Als die auf den Namen Black Rebel Motorcycle Club hörenden drei schwarz gekleideten Desperados aus San Francisco drei 2002 mit ihrem Debutalbum auf der Bildfläche erschienen, war die Euphorie gross. Ueberall wurden B.R.M.C. neben den Raveonettes als würdige Nachfoger der Reid Brüder alias The Jesus & Mary Chain gefeiert. Bärenstarke Fuzz-Gitarren und Darkwave-Rock n' Roll waren wieder en vogue. Ein schnell aus der Hüfte herausgeschossenes Nachfolgealbum ("Take Them On, On Your Own") folgte ein knappes Jahr danach. Danach war erst einmal Sendepause. Die Gruppe machte laut eigenen Aussagen eine harte Zeit durch, hatte mit zwischenmenschlichen Problemen zu kämpfen und es sah in der Tat so aus, als würde kein weiteres Album mehr nachkommen.
Doch mit ihrem dritten Album "Howl" überraschten sie in mehrfacher Hinsicht: Die Band meldete sich nicht nur furios zurück, sie gestaltete auch ihre Musik nach völlig neuen musikalischen Gesichtspunkten. Der Blues kam in die Musik von B.R.M.C., ausserdem ein gesunder Schuss Folk Music. Trotzdem war auch hier ein solides Rockalbum am Start, das jedoch aufgrund der Songs und den wesentlich differenzierteren, ja sehr viel reifer wirkenden Arrangements trotzdem eine dicke Ueberraschung darstellte. Die Zeiten von kompromisslos vorwärts preschenden Rockern im Stil etwa von "Love Burns", "Whatever Happened To My Rock'n'Roll" (ihrem erfolgreichen Single-Start einige Jahre zuvor), "Stop" oder "We're All In Love" schienen erst einmal Vergangenheit zu sein. Selbstbewusst zeigte die Band ihre Country- und Bluesseite, hatte sich vorher aber nie getraut, solche Songs auf auf ihre bisherigen Alben zu packen. Nun hielten die Mundharmonica und die akustischen Westerngitarren Einzug. Die Phaser-, Delay- und Fuzz-Effekte wurden eingemottet. Laut Aussage der Bandmusiker legte man nun mehr Wert auf die Texte, wechselte das Plattenlabel und konnte nun "die Musik machen die man liebt".
Das Schwergewicht legte die Band indes nicht mehr auf prägnante Hooklines und möglichst rasch mitsingbaren Refrains, sondern auf elegante und wohlkomponierte, auch anspruchsvollere Songs als zuvor. Dabei entpuppten sich gerade die mit vorwiegend akustischen Instrumenten und spärlich arrangierten Titel wie etwa der Opener "Shuffle Your Feet" als wahre Perlen, die man in der Art und Weise, wie sie vorgetragen wurden, eher schon einem Tom Petty zugeschrieben hätte, jedoch kaum einer Independent Rockband, die noch knapp zwei Jahre zuvor musikalisch durchwegs Vollgas gegeben hatte. "Howl" bedeutete auch die Suche nach den eigenen Roots, oder besser gesagt: Der Mut, sich mit seinen eigenen Roots auseinanderzusetzen und nicht von ihnen aus den eigenen Sound zu suchen. Viele Bands und Musiker tragen sich im Laufe ihrer Karriere mit diesem Gedanken. Man will den Fans zeigen, woher man kommt, womit man als Künstler inspiriert worden war und welche Einflüsse zum eigenen Musikschaffen geführt haben.
Das einzig Fragwürdige bei diesem musikalisch absolut prächtig gelungenen Roots-Album ist wohl, warum sich die Band schon nach einer durchaus relativ kurzen Zeit ihres Bestehens so offen zu ihren Roots bekannt hat. Normalerweise warten Musiker erst jahrelang, bis sie sich selbst verwirklicht haben, um dann den Fans zu zeigen, woher sie ursprünglich ihre Ideen und Inspirationen geholt hatten. Es gab natürlich auch etliche Fans der Gruppe, die ihnen dieses Album übel nahmen, weil sie nicht damit gerechnet hatten. Die künstlerische Freiheit indes bescherte der Musikwelt schon so einige überraschende Alben, denen man zum Zeitpunkt ihres Erscheinens eher ablehnend gegenüber stand, die sich aber Jahre später als die eigentlichen Meisterwerke entpuppten. Als vergleichendes Beispiel dafür mag vielleicht das Song-Album "Paris 1919" herhalten, das einen damals als Avantgarde-Künstler gerade etablierten John Cale von einer unerwartet Pop-orientierten Seite zeigte, und dessen Album erst Jahre später zu einem der schönsten Werke seines künstlerischen Schaffens erkoren wurde.
Höhepunkte auf diesem Album sind das herrlich wimmernde "Weight Of The World", das wohl nicht Wenige eher in die Nähe der trocken-spröden Romantik eines Nick Cave bringen würden, ausserdem das verträumt-mystische "Promise" mit einem wunderbaren Klavier, gespielt von Michael Been (The Call, Peter Gabriel), und ganz sicherlich auch der erhabene "Gospel Song", der zugegebenermassen hervorragend gespielt ist, aber wohl doch am deutlichsten die Rock-Fans verschreckt haben dürfte. "Howl" ist ein grossartiges Album, das dem Hörer enorm viel Freude bereitet. Das Einzige, was er dafür tun muss ist, die bisher eher düster grollenden Rocksongs der Band für einen kurzen Moment aus seinem Kopf ausblenden. Eine zugegebenermassen nicht ganz leichte Aufgabe, denn vergleichend würde man vielleicht mutmassen: Könnten Status Quo zum Beispiel ein Country-Album einspielen und man würde die Fans bitten, sich einfach ihren Boogie mal einen Moment lang im Kopf auszuschalten ? Doch, ich denke, das hat bei den Boogiekönigen bestens funktioniert, wie wir wissen. Zumindest für mich funktioniert es bei B.R.M.C. auch. Und zwar völlig problemlos, und das seit nunmehr vielen Jahren. Und dann ist da ja noch so ein wunderbarer Song wie "Sympathetic Noose", der doch glatt wie ein verschollener T. Rex Track von Marc Bolan selig klingt. Hach, wie schön.
[REVIEW] Black Rebel Motorcycle Club • Howl (2005)
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[REVIEW] Black Rebel Motorcycle Club • Howl (2005)
Die wunderbare Zumutung, selbst denken dürfen zu müssen.
Haben ist besser als brauchen.
(Alte Plattensammlerweisheit)
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Re: [REVIEW] Black Rebel Motorcycle Club • Howl (2005)
Wiedermal ein starker Text.
Das Debut ist bei mir voll eingeschlagen.
Die Band hatte ein Stil auf den ich Anfang der 2000er bock hatte. Too Real war/ist mein Favorit.
Bei Howl war ich stilistisch schon wieder wo anders.
Trotzdem habe ich die CD später im Second Hand nachgekauft.
Es ist eine der Scheiben die schon ewig auf Halte hier liegt und wartet.
Ein Fehler wie diese Rezi zeigt.
Das Debut ist bei mir voll eingeschlagen.
Die Band hatte ein Stil auf den ich Anfang der 2000er bock hatte. Too Real war/ist mein Favorit.
Bei Howl war ich stilistisch schon wieder wo anders.
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Re: [REVIEW] Black Rebel Motorcycle Club • Howl (2005)
Die bereits vor der Jahrtausenwende gegründete Band aus San Francisco war mir bis zu deiner Rezi kein Begriff, aber das Internet erleichterte den aufklärenden Weg. Zudem halfen Hörproben auf YouTube weiter.
Der anfangs räudige leicht angepunkte Stil der Band ging aber offensichtlich mit dem Album "Howl" in gemäßigtere Bahnen über und spiegelt nunmehr eine Mischung aus Americana, Rock und Folk wider, die mir bei meiner persönlichen Americana Leidenschaft unheimlich entgegen kommt. Dieser Stilwandel mag einige der Stammhörerschaft erschreckt haben, mir sagt er aber ausgesprochen zu. Allerdings vermag ich nicht einzuschätzen, auf welchen Bahnen die Gruppe später wandelte.
Auf jeden Fall ist dir wieder, ich sage es mal so salopp, eine bärenstarke und zugleich inhaltsreiche Rezi gelungen, die sicherlich nicht nur bei mir zur Wissensmehrung beigetragen hat. Einfach klasse ...
Der anfangs räudige leicht angepunkte Stil der Band ging aber offensichtlich mit dem Album "Howl" in gemäßigtere Bahnen über und spiegelt nunmehr eine Mischung aus Americana, Rock und Folk wider, die mir bei meiner persönlichen Americana Leidenschaft unheimlich entgegen kommt. Dieser Stilwandel mag einige der Stammhörerschaft erschreckt haben, mir sagt er aber ausgesprochen zu. Allerdings vermag ich nicht einzuschätzen, auf welchen Bahnen die Gruppe später wandelte.
Auf jeden Fall ist dir wieder, ich sage es mal so salopp, eine bärenstarke und zugleich inhaltsreiche Rezi gelungen, die sicherlich nicht nur bei mir zur Wissensmehrung beigetragen hat. Einfach klasse ...
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Re: [REVIEW] Black Rebel Motorcycle Club • Howl (2005)
Sie belebten einst die Szene mit ihrem beinharten bisweilen auch punkigen Stil, der Männerherzen höher schlagen ließ. Aber auch die ersten Indieeinflüsse offenbarten bereits, welchen Weg sie später einschlagen sollten.
Auf "Howl" fand dieser Weg seine Fortsetzung und ich würde diesen Schritt als gelungen bezeichnen. Wie heißt es so schön: Stillstand ist kein Fortschritt. Und gerade die Ausgestaltung ihrer Musik erfuhr neue Farben, wo gerade nicht der Rock im Mittelgrund steht, sondern urtypische amerikanische Spielformen. Insofern hat die Gruppe Mut bewiesen, diesen Schritt zu gehen und die Veränderung in ihrer Musik zu verankern.
Wie bereits von anderen angemerkt, hast du erneut eine schöne und zugleich aussagekräftige Rezi geschrieben. Mehr davon ....
Auf "Howl" fand dieser Weg seine Fortsetzung und ich würde diesen Schritt als gelungen bezeichnen. Wie heißt es so schön: Stillstand ist kein Fortschritt. Und gerade die Ausgestaltung ihrer Musik erfuhr neue Farben, wo gerade nicht der Rock im Mittelgrund steht, sondern urtypische amerikanische Spielformen. Insofern hat die Gruppe Mut bewiesen, diesen Schritt zu gehen und die Veränderung in ihrer Musik zu verankern.
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