[REVIEW] Sundance • Rain Steam Speed (1973)
Verfasst: Mo 18. Sep 2023, 09:48
Ueber die britische Band Sundance ist nur relativ wenig bekannt, ausser, dass sie beim Decca Label zwei LP's und ein paar Singles veröffentlicht hat, die nur wenig Beachtung fanden. Das ist sehr schade, denn qualitativ war die Band weitaus bekannteren Acts zumindest ebenbürtig. Ausserdem hatte sie in den beiden Sängern und Gitarristen John B. Lynam und Bob Bowman zwei ausgezeichnete Songschreiber, die exzellente Songs schreiben konnten.
Die Band stammte aus Birmingham und spielte, eher unüblich für eine Musikgruppe aus England, einen stark amerikanisch gefärbten Countryrock, der allerdings in bester Gesellschaft mit weiteren Vertretern dieses Genres in England war. Anfang der 70er Jahre bildete sich nämlich auch diesseits des grossen Teichs eine ausgeprägte Countryrock-Szene, zu deren Protagonisten etwa Brown's Home Brew, Tranquility, die Moonriders, Edward's Hand, Cochise oder Ashman Reynolds (sehr stark!) zählten. Dass die Gruppe Sundance gleich zwei Alben auf dem Decca-Label veröffentlichen konnte, ihr Debut "Rain Steam Speed" gar auf der Decca-internen 'Nobel'-Serie TXS veröffentlicht wurde, unter deren Prestige-Flagge beispielsweise auch Alben der Stones, von Savoy Brown, Thin Lizzy, Camel oder den Moody Blues veröffentlicht wurden, zeigt, dass Decca grosse Stücke auf die Band hielt und sie entsprechend lancieren wollte, was bei der TXS-Serie auch immer eine Veröffentlichung als hochwertiges FOC bedeutete, oft, wie im Falle der "Rain Steam Speed" von Sundance mit zusätzlichem Text-Einleger.
Was die Gruppe Sundance und ihr Debutalbum besonders auszeichnete war, dass die Musiker mit den verschiedensten Instrumenten gekonnt ständig wechselnde Akzente setzten konnte, wodurch die Songs der LP sehr originell und abwechslungsreich klangen - mal ruraler mit Banjo-Unterstützung dem US-gefärbten Countryrock verpflichtet, dann aber auch wieder recht rockig und eher typisch britisch ausgerichtet (etwa im Opener "I See The Road", einem waschechten Rock'n'Roll). Ob nun das an Steve Berlin erinnernde Banjo-Arrangement im Hillbilly-inspirierten "Willie The Gambler" oder ein in gekonnt traditioneller Weise am klassischen Rock'n'Roll angelehntes "I See The Road": Die Band hätte mit dieser vielfältigen und sehr unterhaltsamen Platte unbedingt reüssieren müssen. Doch eine grösseren Bekanntheitsgrad fand die Gruppe leider nicht, die Platte ging sang- und klanglos unter.
So etwa lautete das Motto einer ihrer College-Touren "Who The Hell Are Sundance", was damals leider Niemanden zu interessieren schien. Es wäre heute nicht mehr denkbar, dass eine so unbekannte und unbekannt bleibende Band einen Plattenvertrag mit einer der renommiertesten Plattenfirmen der Welt ergattern würde. Aber damals, Anfang der 70er Jahre war in der Rockmusik einfach alles möglich. Aus Sicht des Musikhörers ist das natürlich positiv zu werten, denn so wurden doch ein paar wirklich grossartigen Bands und Musikern die Möglichkeit einer Plattenaufnahme beschert - Interpreten, von denen wir heute womöglich nie mehr hören würden. Oder hat Jemand von Euch je das ganz wunderbare Countryrock Album beispielsweise von Brown's Home Brew mal gehört, einem der ersten Vertigo-Alben, das nicht mehr mit dem Swirl Logo erschien, und die frühe Bestellnummer 6360 114 trug ?
Nach der zweiten LP "Chuffer", im Folgejahr erneut auf dem Decca Label erschienen, das erneut keine Käufer fand, war zuerst mit Decca Records, die den Vertrag aufkündigten, und gleich darauf auch mit der Band selbst, Schluss. Von den Musikern hat man später nie mehr etwas gehört, einzig der Perkussionist Ray Cooper, damals schon für viele Künstler im Tonstudio tätig, blieb im Musikgeschäft als Studiomusiker recht erfolgreich, was unter anderem Engagements in so illustren Bands wie beispielsweise Pink Floyd, Rolling Stones oder Eric Clapton zeugen. Ausserdem tauchte der Sundance-Schlagzeuger Alan Moore im Jahre 1976 noch einmal in Erscheinung als Drummer der britischen Heavy Metal Band Judas Priest, mit welcher er deren zweites Album "Sad Wings Of Destiny" einspielte.
Beide Alben der Band tragen Eisenbahn-affine Plattencovers, von denen das aufklappbare Cover der "Rain Steam Speed" das Schönere der beiden ist. Das originale Album ist seit vielen Jahren sehr gesucht und nur zu hohen Preisen noch auffindbar. Eine Neuauflage als Vinyl oder CD gibt es bis heute nicht. Ich besitze noch das originale Decca FOC-Album inklusive Text-Einleger. Es dürfte nicht verwunderlich sein, dass man auch bei Youtube praktisch nichts dieser feinen Band und ihrem Debutalbum zu hören kriegt. Platte und Band sind heute völlig vergessen.