Raï • Wüstenblues aus dem Maghreb
Verfasst: So 18. Jun 2023, 09:30
Es gibt so viele verschiedene interessante Musikrichtungen. Ein Musikstil, der mir ausserordentlich gut gefällt, nennt sich Raï, stammt aus dem Maghreb und wird oft bezeichnet als 'Algerischer Blues'. Den vielleicht bekanntesten Song des Raï hat wohl Jeder schon mal gehört: "Aicha" von Khaled - der Titel war in den 90er Jahren ein grosser weltweiter Hit. Khaled gilt zwar als der König des Raï, aber natürlich ist sein popgefärbter, eher moderner Raï nicht die einzige Richtung, die innerhalb dieser Musikart möglich ist.
Mit Cheb Mami, Fadela, Cheb Hasni, Cheikha Remitti und Rachid Taha gibt es weitere Künstler, die über die Jahre sehr bekannt geworden sind, auch hierzulande. Die mündlichen Traditionen der nomadischen Beduinen (in deren Gesang der Schrei "Ya ma rai" immer wieder auftauchte) und die algerische Form der Shaabi-Musik führten schliesslich zum heute bekannten Raï. In den 30er Jahren war die Raï-Musik erstmals in der Hafenstadt Oran populär. Neben den traditionellen Instrumenten Oud und Gasba, rhythmisch angereichert durch Perkussion wurden westliche Instrumente wie Violine und Akkordeon hinzugefügt. Meist weibliche Sängerinnen (Cheikhas wie Cheikha Rimitti) sangen häufig sexuell gewagte Texte.
Um 1950 verlor die traditionelle beduinische Musik in Oran zunehmend an Bedeutung: In der schnell wachsenden Grossstadt, die den Ruf des Las Vegas Algeriens erhielt, entwickelte sich eine modernere Musik, deren Stars Blauouri Houari und der Trompeter Messaoud Bellemou hiessen. Bellemou war fast dreissig Jahre in Algerien populär. Mitte der 70er Jahre begann er mit der jungen Sängerin Chaba Fadela zu arbeiten, deren Hit "Anama H’lali Ennoum" ("Ich kann nicht mehr schlafen") den Beginn des Pop-Raï markierte. Nun folgten zahlreiche weitere junge Sängerinnen und Sänger (Chebs und Chabas). In der Regel kamen sie aus einfachen Verhältnissen und spielten auf Hochzeiten, Partys und in Nachtclubs (Cabarets) Die Texte der Raï-Musik handelten unverblümt von sexuellem Verlangen.
Ein tragisches Schicksal erlitt der Sänger Cheb Hasni, einer der wichtigsten Vertreter des Raï Love-Stils - eines Stils mit geschmeidigen Arrangements und viel Liebeslyrik. Cheb Hasni galt in Algerien zunehmends als Störfaktor in den Augen des Regimes und weigerte sich beharrlich, ins Exil zu gehen. Er wurde schliesslich am 29. September 1994 auf offener Strasse als sogenannter 'Feind Gottes', der 'das Übel auf der Erde verbreitet habe', durch Attentäter der GIA (Groupe Islamic Armé - Die GIA ist für Massaker an der algerischen Zivilbevölkerung wie auch zahlreiche Morde an Ausländern in Algerien verantwortlich) erschossen, ebenso im Februar 1995 der legendäre Produzent Rachid Baba Ahmed (der Phil Spector des Raï) und im September 1996 Cheb Aziz.
Dem algerischen Schriftsteller Aziz Chouaki zufolge veränderte die Ermordung Cheb Hasnis die Songtexte, verwandelte die Raï-Szene in eine Protestbewegung. Wo die Inhalte des Raï bisher nur Sex, Alkohol und Rastlosigkeit waren, entstand plötzlich ein politisches Bewusstsein. Cheb Mami konnte erst 1999 nach 10 Jahren wieder in Algerien ein Konzert geben, 2000 folgte Cheb Khaled, der 14 Jahre lang nicht mehr in Algerien war.
Ein Teil der jüngsten Generation des Raï arbeitet heute in Paris oder Marseille, wo er unter den so genannten Beurs schon seit den frühen 80er Jahren ein interessiertes Publikum gefunden hatte. Die Notwendigkeit des Exils bot vielen Musikern gleichzeitig die Möglichkeit, in engem Anschluss an internationale Musik zu arbeiten und ihre Einflüsse aufzunehmen. Hybridformen mit Techno, House, Drum & Bass und Hip-Hop sind entstanden, einer der wichtigsten dieser Crossover-Interpreten war der 2018 verstorbene Rachid Taha. Trotz der repressiven Bedingungen der 90er Jahre blieben die Raï Musiker auch in Algerien weiterhin aktiv und sind nicht verstummt, wenn auch in den Medien der westlichen Welt wenig über sie zu hören ist.
Mit Cheb Mami, Fadela, Cheb Hasni, Cheikha Remitti und Rachid Taha gibt es weitere Künstler, die über die Jahre sehr bekannt geworden sind, auch hierzulande. Die mündlichen Traditionen der nomadischen Beduinen (in deren Gesang der Schrei "Ya ma rai" immer wieder auftauchte) und die algerische Form der Shaabi-Musik führten schliesslich zum heute bekannten Raï. In den 30er Jahren war die Raï-Musik erstmals in der Hafenstadt Oran populär. Neben den traditionellen Instrumenten Oud und Gasba, rhythmisch angereichert durch Perkussion wurden westliche Instrumente wie Violine und Akkordeon hinzugefügt. Meist weibliche Sängerinnen (Cheikhas wie Cheikha Rimitti) sangen häufig sexuell gewagte Texte.
Um 1950 verlor die traditionelle beduinische Musik in Oran zunehmend an Bedeutung: In der schnell wachsenden Grossstadt, die den Ruf des Las Vegas Algeriens erhielt, entwickelte sich eine modernere Musik, deren Stars Blauouri Houari und der Trompeter Messaoud Bellemou hiessen. Bellemou war fast dreissig Jahre in Algerien populär. Mitte der 70er Jahre begann er mit der jungen Sängerin Chaba Fadela zu arbeiten, deren Hit "Anama H’lali Ennoum" ("Ich kann nicht mehr schlafen") den Beginn des Pop-Raï markierte. Nun folgten zahlreiche weitere junge Sängerinnen und Sänger (Chebs und Chabas). In der Regel kamen sie aus einfachen Verhältnissen und spielten auf Hochzeiten, Partys und in Nachtclubs (Cabarets) Die Texte der Raï-Musik handelten unverblümt von sexuellem Verlangen.
Ein tragisches Schicksal erlitt der Sänger Cheb Hasni, einer der wichtigsten Vertreter des Raï Love-Stils - eines Stils mit geschmeidigen Arrangements und viel Liebeslyrik. Cheb Hasni galt in Algerien zunehmends als Störfaktor in den Augen des Regimes und weigerte sich beharrlich, ins Exil zu gehen. Er wurde schliesslich am 29. September 1994 auf offener Strasse als sogenannter 'Feind Gottes', der 'das Übel auf der Erde verbreitet habe', durch Attentäter der GIA (Groupe Islamic Armé - Die GIA ist für Massaker an der algerischen Zivilbevölkerung wie auch zahlreiche Morde an Ausländern in Algerien verantwortlich) erschossen, ebenso im Februar 1995 der legendäre Produzent Rachid Baba Ahmed (der Phil Spector des Raï) und im September 1996 Cheb Aziz.
Dem algerischen Schriftsteller Aziz Chouaki zufolge veränderte die Ermordung Cheb Hasnis die Songtexte, verwandelte die Raï-Szene in eine Protestbewegung. Wo die Inhalte des Raï bisher nur Sex, Alkohol und Rastlosigkeit waren, entstand plötzlich ein politisches Bewusstsein. Cheb Mami konnte erst 1999 nach 10 Jahren wieder in Algerien ein Konzert geben, 2000 folgte Cheb Khaled, der 14 Jahre lang nicht mehr in Algerien war.
Ein Teil der jüngsten Generation des Raï arbeitet heute in Paris oder Marseille, wo er unter den so genannten Beurs schon seit den frühen 80er Jahren ein interessiertes Publikum gefunden hatte. Die Notwendigkeit des Exils bot vielen Musikern gleichzeitig die Möglichkeit, in engem Anschluss an internationale Musik zu arbeiten und ihre Einflüsse aufzunehmen. Hybridformen mit Techno, House, Drum & Bass und Hip-Hop sind entstanden, einer der wichtigsten dieser Crossover-Interpreten war der 2018 verstorbene Rachid Taha. Trotz der repressiven Bedingungen der 90er Jahre blieben die Raï Musiker auch in Algerien weiterhin aktiv und sind nicht verstummt, wenn auch in den Medien der westlichen Welt wenig über sie zu hören ist.