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50 Jahre: Hannes Wader – Der Rattenfänger (1974)
Mit dem Rattenfänger veröffentlichte Hannes Wader 1974 bereits sein viertes Studioalbum. Mal abgesehen von seinem Erstlingswerk aus dem Jahr 1969, an das ich nie so richtig ran kam, waren „Ich hatte mir noch soviel vorgenommen“ (1971) und „7 Lieder“ (1972) grandiose Alben, an das sich „Der Rattenfänger“ nahtlos anschloss. In der Tradition des Vorgängers „7 Lieder“ befinden sich auch auf diesem Album sieben Songs, von denen sechs Veröffentlichungen aus der Feder von Hannes Wader stammen. Die Stärke dieses Albums ist die Mischung aus politischen Liedern und melancholischen Balladen.
Gleich der Opener, der Titelsong, ist ein richtiger Kracher. Wader erzählt die Geschichte des Rattenfängers aus Hameln, wie sie wohl wirklich gewesen sein könnte, wie sie wirklich Sinn macht. Bei Wader geht es um Systemkritik und er fordert auf, sich Ungerechtigkeiten zur Wehr zu setzen. In diesem Zusammenhang passt der Begriff des „zivilen Ungehorsams“.
Das zweite politische Highlight steht mit „Talking-Böser-Traum-Blues“ am Anfang der zweiten LP-Seite, gefolgt von einem Berthold Brecht Gedicht, welches von Ernst Busch vertont wurde. Dieses vertonte Gedicht steht in diversen Versionen (Hannes Wader / Bernies Autobahnband, um nur zwei zu nennen) in meiner Plattensammlung, jedoch kann ich mit diesem Gedicht wirklich nicht viel anfangen. Egal, dies schmälert den insgesamt tollen Eindruck dieser LP nicht, denn da sind noch ein paar Lieder, an denen ich mich bis heute noch nicht satt gehört habe. Eines dieser Lieder ist „Manche Stadt“, Text Wader, Musik Colin Wikie, welches Wader 1886 nochmals auf seiner LP „Liebeslieder“ veröffentlichte.
Bedrückend, unter die Haut gehend, schließt Wader sein viertes Studioalbum mit „Wieder eine Nacht“ ab und beschreibt die Einsamkeit des Menschen in der Großstadt.
„Der Rattenfänger“ blieb damals für die folgenden vier Jahre das letzte Album, welches Lieder beinhaltete, die ich mit Hannes Wader verbinde. Es folgten Volkslieder, Plattdeutsche Lieder, Shanties mit denen ich nicht ganz so viel anfangen konnte, die aber dennoch den Weg in meine Plattensammlung gefunden haben. Dass Hannes Wader das Lieder machen nicht verlernt hatte, ließ er 1976 (Kleines Testament) noch einmal durchblicken und unterstrich es 1978 mit seinem Werk „Wieder unterwegs“ eindrucksvoll. Auf dieses Werk werde ich dann in vier Jahren noch einmal intensiver eingehen.
Ich möchte an dieser Stelle noch einmal unterstreichen, dass mich wohl kein Liedermacher so nachhaltig beeindruckt hat, wie Hannes Wader. Live habe ich ihn im Verlauf der Jahre, ob Solo, mit Konstantin Wecker und Reinhard Mey mindestens 15 Mal erlebt. Dabei gab es aufregende, ja beeindruckende Konzerterlebnisse aber auch richtige Reinfälle. So sah ich Hannes Wader im Rahmen des „Open Ohr-Festivals“ in Mainz. Wader kam auf die Bühne, stimmte über zwanzig Minuten seine erste Gitarre. Es gab schon Pfiffe, da nahm Wader seine zweite Gitarre, stimmte wieder und meinte dann: Leider kann ich heute nicht spielen, da meine Finger klamm sind, nahm seine Gitarren und verließ die Bühne. Jahre später hatte ich die Gelegenheit, nach einem überragenden Konzert im Mainzer Unterhaus, mit Hannes Wader darüber zu sprechen. Sein Kommentar mit einem Lächeln auf den Lippen: Daran kann ich mich gar nicht erinnern. An diesem Abend stand Wader auf der Bühne, stimmte seine Gitarre und meinte, ebenfalls lächelnd: Ich bewundere meine amerikanischen Kollegen, wie sie ihre Gitarren stimmen und dabei nette Geschichten erzählen, ich kann euch auch Geschichten erzählen, doch wer stimmt dann meine Gitarre. Sprachs und präsentierte den nächsten Song.
Ich weiß nicht, ob das Auftreten während des Festivals von Arroganz oder Unsicherheit geprägt war, jedenfalls erlebte ich später in vielen Konzerten einen in sich ruhenden Menschen, der mit sich und seiner Umfeld im Einklang zu sein schien. Hannes Waders Humor wird auch auf der Live-DLP „Bis jetzt“ (1987) deutlich. Wader schließt die erste LP-Seite mit dem „Rattenfänger“ ab. Den Abschluss der zweiten LP-Seite bildet eine Aufnahme des Rattenfängers im Cafe Giesing. Allein für diese zwei Minuten lohnt sich der Kauf dieser Wader-LP.
Ich habe Waders Werke nicht gelistet, „Der Rattenfänger“ ist eine grandiose LP, doch Wader wurde mit den Jahren immer besser und so folgten noch viele überragende Veröffentlichungen.
https://www.youtube.com/watch?v=WRZRRA4tPrE