Lauf getragene "I Can Hear Love" eine der prägnantesten ist. Die Up Tempo-Nummer "We Believe In Love" mit einer ständig wiederkehrenden Moog-Einlage gefällt genauso wie die absolut hörenswerte Rockballade "Capital Shame".

Im Jahr darauf folgte der zweite Streich auf dem A&M Label (die dritte LP insgesamt) und wiederum wusste die Band mit einer ähnlichen Musikmischung sehr zu gefallen. Auch von der LP "Run For Your Life" wurde eine Single ausgekoppelt: "No Time To Lose" erklomm ähnlich hohe Chartspositionen wie "It's Really You". Auf diesem Niveau verharrte der Erfolg der beiden Musiker jedoch, was der Plattenfirma A&M letztlich doch zu wenig war. Das mit so vielen Vorschuss-Lorbeeren ausgestattete Duo stand danach plötzlich ohne Plattenvertrag da, weil A&M Records nicht mehr an den wirklich grossen Hit glaubte. Dies war gleichzeitig auch das Ende der Tarney / Spencer Band, nachdem eine weitere Single mit dem Titel "Cathy's Clown" floppte. Zwei Jahre später veröffentlichte A&M Records den Titel "No Time To Lose" noch einmal als Single, nachdem der Fernsehsender MTV das Stück mit einem Videoclip versehen und im Fernsehen gespielt hatte. Die Resonanz beim Publikum war so gross, dass die Single noch einmal die Charts erreichte und mit einem respektablen Platz 74 sogar noch moderat erfolgreicher war als die Erstveröffentlichung zwei Jahre zuvor.

Trevor Spencer und Alan Tarney trennten sich danach auch als musikalisches Duo, das so lange Zeit zusammen musiziert hatte. Spencer ging zurück nach Australien und half bei der Gründung des Tonstudios Sh-Boom mit. Er spielte später dann auf Platten von Hank Marvin mit.

Alan Tarney blieb in Europa und feierte später grossen Erfolg als Produzent der norwegischen Pop-Band A-Ha, deren erste drei Alben er produzierte und mit seiner exquisiten Studioarbeit mithalf, die Band auf der ganzen Welt berühmt zu machen. Der Welthit "Take On Me" geht auf seine Kappe. Durch die erfolgreichen Platten von A-Ha konnte Alan Tarney bald darauf etliche weitere Top-Stars produzieren, so unter anderem Pulp, Leo Sayer, Bow Wow Wow, Cliff Richard, Squeeze, The Hollies, Dream Academy und viele weitere.

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Die wunderbare Zumutung, selbst denken dürfen zu müssen.

Haben ist besser als brauchen.
(Alte Plattensammlerweisheit)
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