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[REVIEW] SAVOY BROWN • Looking In (1970)

Verfasst: Do 26. Okt 2023, 12:53
von Beatnik
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Savoy Brown verloren Mitte 1970 ihren Leadsänger Chris Youlden, mit welchem die Band einen extravaganten und charismatischen, auch Jazz-affinen Frontmann in ihren Reihen hatte. Youlden wurde vorderhand nicht ersetzt und die Band machte als Quartett weiter, indem der zweite Gitarrist Lonesome Dave Peverett den zusätzlichen Part des Sängers übernahm. War der Vorgänger von Anfang 1970 noch recht jazzlastig ausgefallen ("Raw Sienna"), so fiel dieser zusätzliche musikalische Input hier fast gänzlich weg. Praktisch ohne grössere Verzögerung nahm Kim Simmonds mit den drei verbliebenen Musikern dieses Werk im Sommer 1970 in Angriff und es dauerte nicht lange, als die Band die vorbereiteten Songs erneut im Recorded Sound Studio in London unter der Regie von Paul Tregurtha in Angriff nahm. Mit Tregurtha war derselbe Tontechniker mit der Aufnahme betraut worden, der schon den Vorgänger "Raw Sienna" aufgenommen hatte, und der zuvor schon für die Band Steamhammer am Mischpult sass.

Ein interessantes Novum präsentierte die LP: Kim Simmonds spielte darauf nicht nur die Leadgitarre, sondern auch einige richtig gute Klavier-Parts. Besonders schön klingen diese beispielsweise beim spartanisch arrangierten, dennoch sehr locker groovenden "Money Can't Save Your Soul". Das Album "Looking In" erschien am 6. November 1970 in England, nachdem es zuvor bereits Anfang Oktober in Amerika auf den Markt kam, wie auch schon der Vorgänger. Angesichts der Tatsache aber, dass die Gruppe inzwischen in Amerika ein weitaus grösseres Ansehen genoss, durchaus nachvollziehbar. Die wachsende Popularität in Amerika und das kaum beachtet werden im eigenen Land verstärkte sich in späteren Jahren noch zusätzlich, weshalb die Gruppenmitglieder ihr Domizil denn auch in die Staaten verlagerten.

Stilistisch war "Looking In" wieder eine Art Rückschritt zum eher Bluesrock gefärbten Sound, die Jazz-Anteile waren praktisch nicht mehr vorhanden. Vor allem war die Musik wieder auf das Wesentliche beschränkt: Etwas Piano, viel Gitarre, Bass und Schlagzeug: Keine Streicherorchester mehr und auch keine Bläsersätze. Es waren noch ganz wenige, leicht jazzige Töne zu vernehmen, etwa im Titelstück, das einen recht perkussiv angelegten leichten Funk-Groove präsentierte, wohingegen Stücke wie "Leavin' Again" oder "Poor Girl" auch mit der reinen Blues-Ausrichtung brachen und vermehrt Rockmustern folgten. Das Werk kann in der langen Historie der Gruppe um Kim Simmonds als eine Art Uebergangswerk bezeichnet werden, da nach dieser Platte nach Chris Youlden auch die hier mitwirkenden Musiker ihren Leader verliessen, um in Amerika die später äusserst erfolgreiche Blues Rock Band Foghat zu gründen.

Eines meiner Lieblings-Bluesstücke von Savoy Brown befindet sich auf diesem Album: "Take It Easy", eine gemeinschaftliche Komposition von Kim Simmonds und Lonesome Dave Peverett. Simmonds schrieb ausserdem den längeren Jam "Leavin' Again", "Money Can't Save Your Soul", sowie das Titelstück mit Dave Peverett. Dazu kam überraschend auch ein Song des Bassisten Tony Stevens: Mit "Poor Girl" servierte die Band hier einen äusserst attraktiven Blues/Funk Rock, der den Gitarristen Kim Simmonds auch mal mit einem Wah-Wah Pedal präsentierte - eine Seltenheit bei Savoy Brown. Dass die Band jedoch nicht so genau wusste, in welche Richtung sie noch gehen wollte oder könnte, beweist jedoch auch das eine oder andere fast schon als Füllmaterial zu bezeichnende Stück, so etwa der Instrumental-Titel "Sitting And Thinking", dem der Gesang letztlich trotz Gitarren-Soloarbeit fehlt. Aber auch die kurzen Intro/Outro-Stücke der LP, betitelt "Gypsy" und "Romanoff", die jeweils nur eine Minute lang waren, hätte es nicht gebraucht. Die Vermutung liegt nahe, dass hier vor allem eine akzeptable LP-Länge erreicht werden sollte, weil das Album sonst zu kurz ausgefallen wäre, und das trotz des Long-Jams "Leavin' Again", der es immerhin auf knapp achteinhalb Minuten Spielzeit brachte.

Diese vierköpfige Variante der Gruppe Savoy Brown gehört sicherlich nicht zu den stärksten Versionen, die Phase dauerte auch nur wenige Monate. Noch während der Aufnahmen zum "Looking In" Album entschlossen sich Kim Simmonds' Mitmusiker, eigene Wege zu gehen, sodass Kim Simmonds kurz nach der Veröffentlichung der Platte plötzlich alleine da stand: Dave Peverett, Tony Stevens und Roger Earl gründeten die Boogie Rock Formation Foghat, mit der sie, inzwischen in die USA ausgewandert, eine sehr erfolgreiche eigene Gruppe aufzogen. Kim Simmonds richtete seine Musik in der Folge einmal mehr neu aus und fand in ehemaligen Mitgliedern der Bands Chicken Shack und Idle Race neue Mitstreiter, mit welchen er zur kommerziell erfolgreichsten Phase seiner Band Savoy Brown starten konnte, die ihm mit den weiteren Alben "Street Corner Talking", "Hellbound Train" und "Lions Share" insbesondere in den USA grosse Popularität bescherte. Kim Simmonds zog daraufhin konsequenterweise den Stecker in seiner Heimat und siedelte ebenfalls nach Amerika über.

Aus dem "Looking In" Album wurde das Stück "Poor Girl" als Single ausgekoppelt (Decca Records DL 25444) und erhielt kurioserweise mit "Master Hare" als B-Seite einen Titel, der noch vom Vorgänger-Album "Raw Sienna" stammte. Es handelte sich dabei um den Instrumental-Titel ohne den Gesang von Chris Youlden oder Lonesome Dave Peverett und erinnerte noch einmal an die kurze jazzige Phase der Gruppe. "Looking In" ist trotz allem ein sehr gutes Album, auch ist es relativ bekannt durch sein doch sehr auffälliges Artwork, für das David Anstey verantwortlich zeichnete, der in der Folge auch noch weitere Coverdesigns für Savoy Brown lieferte. Anstey steuerte auch Artworks bei zu Alben der Moody Blues ("Days Of Future Passed"), Mellow Candle, Khan ("Space Shanty"), Caravan ("Waterloo Lily"), Camel ("Moonmadness"), den Black Cat Bones ("Barbed Wire Sandwich") und vielen weiteren.






Re: [REVIEW] SAVOY BROWN • Looking In (1970)

Verfasst: Do 26. Okt 2023, 21:36
von BRAIN
so langsam werde ich zum Savoy Brown Fan hier.
Leider gibt es die ganzen Platten nur auf Twoffer, die ich nicht so mag.
Beim nächsten Plattenladen besuch muss ich mal nach Vinyl schauen.

Re: [REVIEW] SAVOY BROWN • Looking In (1970)

Verfasst: Fr 27. Okt 2023, 07:23
von Beatnik
BRAIN hat geschrieben: Do 26. Okt 2023, 21:36 so langsam werde ich zum Savoy Brown Fan hier.
Leider gibt es die ganzen Platten nur auf Twoffer, die ich nicht so mag.
Beim nächsten Plattenladen besuch muss ich mal nach Vinyl schauen.
Auf CD habe ich mehrere verschiedene Ausgaben der Savoy Brown Alben. Am günstigsten sind die erstmals aufgelegten auf Deram Deutschland, die findet man noch recht günstig. Prächtig sind die vor einigen Jahren erschienenen Mini LP CDs aus Japan, diese vor allem auch klanglich. Die originalen LPs haben seit dem neuerlichen Vinyl- Boom preislich deutlich zugelegt. 2023 ist die "Looking In" jedoch als FOC LP neu aufgelegt worden, ebenso die "Hellbound Train". Die von Dir angesprochenen Twofer auf BGO stehen hier auch. Die sind klanglich ebenfalls sehr gut, werden nur von den Japan Minis noch getoppt.

Klangtipp (Topversion):
https://www.discogs.com/de/release/1112 ... Looking-In

Vinyltipp (FOC, 2023):
https://www.discogs.com/de/label/75890- ... Production