[REVIEW] The Pirates • Skull Wars (1978)
Verfasst: Fr 23. Jun 2023, 19:01
Pub Rock'n'Roll vom allerfeinsten, aufgenommen stückweise in den legendärsten und renommiertesten Aufnahmestudios in England wie The Manor, The Rockfield Studios, Hope & Anchor und dem Bellevue in Manchester gilt dieses knallig bunte Partyalbum bis heute als verkanntes Meisterwerk aus dem Bereich Pub Rock. Dank der Rock'n'Roll-Ausrichtung konnten sich die Pirates immerhin ein bisschen im punkigen Umfeld behaupten, auch wenn sie dabei nur eine zweite, wenn nicht dritte Geige spielten. Was ausgesprochen schade ist. Die Geschichte der Pirates ist interessant und gleicht einer kleinen Reise in die Vergangenheit der britischen Beat-/Rock'n'Roll Szene. Die Pirates gab es schon in den ausgehenden 50er Jahren. Damals feierte die Band mit Sänger Johnny Kidd als Johnny Kidd And The Pirates grosse Erfolge. Die Band war in England sehr populär und wurde in einem Atemzug mit den Grossen des Rock'n'Roll genannt. Johnny Kidd verstarb 1966 und die Band wurde zunächst aufgelöst.
Einige Bandmitglieder reaktivierten die Band jedoch um 1976, mitten in der Punkbewegung. Was erst einmal eher etwas sonderbar klingt, entpuppte sich im Nachhinein als eine gute Idee. Die Band spielte im Geist der 60er Jahre, was relativ nahe an den Idealen der aufkeimenden Punkmusik lag. Was dennoch überrascht: die Pirates hatten unglaublichen Erfolg mit ihrer Musik. Sie wurden von den Punkfans nicht nur angenommen, sondern geradezu verehrt. Anscheinend respektierten die jungen Hörer, dass da ein Band spielte, welche die Roots des Punk verkörperte. So gelang es den Pirates, über eine gewisse Zeit vom Punk Boom zu profitieren. Sie spielten ein paar gute Alben ein, die sich jedoch nicht sehr gut verkauften. Allerdings waren die Pirates als Liveband gefragt. Ihre Auftritte standen der Dynamik und dem Partycharakter eines Punk-Konzerts in nichts nach. Punker gehörten denn auch zum Stammpublikum an den Auftritten der Pirates.
Nach "Out Of Their Skulls" war das vorliegende Album das zweite der Pirates seit 1976. Und mit dem Album wurde klar, warum die Band den Punk Fans gefiel. Die Pirates offerierten härteren und schnelleren Blues Rock, beziehungsweise Rock'n'Roll. Manche Refrains hatten durchaus Punkqualität wie zum Beispiel die Knaller "All In It Together" oder "Dr. Feelgood". Bassist Johnny Spence sang prächtig und vor allem kräftig. Mick Green spielte seine typischen Gitarrenparts, die Wilko Johnson von Dr. Feelgood so stark beeinflussten. Und der Schlagzeuger ein erdiges rhythmisches Fundament. Die Band lieferte mit "Skull Wars"ein prächtiges Rock'n'Roll und Blues Rock Album ab. Freunde härterer Musik fanden ebenso daran Gefallen wie überzeugte Punks. Für traditionelle Blueser oder Rock'n'Roller war das Werk insgesamt aber eher zu hart ausegfallen, weshalb sich viele Rockabillys nie ernsthaft mit den Pirates auseinandergesetzt haben.
"Skull Wars" begeistert noch heute durch seine schiere Wucht und die unbändige Kraft in den Songs. Die Produktion war für damalige Verhältnisse absolut phantastisch, ohne irgendwie überproduziert zu wirken. Vic Maile hatte das Album hervorragend produziert und die wilde Rohheit in den Songs erkannt und absolut authentisch auf Platte gebannt. Sicherlich trägt auch hier die Punk Aera ein bisschen mit dazu bei, dass dieses grossartige Stück Musik nicht zu Tode produziert und glattgebügelt wurde. Die Stücke auf "Skull Wars" klingen, wenn man direkte Vergleiche anstellen möchte, am ehesten wie die Songs auf dem ersten Album von Dr. Feelgood ("Down By The Jetty"), sind aber härter und schneller, da sie im Rock'n'Roll verwurzelt sind, wohingegen die Gruppe Dr. Feelgood stärker am Rhythm'n'Blues orientiert war.
Die LP "Skull Wars" hat für mich bis heute seine Faszination behalten. Das liegt einerseits an der ehrlichen Musik, die auf diesem Werk gespielt wird, aber auch an der Zeitlosigkeit dieser Musik, die wahrscheinlich wie kaum eine andere perfekt die Symbiose aus Rock'n'Roll, Punk und wildem Gestus verkörpert. Dass die Musiker der Pirates eigentlich nur simplen Rock'n'Roll spielen wollten und sich kaum darüber Gedanken gemacht haben dürften, ob sie vielleicht in zwanzig oder gar vierzig Jahren immer noch Musikfreunde in aller Welt begeistern würden, spricht für die ausserordentliche Qualität ihrer Musik und auch für die enorme Glaubwürdigkeit, die in diesen Nummern drin steckt. Songs wie gefährlich glühende Kanonenkugeln, die einem auch heute noch treffen. Ehrlicher Rock, ungestüm auf den feuchten Planken tanzend und immer mit spitzen Gitarrendegen fuchtelnd. Die pure Freude.