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[REVIEW] Michelle Shocked - Short Sharp Shocked (1988)

Verfasst: So 26. Jan 2025, 07:29
von Beatnik
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Michelle Shocked • Shorts, Sharp, Shocked
(Mercury Records 834 924-2)

Die gebürtige Texanerin veröffentlichte ein frühes Spontan-Werk mit dem Titel "The Campfire Tapes", das in etwa so klang, als würden ein paar Studenten um ein Lagerfeuer sitzen, eine Kommilitonin spielt eine akustische Gitarre und trällert dazu. In diesem Falle aber war das Gebotene dermassen wunderbar, dass es nicht lange dauerte, dass die Plattenfirma Mercury einen Talentscout an eines ihrer Konzerte, die oft in der Aula irgendeiner Universität statt fanden, schickte.

Der wiederum - in der Person von Pete Anderson - war so begeistert, dass er die Musikerin gleich um eine Audienz bat und ihr sofort einen Plattenvertrag anbot, welchen die Künstlerin erst einmal gar nicht ernst nahm und später auf Nachhaken sogar meinte, Pete Anderson sei ihr unsympathisch und sie traue ihm das Produzieren einer Platte mit ihr gar nicht zu. Schon diese frühe Einstellung liess ahnen, dass diese Künstlerin haargenau wusste, wohin sie wollte. Was ihr dazu noch fehlte, war ein sogenannter Masterplan.

Die Zusammenarbeit kam letztlich dann doch zustande, allerdings nur, unter einer Bedingung: Michelle Shocked wollte einen Mentor ihrer Wahl im Tonstudio während der gesamten Dauer der Aufnahmen an ihrer Seite haben, dem sie blind vertraute und der, falls angezeigt, intervenieren sollte, wenn die Aufnahmen in eine Richtung gehen könnten, welche der Künstlerin nicht genehm waren. Dieser Mentor kam von der amerikanischen Punkrock-Band The Mekons und ironischerweise war er ein grosser Fan der Aufnahmen, die Pete Anderson produziert hatte. Dies führte schliesslich dazu, dass dieses Meisterwerk genau das wurde, was es ist: Ein Meilenstein im Bereich der klassischen Troubadour-Musik, wie sie auch von Künstlern wie Phil Ochs, Tom Rush, Joni Mitchell oder Spider John Koerner gespielt wurde. Das Bemerkenswerte dabei ist, dass Produzent Pete Anderson gesagt hat, er habe in seiner ganzen Zeit als Produzent nie zuvor und nie danach mit Jemandem zusammengearbeitet, der im Tonstudio keinen einzigen Fehler gemacht hat: keine verpatzte Textstelle beim Gesang, kein falscher Ton auf der Gitarre gespielt und keinerlei falsche nicht perfekt getroffene Gesangslinien.

Die Platte warf damals den ersten und wohl auch ihren einzigen mittleren Hit ab, und zwar das Stück "Anchorage", das von einer Schulfreundin handelt, die von Texas nach Alaska gezogen ist. Die Musikerin schrieb ihrer damaligen Freundin nach vielen Jahren einen Brief, schickte ihn nach Dallas, und die Antwort kam aus Anchorage in Alaska.

Die 1988 mit einem recht provokanten Plattencover erschienene LP wurde 2003 von der Künstlerin selber als CD neu aufgelegt, perfekt remastered und mit einer kompletten zweiten CD als Beilage mit 21 unveröffentlichten Titeln, die eindrücklich bestätigen, über welch grosses Potential diese Musikerin als Songschreiberin und Sängerin verfügt.

Re: [REVIEW] MICHELLE SHOCKED - Short Sharp Shocked

Verfasst: So 26. Jan 2025, 13:29
von Kröter
Ich hab es im Laufe der Jahre immer mal wieder mit MICHELLE SHOCKED versucht (eben weil mich das Plattencover angelockt hat :mrgreen: ), aber so richtig zünden wollte das nicht bei mir.

Re: [REVIEW] MICHELLE SHOCKED - Short Sharp Shocked

Verfasst: So 26. Jan 2025, 15:56
von BRAIN
Kröter hat geschrieben: So 26. Jan 2025, 13:29 Ich hab es im Laufe der Jahre immer mal wieder mit MICHELLE SHOCKED versucht (eben weil mich das Plattencover angelockt hat :mrgreen: ), aber so richtig zünden wollte das nicht bei mir.
mit Dobro, Dulcimer, Fiddle, Mandolin, Banjo und Harmonica ist das eher was für Americana-Freunde.
In diesem Fach zählt die Scheibe zu den Highlights.

thx, für den Review, Beatnik! :wave:

Re: [REVIEW] MICHELLE SHOCKED - Short Sharp Shocked

Verfasst: So 26. Jan 2025, 22:56
von Emma Peel
BRAIN hat geschrieben: So 26. Jan 2025, 15:56 [
Mit Dobro, Dulcimer, Fiddle, Mandolin, Banjo und Harmonica ist das eher was für Americana-Freunde.
In diesem Fach zählt die Scheibe zu den Highlights.

thx, für den Review, Beatnik! :wave:
Ein Highlight vielleicht nicht, aber sicher ein durchaus wichtiger Baustein für den Bereich Alternativ Americana. Sie selbst hat sich immer als politische Person gesehen und Inhalte davon in ihren Texten miteingearbeitet. Aber nicht als bekehrende, sondern mehr als aufmerksam machende Person. Mein Tipp wäre nicht unbedingt der Song "Anchorage", sondern eher die Stücke "Hello Hopeville" oder " das fluffige "When I Grow Up".