[REVIEW] Moon Safari • Blomljud (2008)
Verfasst: So 1. Okt 2023, 15:04
Wer dermassen unverschämt melodiöse Musik wie dieser schwedische Fünfer macht, der darf sich schon mal des Vorwurf erfreuen, er spiele Dosenöffner-, Verzeihung Frauenversteher-Musik. So einschmeichelnde und schwelgerisch-romantische Klänge hört man - zumindest im Bereich des progressiven Rocks, zu welchem die Band eigentlich gezählt wird - eher selten, und ich schwanke bei der Beurteilung dieser Musik eigentlich zwischen Kuschel- und Sunshine Prog-Pop, aber was es vielleicht ganz gut trifft, ist 'Schmuse-Prog'. Das gibt's nicht ? Okay, dann hab ich das jetzt eben grade erfunden. Manche Passagen dieses Albums erinnern von den mehrstimmigen Gesangs-Arrangements her nicht selten an die Beach Boys, während die Musik, die oftmals alleine durch die Dominanz lieblicher akustischer Gitarren und einem äusserst luftigen Klavier selbst in lebhafteren Passagen an Barclay James Harvest oder - etwas aktueller betrachtet - an den wundervoll romantischen Prog-Sound von The Pineapple Thief erinnert. Aber vor allem sind diese fünf Herren einmal Hippies, und zwar Hippies der ganz alten Schule, die ihre Joints noch selber drehen, textinhaltlich dem Landleben verpflichtet und dabei auch schon mal in einem Song mit dem Titel "Yasgur's Farm" dem Mann Tribut zollen, der 1969 fast einer halben Million Hippies sein Land zur Verfügung gestellt hat, auf welchem dann ein Musik-Festival über die Bühne ging, das unter dem Namen "Woodstock" noch heute Heerscharen von Musikern jüngeren oder älteren Jahrgangs ungebrochen als Quelle der Inspiration dient. Ausserdem ist gerade der Song "Yasgur's Farm" hier auch eine Brücke zwischen dem damaligen 'Uncle Sam' und den Hetzern und Provokateuren von heute, die längst nicht mehr nur mit Waffengewalt Gesinnung in die Köpfe der Menschen trichtern, sondern vor allem durch Worte, denen man sich auch nur mit Worten entgegenstemmen kann: "Mother we'll build a different world, the revolution is here we'll start with words...I'm a messenger of everlasting love".
Die Gruppe Moon Safari besteht aus Simon Akesson (Gesang, Klavier, Hammond Orgel, Moog Synthesizer, Mellotron), Petter Sandström (Gesang, Akustik-Gitarre, Mundharmonika), Pontus Akesson (6- und 12-saitige Akustik-Gitarren, elektrische Gitarre und Percussions), Johan Westerlund (Bass, Gesang) und Tobias Lundgren (Schlagzeug, Percussions und Gesang). Auf ihrem Album "Blomljud" kommen noch einige Gastmusiker hinzu, so die Cellistin Mona Falk, der Geigen- und Flötenspieler Mans Axelsson-Ljung, der Pedal Steel Gitarrist Anders Pettersson, Perkussionist Andreas Persson und Anthon Johansson, der eine zusätzliche elektrische Gitarre im Stück "Yasgur's Farm" spielt. Reizvoll im Sound der Band ist vor allem die öfters arrangierte Kombination von akustischer Gitarre und Moog Synthesizer. In diesen extrem schönen Momenten klingt die Gruppe wie hoffnungslos aus der Zeit katapultiert und man wähnt sich beim Zuhören in der Tat inmitten einer wohlriechenden Blumenwiese, in welcher alles Hektische, Stinkige und Krankmachende, das unsere heutige Gesellschaft so bereithält, um uns innerlich abzustumpfen und kaputt zu machen, durch Moon Safari's sonnige und fröhliche musikalischen Streicheleinheiten komplett ausgeblendet werden kann.
Die Gruppe wurde 2003 gegründet und stammt aus Skelleftea (Schweden), wo sie schon nach relativ kurzer Zeit ihres Bestehens ein Demo Tape aufnahm, das die Aufmerksamkeit von Tomas Bodin der Band The Flower Kings erregte. Dank ihm und seinen Connections konnte die Gruppe 2005 ihr erstes Album realisieren. Unter dem Titel "A Doorway To Summer" lieferte die Band ein Konzeptalbum, das sich im weitesten Sinne mit den beiden Begriffen "Sommer" und "Sonne" und der Hoffnung auf die Vernunft der Menschen in Bezug auf das Sorge tragen zu lebenswichtigen Ressourcen auseinandersetzte. "Blomljud" ("Blumenmusik"), das drei Jahre später als Doppelalbum erschien, knüpfte an diese Art des Konzepts an und nahm sich die Blumen- und Pflanzenwelt zum zentralen Inhalt und deren Wichtigkeit im Zusammenhang mit dem Schutz der globalen Vegetation. Selbst biblischer Themen nimmt sich die Gruppe bisweilen an, vor allem in Bezug auf eine mögliche Apokalypse. Oft aber bedient sich die Band ganz alltäglicher Themen, wie zum Beispiel im Song "The Other Half Of The Sky", in welchem die Band davon berichtet, dass in den Sternen geschrieben steht: "How come people claim they want to live forever, when at work they can't wait for the day to end ? On Friday night you reset you are drinking to forget all the worries of the week. Dead men on their feet, they have pulse but they have no heartbeat, just a shadow on the street." Das ist wahrlich sehr bodenständige Poesie im Hier und Jetzt. Im Zusammenhang mit der Musik wirkt das allerdings alles andere als anstrengend, mahnend oder gar gefährlich. Nein, die Band lullt den Zuhörer musikalisch perfekt ein - der aber gerade dadurch vielleicht intensiver und aufmerksamer die Message der Songtexte verinnerlichen kann.
Am schönsten passt dies im Song "Bluebells" (Glockenblumen) zusammen. Hier kriegt der Zuhörer einen mächtigen Ohrwurm zu hören, der sofort zum mitsingen animiert, lieblich und traumhaft mehrstimmig arrangiert ist, und beim genaueren Hinhören einen Text serviert, der diesen leicht biblischen Hintergrund, jedoch auch wieder eine Art mahnende Poesie offenbart: "Dancing on the feet of a miracle, while winter's growing cold. Life seems almost cynical in the gardens of green and gold, while the apples of eden calling me, I sometimes just can't believe, that man was made a replica of someone else's dream." Und die zentrale Botschaft für das gesamte Doppelalbum liefert sie Band schon im A Capella vorgetragenen Intro zum ersten Song "Constant Bloom": "We promised you gardens made of green, yet we're lost in this tune, just men of the moon, that sing for a world of constant bloom". Die Gruppe schaut also vom Mond herunter auf die Erde und betrachtet und analysiert, wie die Menschen schleichend sich selber kaputt machen, indem sie ihr natürliches Habitat vergiften. Schön gemacht und plausibel erzählt. Dazu noch musikalisch wundervoll verpackt.
Wer es sich vorstellen kann, den sonnigen Pop der Beatles und die mehrstimmigen Gesangs-Arrangements der Beach Boys mit progressiven Rock-Elementen beispielsweise von Genesis, Marillion oder The Pineapple Thief zu vermischen, für den dürfte die Gruppe Moon Safari ein dicker Tipp sein. Wenn zur inneren Grundhaltung noch ein bisschen Hippie sein dazu kommt, umso besser...dann passt das ganz bestimmt.