[REVIEW] SAVOY BROWN • Lion's Share (1972)
Verfasst: Mi 1. Nov 2023, 17:57
Nach dem überraschenden kommerziellen Erfolg des Vorgängers "Hellbound Train" drehte sich das Personalkarrussell bei Savoy Brown nicht wie in den vergangenen Jahren teils drastisch, sondern mit dem Weggang des ehemaligen Chicken Shack-Mitbegründers Andy Sylvester nur moderat. Der Bassist wurde ersetzt durch Andy Pyle, der von Blodywn Pig kam, genauso wie sein Schlagzeug spielender Kumpel Ron Berg, der später auch bei Savoy Brown landen würde. Zu den Aufnahmen zum "Lion's Share" Album spielte am Schlagzeug jedoch noch Dave Bidwell, dessen jahrelanger Drogenkonsum sich leider zunehmends in einem sich stetig verschlechternden gesundheitlichen Zustand niederschlug. Ausgestattet mit etlichen Vorschuss-Lorbeeren gelang zwar kein Rang 21 in den amerikanischen Billboard Charts mehr wie im Falle des "Hellbound Train" Albums einige Monate zuvor, trotzdem war auch "Lion's Share", gemessen an den Verkaufszahlen, insbesondere in den USA, eines der erfolgreichsten Alben der Gruppe um Mastermind Kim Simmonds, auch wenn ein enttäuschender Rang 151 als Spitzenposition in den Charts die Euphorie trotz 10-wöchigem Aufenthalt der Platte in den Billboard Hot 200 doch eher dämpfte. Allerdings konnte sich die Band da schon einer treuen und stetig wachsenden Fangemeinde in den USA erfreuen.
Im Juni 1972 verliess der Bassist Andy Silvester die Gruppe, nachdem er anschliessend an seine Aufnahmen zum "Hellbound Train" Album gerade auf einer Platte von Ex-Savoy Brown Produzent Mike Vernon ("Moments Of Madness") mitspielte und auch bei der Produktion des ehemaligen Sängers Chris Youlden, der massgeblich für den Aufstieg der Gruppe, besonders in den USA, verantwortlich war, mithalf. Er landete schliesslich dann in der Band des Ex-Fleetwood Mac Musikers Danny Kirwan und spielte auf dessen bestem Werk "Second Chapter" mit. Indes hatten Savoy Brown keine grosse Mühe, adäquaten Ersatz zu finden. Mit Andy Pyle kam ein Musiker zu Savoy Brown, der bereits jahrelange Erfahrung mit Top-Musikern gemacht hatte, so unter anderem in der Gruppe Blodwyn Pig, bei Rod Stewart und Gerry Lockran. Auch Andy Pyle's Einstieg bei Savoy Brown war interessant. Zuerst stieg er nämlich schon ein Jahr zuvor bei der Band ein, tourte mit Kim Simmonds und Savoy Brown auch durch Amerika, nahm dann allerdings eine Offerte der Band Juicy Lucy an und spielte mit dieser Gruppe das Album "Pieces" ein, welches jedoch wider Erwartens schlecht verkauft wurde und auch keine berauschenden Kritiken erhielt, weshalb der Bassist erneut bei Kim Simmonds vorstellig wurde, um schliesslich doch noch als festes Bandmitglied bei der Gruppe einzusteigen.
Im Juli 1972 wurden die Tracks zum Album "Lion's Share" in den Trident Studios in London unter der Leitung von Neil Slaven aufgenommen. Neun Songs insgesamt und erstmals (und einmalig) auch ein Stück aus der Feder von Sänger Dave Walker ("Denim Demon"), der schon seit der "Street Corner Talking" LP bei Savoy Brown als Nachfolger des ausgeschiedenen Sängers Chris Youlden das Mikrophon in der Hand hielt. Das Album "Lion's Share" überraschte mit einer glasklaren und sehr guten Produktion, die gegenüber dem Vorgänger "Hellbound Train" klar an Transparenz gewinnen konnte. Der Opener "Shot In The Head" war gleich eine Coverversion, und die war ausgezeichnet gewählt. Das Stück aus der Feder von Harry Vanda und George Young war ein Titel aus dem Repertoire der legendären 60's Band The Easybeats, deren Hauptsongschreiber Vanda & Young waren. Zwei rauhe und von der Band sehr rockig arrangierte traditionelle Bluessongs waren ebenfalls für das Album ausgesucht worden: "Howling For My Darling" von Chester Burnett alias Howlin' Wolf, sowie "I Hate To See You Go" aus der Feder von Walter Jacobs, bekannter unter seinem Künstlernamen Little Walter.
Dazu gesellten sich einine der ansprechendsten Kompositionen von Kim Simmonds ("Second Try", "So Tired" und "Love Me Please") und dem Keyboarder und zweiten Gitarristen Paul Raymond ("The Saddest Feeling", "I Can't Find You"). Besonders der jazzaffine Blues "Love Me Please" dürfte aus heutiger Sicht einer der besten Songs der Gruppe überhaupt sein. Zusammen mit den erwähnten zwei Coverversionen plus dem Rock'n'Roll "Denim Demon" aus der Feder von Dave Walker konnte die Band hier ein Programm zusammenstellen, das in seiner Gesamtheit so ausgewogen und attraktiv kaum auf einem Album zuvor angeboten wurde. Gut möglich, dass das Fehlen einer Singleauskopplung aus dem Album in Amerika mit dazu beitrug, dass sich die Platte nicht so gut verkaufen liess wie ein halbes Jahr zuvor die "Hellbound Train". In Deutschland wurde immerhin die Single "Shot In The Head" mit der B-Seite "Denim Demon" veröffentlicht, jedoch ohne nennenswerten Erfolg. In England, wo die Band schon länger mit dem Erfolg zu kämpfen hatte, erschien als Alternative die Single "So Tired" mit der B-Seite "The Saddest Feeling" - ebenfalls ohne Resonanz.
Das Album "Lion's Share" erschien im November 1972 in Amerika und England und verkaufte sich in den Staaten wesentlich besser als im Heimatland der Band, was sicherlich auch mit ein Grund war, weshalb sich Kim Simmonds mit seiner Band schliesslich dauerhaft in den USA niederliess und dort zum Teil in wirklich grossen und renommierten Hallen spielen konnte, so zum Beispiel in den legendären Stätten Fillmore East in New York, dem Fillmore West in San Francisco oder im The Grande Ballroom in Detroit. Savoy Brown waren damals sogar die Headliner an einem Open Air Festival in Boston, wo Fleetwood Mac und Rory Gallagher als Anheizer für die Band spielten (!). Ironischerweise war es genau die Gruppe Fleetwood Mac, zu der Savoy Brown Sänger Dave Walker ein halbes Jahr später wechselte, als Kim Simmonds erneut vor einer grossen US-Tournee stand. Aber ein Nachfolger war - wie schon so oft in der Band-Historie - schnell gefunden. In Jackie Lynton fand die Gruppe einen tollen Rock'n'Roll- und Blues-Haudegen, den der Bandmanager Harry Simmonds (der Bruder von Kim Simmonds) für die Gruppe begeistern konnte. Mit ihm startete die Band dann ab Frühjahr 1973 erneut durch, sowohl mit einer ausgedehnten Tournee, sowie einem weiteren Album, das den Titel "Jack The Toad" (Jack, die Kröte) trug. Dreimal darf man raten, wer mit dieser Kröte gemeint war. Doch dazu später mehr.